Grüne Bürgerzeitung, Nummer 3, September 1989

2 GRÜNE BÜRGERZEITUNG WOZUGAL? Ende September hat sich GAL-Mandatar Karl Pragerstorfer aus dem Gemeinde- rat verabschiedet. Geschäftliche Gründe veranlaßten ihn, bereits nach einem Jahr, wie wir glauben, erfolgreicher Arbeit, "auszusteigen". Wir nehmen diesen Umstand zum Anlaß,mit Pragerstorfer über seine Erfahrungen, aber darüber hinaus über seine Sicht der Auswirkungen griiner Politik nach vier Jahren Gemeinderatsenga- gement der GAL zu sprechen. GAL: Karl, was sind die genaueren Gründe, die dich zu diesem auch für die GAL selbst überra- schenden Schritt veranlaßt haben? K.P.: Wie ich der Presse schon erklärt habe, habe ich zwei Tätjgkeiten, die ich nicht auf Dauer miteinander vereinba- ren kann, die Tätigkeit als Geschäftsfüh- rer einer Firma, die sich sehr intensiv entwickelt und den Gemeinderat. Es hat sich herausgestellt, daß ich beide nicht so vereinbaren kann, wie ich ursprüng- lich angenommen habe. Daher habe ich nach einem Jahr, nach einigem Nach- denken, die Konsequenzen gezogen. Ich mag nicht auf einem Posten sitzenblei- ben, den ich gar rncht ausfüllen kann. Wenn ich etwas rncht so erledigen kann, wie ich mir das vorstelle, dann gebe ich es eben auf und schaue, daß sich jemand anderer findet, der die Tätigkeit besser erledigen kann. GAL: A propos andere Parteien: Wie kannst du dir erklären, daß Vertreter anderer Parteien diesen Widerspruch zwischen beruflichem und politischem Engagement scheinbar locker be- wältigen? K.P.: Sie bewältigen ihn ja nicht, sondern sie sind entweder nur praktisch Platzhalter im Gemeinderat, sagen dort rnchts und sind eigentlich auch nicht sehr intensiv bei irgendwelchen Ent- scheidungsfindungen tätig oder sie sind Vollzeitpolitiker und machen überhaupt nichts anderes. Sie sind vom Beruf ka- rcnziert. Die Kombination von beiden gibt es eigentlich kaum. Es gibt auch in anderen Parteien Fälle, daß Leute zu- rückgetreten sind im Gemeinderat, weil sie beide Tätigkeiten nicht vereinbaren konnten. GAL: Worin bestehen deine wichtigsten persön- lichen Erfahrungen aus diesem einen Jahr Ge- meinderatsarbeit? K.P.: Im Gemeinderat selbst ist die GAL eigentlich ganz selbstverständlich akzeptiert worden als politische Grup- pierung. Es hat weder von der Sache noch von der Person her einen Versuch gegeben, unangenehm zu sein, durch- blicken zu lassen, daß ich nicht er- wünscht sei. Ich habe in den drei Jahren GAL, die mein Vorgänger Gemeinderat war, die langsamen Veränderungen in der Atmosphäre mitgespürt, d.h.auch lange Zeit tätige Politiker wie der Bür- germeister oder Vizebürgermeister haben akzeptiert, daß die Art und Weise, wie sie bisher eine Entschei- dungsfindung getroffen haben 1 nicht ip.ehr so weitergehen kann, daß man die Offentlichkeit bei wichtigen Dingen in- formieren muß, daß die Leute eine Möglichkeit haben, zu wissen, was pas- siert, daß sie SteUung nehmen können, daß man nicht alles im stillen Kämmer- lein macht und die Leute vor vollendete Tatsachen stellt. GAL: Was glaubst du, hat die GAL in den letzten Jahren durch ihr kommunalpolitisches Engagement konkret in der Stadt verändert? KP.: Ein wesentlicher Punkt ist sicher dieser Gestaltungsbeirat und das Ver- sprechen des Bürgerme/_stcrs, bei größe- ren Bauvorhaben die Offentlichkeit so zu informieren, daß die Leute noch Stel- lung nehmen und sich eine Meinung bilden können. Es ist ein Grundsatzpro- gramm zum Umweltschutz beschlossen worden. Es ist so eine Idee aufgetaucht, daß man in den einzelnen Stadtbezirken Bürgergruppen fördert, die sich von sich aus Gedanken machen, wie sich dieser Stadtteil entwickeln soll. Der Magistrat soll dann die Details ausarbeiten. Das erste Beispiel ist sicher Steyrdorf, das ein Modellfall sein sollte, den man auf ganz Steyr ausdehnen könnte. Die ersten konkreten Vorschläge wurden von der GAL zusammen mit den betroffenen Bürgern erarbeitet und dem Magistrat vorgelegt. GAL: Du stellst die Situation sehr positiv dar. Du sprichst von einer Lernfähigkeit der Politiker der etablierten Parteien. Wie verhält sich das zur Geschichte rund um die Reithoffer-Werke, die jetzt aufgrund eines Abbruchbescheides von der Zerstörung bedroht sind? KP.: Es zeigt sich relativ deutlich, daß zwar Veränderungen auf der politischen Seite möglich sind, daß aber auf der anderen Seite scheinbar die Beamten so weitermachen, wie sie es immer getan haben. Früher war die Art und Weise, wie Verwaltung und Politik miteinander agiert haben, sehr einheitlich. Die Spit- zenpolitiker haben sich auf die Verwal- tung gestützt und es ist alles miteinander im stillen Kämmerlein entschieden worden. Jetzt fangen die J>olitiker an, sich immer mehr an die Offentlichkeit zu wenden und sie einzubeziehen. Die Beamten lassen keine Veränderung er- kennen. Im Prinzip ist es wieder nur eine Fehlentwicklung, die aus der Politik kommt, weil die Möglichkeit, in der Be- amtenhierarchie nach oben zu wandern, von Parteibüchern, auch von einer be- stimmten Grundeinstellung und einem bestimmten Verhältnis zu den jeweils herrschenden Politikern bestimmt ist. Die Politiker haben sich ihren Beamten- apparat selbst herangebildet und der reagiert jetzt so, wie man ihn gern vor 20 Jahren gehabt hätte. 9/89 Unser Neuer im Gemeinderat: Als ich mich 1985 entschlossen habe , auf der Liste der GAL Steyr zu kandidieren, geschah dies nur im Bewußtsein diese et- was länger und bunter zu gestalten. Es war nicht meine Absicht tatsächlich einmal als Mandatar innerhalb des Ge- meinderates zu agieren. Durch den Rücktritt von Karl Pragerstor- fer sowie durch den persönlich begründe- ten Verzicht der vor mir gereihten Kandi- daten befand ich mich plötzlich in der Lage eines aufgescheuchten Rehs, entweder in den Wald zu flüchten oder mich der Mäh- maschine Gemeinderat auf der offenen Wiese zu stellen. Auf Wunsch der GAL- Mitgliederversammlung habe ich mich nach langer Überlegung entschlossen diese Herausforderung, die auch eine per- sönliche ist, anzunehmen. Auch wenn Holub aus dem Tschechischen kommt und übersetzt Taube heißt, habe ich weder die Absicht einerseits völlig friedfertig noch ein bunter Vogel zu sein. Trotzdem glaube ich, daß Fliegen schön ist, daß Phantasie und Kreativität auch im Steyrer Gemeinderat eine bisher vernach- lässigte wichtige Rolle zustehen. Ich will nicht zu viele Federn lassen , um das Abheben vom Boden nicht zu verun- möglichen, gleichzeitig will ich aber auch versuchen konstruktiv sachpolitisch zu ar- beiten, die Ideen und Energiepotentiale der GAL-Basis in das Steyrer Rathaus und in die Öffentlichkeit zu transportieren. nach den sternen will ich greifen nicht denn es leuchten auch laternen doch es ist nur UNSER licht das gefällt oder auch nicht. oscar holub Zur Person: geboren 1951 in Steyr, Ma- tura am BRG Steyr, Studium der Psycho- logie in Wien, Mitarbeit an der Jugend- & Drogenberatungsstelle Steyr, stellvertre- tender Leiter der Drogentherapiestation Erlenhof, seit 1987 freischaffender Maler/- Zeichner, Mitarbeiter der Basiskultur Steyr, des Steyrer Tagebuches , gegen Zu- schütten des Wehrgrabenkanals , Mitbe- gründer der überparteilichen Gruppe Of- fene Augen im Wehrgraben , wohnhaft im Wehrgraben , verheiratet.

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