Grüne Bürgerzeitung, Nummer 4, Dezember 1988

14/88 GRÜNE BÜRGER-ZEITUNG Steyrer Ansichten Schöne Seiten - Häßlichkeiten Um die schöne Altstadt wachsen immer größere häßliche Vorstädte. Das erfreuli- che neue Engagement vieler Steyrer ist bedauerlich einseitig. Das natürliche Umfeld der Stadt wird langsam aufge- fressen. Maßnahmen, die auch Steyrs Pe- ripherie wieder schöner und ökologisch gesünder machen könnten, tun not. Deutliche Anzeichen sprechen für ein verstärktes städtebauliches Bewußtsein vieler Steyrer. Es gibt eine erfreuliche Steigerung der Teilnahme am Diskus- sions- und Entscheidungsprozeß bei Fra- gen wie Stadtplatzgestaltung, Revitali- sierung von Steyrdorf und den damit zu- sammenhängenden Verkehrsproble- men. Die GAL kann für sich in Anspruch neh- men, daß sie diesen Trend wesentlich ge- fördert hat, etwa durch die Stadtplatz- Podiumsdiskussion im Frühling '88 und z.B. durch Teilnahme an bzw. Initiie- rung von Zusammenkünften zwischen Planern, Politikern und Bürgern, die sich um die Belebung von Steyrdorf „konstruktive Sorgen" machen. Den Steyrer Politikern und Beamten kann man den Vorwurf einer gewissen Pla- nungs-Eigenbrötelei nicht ersparen (Motto: ,,Wir sind selber unsere besten Experten, nur keine Fachleute von au- ßen beiziehen!). Andererseits ist eine steigende Offenheit für die Meinungen engagierter Bürger zu beobachten, ein ernsthaftes Bemühen, diese Meinungen bei Entscheidungen zu berücksichtigen. Das ist ohne Zweifel eine sehr wichtige und erfreuliche Entwicklung! (Vor 10 Jahren saßen im Rathaus noch die fana- tischen Zuschütter !) Die Hauptursache für diese veränderte Einstellung zur Steyrer Altstadt sehe ich darin, daß vielen ihr Wert heute klarer ist als noch vor etlichen Jahren. Ihre in- ternationale Bedeutung wird uns in letz- ter Zeit immer öfter von namhaften Ex- perten bestätigt. Univ. Prof. Harry Küh- ne], der Leiter der Revitalisierungsar- beiten von Krems, sprach bei einem Vortrag vor einigen Wochen im alten Stadttheater sogar von einer weltweiten Einmaligkeit Steyrs. Selbstbewußtsein als Handlungsantrieb - eine gesunde und positive Situation! Das andere Gesicht Man könnte allerdings schon verzwei- feln, wenn man sich vor Augen hält, wie- viel Schlimmes hätte verhindert werden können, wäre der heutige Bewußtseins- stand, ähnlich wie in Krems, nur 2-3 Jahrzehnte früher erreicht worden. Ver- läßt man nämlich die Altstadt, so stößt man auf moderne Häßlichkeit en gros: Schon ein Blick aus dem Neutor gerät dem vom Stadtplatz verwöhnten Auge zum Schock, ebenso ein unvorsichtiger Schritt über den Brucknerplatz hinaus. Der Fotograf beim Taborrestaurant wählt vorsichtig den richtigen Bildaus- schnitt - sein Zoom-Objektiv umfaßt liebevoll den Stadtplatz und blendet die Ennleiten-Hochhäuser aus; vielleicht auch muß er bald an einem monströsen Parkhaus über dem Bahnhofsgelände vorbeiknipsen. Wer erinnert sich noch an das romantische Vorstadt-Spazierwe- gerl der Seifentruhe, wo Steyrdo1i har- monisch am Abhang des Dachsbergs ausklang? Eine Annäherung an das schöne Herz der tausend Jahre alten Stadt ist in je- dem Fall nur durch Passieren scheußli- cher moderner Errungenschaften mög- licht (durch Passieren von Passiertem sozusagen). Steyrs Randbezirke sind in nur 3 Jahr- zehnten häßlich, gesichtslos, identitäts- los geworden, wie in zahllosen anderne Städten in der ganzen Welt auch: Im in- neren höchste Qualität und eine Eigen- art von internationaler Bedeutung, au- ßen international austauschbarer Ein- heitsunfug; Raumordnungsgulasch mit Verkehrssalat. Resignation nicht angebracht · Als Vorbemerkung dazu möchte ich be- haupten: Steyr ist in einer glücklichen Lage! Ich meine das wörtlich und kann mich dabei unter anderem auf die Grün- dungssage berufen: Nicht zufällig liegt die Stadt an einem Zusammenfluß, nicht zufällig am Übergang vom Ge- birge zur Ebene. Zu übersehen, daß darin ebenso sehr wie in der alten Bau- substanz der Reiz Steyrs begründet ist, daß diese Lage seinen Bewohnern eine einmalige Lebensqualität bietet, wäre unverzeihlich. Genauso wie auf den al- ten Stadtkern müssen wir unsere Auf- merksamkeit auf Bewahrung, Erhal- tung, und (wo es schon starke Störun- gen gibt) Verbesserung des natürlichen Umfelds unserer Stadt richten. Immer mehr schieben sich die wuchernden Siedlungs-, Gewerbe- und Verkehrsan- lagen zwischen Stadtkern und ökolo- gisch (relativ) intaktes Umland. Ent- lang der Steyr flußaufwärts, entlang der Enns flußabwärts. Das sind bald die letzten Schleichwege, auf denen ein Fußgänger der Stadt noch auf humane Weise entschlüpfen kann. Nun einige Punkte im einzelnen: - Nicht resignieren im Resthof, am Ta- bor und in den „modernen" Teilen der Ennsleiten: Durch Verkehrsberuhi- gung (Wohnstraßen), andere Gestal- tung der Grünflächen (insbesondere durch Pflanzung vieler Bäume) und vielleicht auch durch verschiedene Bau- maßnahmen läßt sich sicher manches bessern. In sozialer Hinsicht beweisen gerade die Initiativen im Resthof, was sich alles machen läßt. - Verbesserung des Stadtbildes von au- ßen: Warum sollte nicht vor den Wohn- und Gewerbeklötzen ein Waldstreifen das Auge besänftigen, Luft und Lärm filtern, Kindern Erlebnisraum bieten, Vögel beherbergen, ... ? - Zu breite Einfahrtsstraßen wie die Ennserstraße veranlassen nur zu schnel- lem Fahren. Andernorts werden sie schon rückgebaut. So könnten Streifen für Alleen freiwerden, die Radfahrer müßten nicht mehr direkt neben den Auspuffen strampeln, usw..... - Die Nordspange wäre ein weiterer Schnitt zwischen Steyr und dem Um- land, ein Gürtel aus Lärm und Abgasen, weitere Landwirtschaftsflächen würden dadurch ökologisch entwertet. Mehr öf- fentl. Verkehr, Güter auf die Bahn! - Die beste noch bestehende Verbin- dung zwischen der Stadt und dem Um- land, die Rosenegger Au, soll Natur- schutzgebiet werden! - Die Wasserqualität der Steyrer soll genauer beobachtet werden. - Die Ufer der Enns ließen sich attrakti- ver gestalten: Mehr Spielraum für die natürliche Vegetationsentwicklung (vgl. herrliche alte Weidenbestände an man- chen Steyrarmen, z.B. zwischen Schlei- fersteg u. Schwimmschulkreuzung). - Naturnahe Gebiete an der Enns dür- fen auf keine Fall verändert werden: Rederinsel; Schotterbank und alter Baumbestand gegenüber Ramingbach- mündung; Lauberleiten; Münichholzer Wald und vorgelagerte Inseln. Schließlich darf Raumordnung nicht länger ein leeres Schlagwort bleiben. Das Durcheinander von Gewerbe-, Wohn-, Industrie- und Verkehrsflächen (z.B. an der Ennserstraße) geht auf Ko- sten der dort lebenden und arbeitenden Menschen. Das konzeptlose Wuchern der Stadt nach allen Richtungen muß ein Ende finden. Peter Prack

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