Grüne Bürgerzeitung, Nummer 1, April 1989

GRÜNE BÜRGER-ZEITUNG Trauriges Lied vom Gsangsteg ehe Probleme des Wehr– grabens betreffend, vor dem Umbau der Frauen– stiege ,_ das für Aprilzuge– sagt wurde. (Baurat Vor– derwinkler: ,,Wieso Fqrn– enstiege, da gibt es keine Probleme!") Gsangsreg: Ein Beronsarg für die Demokratie Die derzeitige Situation ist einfach unbefriedi– gend. Die Bürger werden nicht informiert, ihr En– gagement kommt zu spät. Der Bürgermeister ahnt Wie der Blitz traf Anrainer, Spaziergän– ger, Väter, Mütter und Verliebte das Gerücht, der Gsa:rigstegimWehrgraben solle einer Brücke weichen. Das Ge– rücht war zu diesem Zeitpunkt be– schlossene Sache: Die Bauarbeiten , im September ausgeschrieben, in der Bud– getsitzung (!) des Gemeinderates An– fang Dezember deren · Vergabe be– schlossen. Die GAL organisierte ein Pressege– spräch, in der Folge bildete sich eine überparteiliche Initiativgruppe, die sich aus Anrainern, Betroffenen, Mitglie– dern des Vereins We·hrgraben und der GAL zusammensetzte. Eine Unterschriftenaktion wurde ge– startet, Fragebögen an die Anrainer, beziehungsweise die durch die verän– derte Verkehrssituation betroffen Wer– denden ausgegeben. Denn, daß die Brücke, einmal gebaut, für Autoszuge– lassen wird, bleibt zu befürchten. Hatte Bürgermeister Schwarz im Fe– bruar sich noch gegen eine Befahrung durch Anrainer ausgesprochen, so schloß er dies im März nicht mehr aus. In einem Gasthaus im Wehrgraben fand ein Diskussionsabend statt (es war kein kompetenter Politiker.oder Beamter zu bewegen daran teilzunehmen), Betrof– fene aus dem Wehrgraben, der Siernin– gerstraße, dem Wieserfeld und der Blu– mauergasse nahmen daran teil. Argumente gegen den Steg betrafen die Lebensqualität, die veränderte Wohnsi– tuation insgesamt, auch Skepsis vom Standpunkt der Ästethik aus wurde arti– kuliert. Fazit des Diskussionsabends und der Fragebögen : KEINE Gsang– brücke, der Steg soll neu errichtet wer– den! Es folgten 2 Gespräche bei Bürgermei– ster Schwarz, dem Gesprächs- und Zu– hörbereitschaft angerechnet werden muß. Das Resultat allerdings war das Festhalten an der Brückenl,ösung. Wir forderten ein Stadtteilgespräch , sämtli- nichts von der Betroffenheit (will sie manchmal gar nicht wissen), die Auf– träge sind vergeben, eine Korrektur ist nicht mehr möglich . Als konstruktive Lösung bietet sich der nicht nur von der GAL geforderte Ge– staltungsbeirat an, in dem Fachleute wie Architekten, Biologen, Soziologen, Po– litiker und vom jeweiligen Stadtteil Be– troffene sich zus.ammenfinden. Bis zu dessen Realisierung werden wir weiterhin wachsam sein und alle Mög- , lichkeiten des friedlichen Widerstandes nützen . ' PS: GSANGSTEG: zur empörung über die „fremden" unterschriften auf der liste: da wag– ten es doch glattwegs engagierte aus wien, eisenerz (übrigens steyrs jüng– ste partnerstadt) und oh schreck so– gar aus königswiesen für steg und ge– gen brücke zu sein! die fremden, da– von viele steyrer, die im „ausland" le– ben, studieren etc., werden 'von der fremdenverkehrshungrigen „christ– kindlstadt" öffentlich an den pranger gestellt. manchmal wäre „steyr , die stadt der scheinheiligen" der wahr– haftere titel. a echta wehrgrabler geht unter und die fremden sind unerwünscht! weiterhin offene augen im wehrgra– ben: ,,neugestaltung" der frauen– stiege, geplante zweispurige reitter– brücke (natürlich wieder wegen der einsatzfahrzeuge) beim gasthof knapp am eck usw.. knappe vorderwinkelig-schwarze entscheidungen oder offene großzü– gige diskussion und planung? wie sind gespannt, doch unsere sehne am bogen ist noch nicht gerissen . 4/891 „Sterilisation" der Frauenstiege? Zugänge zu einem Stadtteil sind beson– ders sensible Bereiche. Sie bestimmen mit, in welcher emotionalen Haltung wir ihn betreten. Sind sie historisch gewach– sen, so sind sie meist so etwas wie ein Auftakt, eine Zusammenfassung im Vor– hinein. Sie sind aber auch die „gespannte– sten" Stücke Stadt, Überbrücker und - im glücklichen Fall - Verbinder, oft auch von Gegensätzen. Eingriffe in diese Be– reiche sind daher von großer Bedeutung für dne ganzen angrenzenden Bezirk. Die Pläne- zu Veränderungen an der Frauenstiege, der zentralen Verbindung z_wischen Steyrdorf und Wehrgraben, er– scheinen deshalb problematisch: 1 Geplant ist zwar nicht mehr eine „Ser– pentinenlösung" , aber doch auch eine Neuverlegung der Stufen,. weil sie tlw. etwas abgesunken sind. Auch das Nach- - schneiden der abgetretenen Kanten wird überlegt. Eine Rastbank mit Laterne und ein zusätzlicher Absatz sollen die längste Treppe gliedern .,(Sind die Leute heute . wirklich gebrechlicher als frü– her??). Über die Bepflanzung des an– grenzenden Grundstücks und die „Sa– nierung" der Mauern, die die Stiege be– gleiten , jst noch nichts Genaues be– kannt. Mit scharfkantigen , n~u ausse– henden Stufen, einem neuen Geländer, glattgeputzten Wänden , neuen (oder auch allzu antiken) Beleuchtungskör– pern, Bankerl und der üblichen Hübsch– Bepflanzung mit Ziersträuchern wäre die charakteristische Atmosphäre der Frauenstiege völlig dahin, auch wenn ei– nem Architekten (z.B. dem Herrn Bau– direktor) diese Veränderungen sehr ge– ring erscheinen mögen . Ein wesentlicher Reiz der Frauenstiege liegt meiner Meinung na~h nämlich in der Struktur der Oberflächen: Aus der Abgenütztheit der Stufen spricht Ge– schichte, die gerundeten Kanten zeugen von viel Leben, das darübergegangen ist. Die Rauhigkeit der Wände, beson– ders wo sie aus Konglomeratstein beste– hen, auch der stellenweise abfallende Putz, die aus den Ritzen wachsenden Pflanzen (Zymbelkraut, Mauerraute, Streifenfarn, ...), selbst der Rost am Geländer: Alles das ist Wirklichkeit als Gegenteil von Verstellung, von so tun als ob . Es steht im Einklang mit dem Le– ben der Bewohner der Umgebung ,:die Arbeiter und kleine Handwerker waren , Gott sei Dank meist noch sind und auch nicht durch „Neureiche" ersetzt werden sollen.

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