Grüne Bürgerzeitung, Nummer 3, November 1988

GRÜNE BÜRGER-ZEITUNG 3/88 1 Steyrdorf: Eine Entstehungsgeschichte Es war ein naßkalter Vormittag im Februar, als sich, aus Wien bzw. Salzburg ange• reist ein Raumplaner, eine Architektin und ein Verkehrsfachmann, mit einer Grup– pe e~gagierter Steyrer Bürgerin,ien und Bürger, am Wieserfeldplatz zu einer Steyr– dorf-Begebung trafen. BesagtenSteyrem, vorwiegend Bewohnern undBewohnerin– nen derStadtteile Steyrdorf undWehrgraben, GAL-Leuten und sonstigen „ Unruhe– stiftern", war der Kragengeplatzt. Sie hattengenug vondenunglaubwürdigen Beteu– erungen und leeren Versprechungen derPolitikerund ergriffen selbst die Initiative. Auf Vermittlung von GAL-Aktivisten, lierten Kostenvoranschlag, vor allem ei- wandteri sie sich an eine Projektgruppe aus nen „Fahrplan"zurRealisierungdesKon- Wien um Hilfe. Die jungen Wissenschaf- zeptes. ter, der Verkehrsfachmann stammt übri- In der Beschreibung ihrer Methoden und gens aus Steyr, sind bekannt für ihre, mit Arbeitsstrategien, plädieren sie zunächst den jeweils Betroffenen erstellten, Pla- für eine umfassehde Bestandsaufnahme, nungsmodelle und für ihre Erfahrungen die von Bürgerbefragungen über Ver- mit integrierten Stadtentwicklung~rnaß- kehrszählungen, Kartierungeo bis zum nahmen. Sammeln von Materialien (Photos, alte Den Initiatoren dieses Lokaltermins in Beschreibungen, ...) reicht. Bereits in Steyrdorf war klar: dieser Phase sollten möglichst viele Be- e AufGrund der besorgniserregendenEnt- wohner und Interessierte (auch aus ande- wicklung hinsichtliche Bevölkerungs- ren Stadtteilen) einbezogen werden. struktur, Geschäftswelt und Infrastruktur Nach einer Zusammenschau, Analyse und einerseits und der immer deutlicher wer- ersten Interpretation des erhobenen Ma- denden Verkehrsproblematik (Beispiel: terials durch die Projektgruppe, sollten Sierningerstraße), der zunehmenden Be- die Erarbeitung von Zielvorstellungen einträchtigung wertvoller Bausubstanz und ctie Erstellung eines Maßnahmenka- und des damit einhergehenden Verlusts talogs, wieder gemeinsam mit den Bür- an Wohnqualität andererseits, muß un- gern, vor allem in Form vo.n themenorien- verzüglich etwas geschehen. eierten Arbeitsgruppen (Verkehrsgruppe, • Es kann nicht enyartet werden, daß die Wirtschaftsgruppe, Architektengruppe, Stadt Steyr (Magistrat), trotz aller Ver- Öko-Gruppe, ...) erfolgen. Als Zeitrah- sprechungen der politischen Entschei- men für ctie Abwicklung einer derartig dungsträger, von sich aus wirklich initiativ umfassenden und demokratiepolitisch wird, zumal immer wieder auf die ange- beispielhaften Initiative wird (von der er- spannte Finanzsituation verwiesen wird. sten Bürgerversammlung bis zurPräsenta- • Alle notwendigen Veränderungen und tion der Arbeitsergebnisse) ca. 1 Jahr an- anstehenden Schritte bedürfen eines brei- gegeben. ten Rückhalts in der betroffenen Bevöl– kerung. Verordnete Lösungen, im Sinne einer Zwangsbeglückung, bringen nichts, d.h. alle wichtigen Entscheidungen müs– sen mit den Steyrdorfern/Steyrdorferin– nen gemeinsam getroffen werden. • lm Hinblick auf das mangelnde Vertrau– en der Bewohner in die Proponenten der Stadtpl~nung und Stadtverwaltung inner– halb des Magistrats, erscheint gerade dann, wenn die Bevölkerung in die Pla– nung eingebunden werden soll, eine „Be– gleitung" durch unabhängige, ,,außenste– hende" Fachleute ausgesprochen sinn– voll. Zwei Wochen nach der genannten Steyr– dorf-Erkundung und einem ausführlkhen Gespräch über Inhalt und Ziel eines ins Auge gefaßten „Steyrdorf-Revitalisie– rungsplanes", legten die zu Hilfe\gerufe– nen Fachleute ein erstes „Papier'' vor. Es beinhaltet neben einer ausführlichen Ana– lyse der Ausgangssituation, Grundsätzli– ches zu Methode und Inhalt, einemdetail- S1eyrdo1fs „Enge-Gasse" Nach Vorliegen des besagtenPapiers, ver– anstalteten die Initiatoren des Projekts am 13. April d.J. einen Gesprächs-und Infor– mationsabend, zu dem neben den drei Projektplanern auch alle um Steyrdorfbe– mübten Gruppen, dortansässigen Initiati– ven und interessierten Einzelpersonen eingeladen wurden. Die Begeisterung für das Projekt war ungeteilt. Spontan fanden sich 5 Vertreter/innnen, aus allen ver- schiedenen (auch politisch unterschiedli– chen) Gruppen, die das Vorhaben unver– züglich dem Bürgermeister und den zu– stänctigen Stellen im Magistrat vorstellen und ctie notwendige Finanzierung sichern wollten. Das Gespräch mit den Stadtvätern verlief mehr als zufriedenstellend. Der Bürger– meister schien vomKonzept, der insAuge gefaßten Bürgerbeteiligung und den Pro– jektleitern einigermaßen angetan und machte bereits konkrete Finanzierungs– vorschläge, wobei über den Anteil der Stadt Steyr (bei einer Gesamtsumme lt. Kostenvoranschlag von ca. S 220.000,-) noch gesprochen werden sollte. Auch der zuständige Landesrat (Pühringer) beur– teilte das Projekt positiv und stellteFörde– rungsmittel in Aussiebt - Voraussetzung: Ein Ansuchen durch die Stadt Steyr. Was Skeptiker nicht für möglich gehalten hätten, die Realisierung der wahrschein– lich bislang „fortschrittlichsten" und um– fassendsten Stadtteilentwicklungspla– nung, war in greifbare Nähe gerückt. Die fortgesetzte Vernachlässigung eines histo– risch so bedeutsamenwie liebenswürdigen Stadtteiles, aufgehalten. Doch die engagierten Steyrerinnen und Steyrer hatten sich zu früh gefreut, die Skeptiker recht behalten. Nach einer län– geren Funkstille aus dem Rathaus hieß es lapidar - der Stadtsenat habe das Projekt abgelehnt - Punkt. Auf Umwegen konnten wir allerctings er– fahren, daß die Stadt, durch ctie beschrie– bene Initiative aufgeschreckt, nun von sich aus die Erstel– lung eines Revitali– sierungskonzeptes mit Bürgerbeteili– gung für Steyrdorf ins Auge faßt, aller– dings ohne fremde Hilfe, sondern mit den Beamten des Magistrats. Dabei sollen Teile des Konzepts der Initia– tivgruppe verwirk- licht werden. Im– merhin haben engagierte Bürgerinnern und Bürger etwas inBewegung gebracht. Wir wünschen viel Glück und Erfolg und freuen uns trotz der recht eigenartigen Vorgangsweise mit der „Initiative von Un– ten", auf die baldige Realisierung und eine möglichst gedeihliche Zusammenarbeit. PS: Übrigens. Interessierten schicken wirgerne ausführ– liche lJnterlagen zum Steyrdorf-Projekt. Postkarte sen– den an: GAL-Stcyr, Direktionsstraße 8, -l400 Steyr.

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