Grüne Bürgerzeitung, Nummer 3, November 1988

1 3/88 GRÜNE BÜRGER-ZE ITUNG STADTPLATZ: Mehr Druck von,, Unten'' Am 12. Oktober wurde das 1. Teilstück des autofreien Stadtplatzes eröffnet. „Schade", meinte derORF-Redakteur am anderen Ende derLeitung, ,,daß es sich dabei nurum einensymbolischenAkt handelt", als ihmGALMitarbeiterund Grün– duingsmitglied der IG-Stadtprojekte (IG = Initiativgr:uppe) Georg Neuhauser auf denFes{akt aufmerksam machte. · Eigentlich war alles wie bei einer richti– gen Eröffnung: Musik, Sekt, Medien und viel Steyrer Prominenz. Über die Tatsache, daß wahrscheinlich noch einiges Wasser die Enns hinunter– fließen muß, bis dieser Herzenswunsch vieler Steyrerinnen und Steyrer, aber auch vieler Besucher vonSteyr, wirklich in Erfüllung geht, konnte auch ein of– fensichtlich gut gelaunter Bürgermei– ster, die Eröffnungsschere zückend, nicht hinwegtäuschen. Die IG-STADTPROJEKTE entstand im Anschluß an einePodiumsdiskussion mit Prof. Knoflacher im April dieses Jahres. Einen autofreien Stadtplatz in absehba– rer Zeit zu erreichen, ist das vorrangige Ziel dieser bislangjüngsten SteyrerBür– gerinitiative, deren Proponenten aus al– len politischen Lagern kommen. ,,Mit dieserAktionwollen wir einen Im– puls für eine breite Bürgerbeteiligung um eione bessere Stadtgestaltung set– zen'', betonten sie bei der an die Aktion anschließenden Pressekonferenz. Daß sie nicht nur den Stadtplatz im en– geren Sinne im Auge haben, zeigte sich in der recht eindrucksvollen Projektprä– sentation in der Galerie Schnittpunkt. Wichtigste Punkte: - Keine Rampe im Bereich Zwischen– brücken, weil sie das Stadtbild stört, den Verkehr nur verlagert (Steyrdorf, Ennsdorf...) , zu teuer ist. - Zufahrt zum Ennskai über eine ver– ampelte bzw. verbreiterte Zieglergas– se zwischen „StadtWien" und der Ab– zweigung Richtung „Casino". - Bau einer Parkgarage im Bereich des Schiffmeisterhauses. - Errichtung eines Fußgängersteges über die Enns. Mögliche Standorte: Neutor, Marienkirche, Rathaus. Der Stadtplatz soll durch begleitende strukturelleMaßnahmen (Verbesserung der Versorgung durch Gasthäuser, Le– bensmittelläden...) und einMinimum an Gestaltung wieder zum Informations-, Kommunikations- und Identifikations– zentrum für alle Steyrer werden. Aus dem langen und ideenreichen Kata– log der Gruppe: Schanigärten, Markt, Fahrradverleih, Straßenmusik, Ausstel– lungen, Litfaßinformationssäulen, Stra– ßentheater usw. · Besondere Beachtungverdient der Vor– schlag einer Öffnung möglicher Passa– gen zwischen den Höfen der Häuser an der Ennskaiseite. Dadurch könnten die großteils uubenützten Hintertrakte wie– der mit Geschäften und Gastronomiele– ben gefüllt werden, womit ein gewi~ses Gegengewichtzu dem mit Banken über– säten Stadtplatz geschaffen wäre. Bgm. Schwarz eröff11e1das 1. Teils1ück des 01110• freien Swdtp/atzes Über die Details der von einem bekann– ten Steyrer Architekten vorgetragenen konkreten Ausformung dieser Projekte kann man zwar geteilter Meinung sein , in der Diskussion um mögliche Verän– derungen im Bereich „Innere Stadt" , wird man allerdings um eine Auseinan– dersetzung mit diesen Plänen nicht her– umkommen. Eine wesentliche Forderung der IG STADTPROJEKTE an die Stadtpoliti– ker ist die Gründung eines Altstadtbei– rates nach Grazer oder Salzburger Vor– bild, wo unter anderem auch engagierte Bürgergruppen für städtebauliche Be– lange ein Mitsprache- und Entschei– dungsrecht haben sollen. Ambitioniert sind auch die weiteren Ar– beitsvorhaben der Initiativgruppe. Für Ende Novemberist eineöffentliche Dis– kussion mit Prof. Knoflacher zumPark– platzproblem inSteyr geplant. Im Früh– jahr soll, womöglich in Zusammenar– beit mit dem Kulturamt der Stadt, eine Ausstellung zur Stadtentwicklung (,,Steyr in alten und neuen Ansichten") stattfjnden. Interessierte werden zur Mitarbeit ein– geladen. - Kontaktadresse: Rudolf Meidl, Enge 25 , Tel. 23576 sl KOMMENTAR Der Steyrer Stadtplatz und damit die Möglichkeit einer „Verkehrsberuhi– gung", wie es im Jargon der Stadtpla– ner heißt, ist ins Gespräch gekommen. Die GAL hat mit ihrer jahrelangen Fordemng nach dem „autofreien Stadtplatz" und der Präsentation -von konkreten Vorschlägen zu Vorgangs– weise und Gestaltung im Herbst des Vorjahres einiges in Bewegung ge– bracht. Daß diese an sich positive, lebhaft ge– führte Diskussion mitunter auch recht seltsame Blüten treibt, zeigen die wahnwitzigen Rampenpläne, gedacht als alternative Zufahrtsmöglichkeiten zum Ennskai nach einer allfäUigen Sperre desStadtplatzes. Auch ~e sonst eher politik-abstinenten Freiheitlichen wurden durch die Auseinandersetzun– gen aus ihrem kommunalpolitischen Dornröschenschlaf geweckt. Ihre Vor– schläge hätten sie sichallerdings sparen können. Abgesehen von einer ausge– sprochen fragwürdigen Rampenva– riante beim Neutor, wäre ein auf Stüt– zen in die Enns hineinragender Park- platz völligerUnfug. · Wir von der GAL glauben, daß es sich bei den meisten bfaher diskutierten Projekten um kurzsichtige und zu teure Lösungen handelt, die den Weg für umfassendere, zukunftsorientierte Entwicklungen verstellen. Deshalb ar– beiten wir mit Interessierten aus allen politischen Lagern in der IG Stadtpro– jekte, die sich u. a. vorgenommen hat, kreative Utopien für möglichst umfas– sende Lösungen aufzuzeigen. Eine sol– che Utopie wäre für uns Grüne, neben einem autofreien Stadtplatz, zusätzli– chen Parkmöglichkeiten jenseits der Enns und einem Fußgängersteg über die Enns, die schrittweise Verwirkli– chung einer „verkehrsberuhigten Zo– ne" am Ennskai , die Schaffung eines „Fußgängerboulevards" an einer der wohl architekonisch reizvollsten Naht– stellen imBereich der AJtstadt. Mit Prof. Kuoflacher sind wir der Mei– nung, daß Steyr wahrscheinlich eine der schönsten Altstädte Europas, viel– leicht sogar der ganzen Welt besitzt. Demnächst soll Steyr einen großen eu– ropäischen Stadtarchitekturpreis zuer– kannt bekommen. Sollten wir uns, gerade im Hinblick auf solche Auszeichnungen mit kleinlichen Lösungen zufrieden geben? Neuhauser

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2