Grüne Bürgerzeitung, Nummer 3, November 1988

GRÜNE BÜRGER-ZEITUNG 3/88 1 GAL: WECHSEL IM GEMEINDERAT Der Rücktritt Franz Ramoser, der erste grüne Ge– meinderat in Steyr ist zurückgetreten. Bezogen auf das was er vorhatte, nicht ganz plangemäß, wie er selbst sagt. Ramoser ist einKämpfer-Typ, einer der sich den Spielregeln der etabliertenPar– teien nicht unterwerfen wollte. Seine konsequente Politik und vor al– lem sein hoher persönlicherEinsatz hat nicht nur die Mächtigen im Rathaus, sondern auch die, die sich mit dieser Macht arrangiert haben, verunsichert, herausgefordert, zu offenen oder ver– steckten, nicht immer feinen Reaktio– nen provoziert. Bis in den privaten Be– reich hinein traf ihn der lange Arm der von ihm Kritisierten. Ramoser, der Polizist, wurde in seiner beruflichen Existenz bedroht. Das alles hat ihm viel, zu viel Kraft ge– kostet, uns allen aber auch die Grenzen einer konsequenten, grünen Ein-Mann– Opposition imGemeinderat gezeigt. Sachlich haben Ramoser und die GAL einiges erreicht, wir erinnern nur an die Verhinderung der Sondermüllverbren– nung in Münichholz, das Wohnungs– konzept, die Aufdeckungverschiedener Skandale und die vielen kleinenSchritte des Magistrats in Sachen Umwelt– schutz, die ohne den grünen Stachel im Gemeinderat nie zustande gekommen wären . Die Arbeit des Gemeinderates ist transparenter geworden, die GAL hat vieles in die Öffentlichkeit gebracht, das gewohnte „Unter-sieb-Sein" der traditionellen Parteien ist schwieriger geworden. Menschlich ist Ramoser an Grenzen ge– stoßen , an die Grenzen von Macht und Intoleranz, Zynismus und Menschen– verachtung. Besucher von Gemeinderatssitzungen waren immer wieder betroffen, ja schocki.ert, wie „professionelle Politi– ker" und nicht nur irgendwelche „Hin– terbänkler" aus einer satten Mehrheits– position heraus, mit diesem unliebsa– men Außenseiter umgegangen sind. Ramoser wird nicht aufgeben, er wird weiter unbequem bleiben, sich weiter in GAL, Grünbewegung und Bürgerini– tiativen engagieren. Für seineArbeit im Gemeinderat danken wir ihmherzlich. Übers Grün- oder Rot-Sehen im Gerneinderat Eine grundsätzliche Überlegung Der Abgang Franz Ramosers alsGemeinderat der GAL im August 1988hat dieBe– ziehung zwischen Gemeinderat und Grünen wieder ins Gespräch gebracht. Grundsätzlich ist festzustellen, daß unser Anspruch, die Gemeindepolitik zu verän• dern, schwer in Einklang damit zu bringen ist, was derGAL-Mandatar im Gemein• derat überhaupt tun DARF. Daraus entsteht ein Spannungsverhältnis, das sichsehr schnell zum Dauerfrust auswachsen kann. Franz Ramoser.bat nach drei Jahren für sich selbst die Konsequenz aus dieser Zwickmühle gezogen. Gai und Gemeinderat Als es um die Nachfolge Franz Ramo– sers ging, vertrat ich bei Gesprächen in– nerhalb der GALfolgend~s Konzept: Der GAL-Gemeinderat hat die Auf– gabeJ als „Sprecher" der Bewegung im Gemeinderat zu fungieren. Er soll die Grundhaltungen der Bewegungzu allen im Gemeinderat und seinen Ausschüs– sen behandelten Themen eigenständig formulieren und vortragen. Ist es der GAL nicht möglich, alle The– men, die im Gemeinderat behandelt werden, vorher zu diskutieren und im Detail eine Stellungnahme festzulegen, soll sich der Gemeinderat selbst darum kümmern. Damit Theorie und Praxis nicht zu weit auseinaoderlaufen, wird der Gemeinderat in der Mitgliederver– sammlung der GAL über die Vorgänge im Gemeinderat berichten (soweit dies das Amtsgeheimnis überhaupt zuläßt). Aufgrund des Ergebnisses der Gemein– deratswahlen sind die Möglichkeiten des grünenGemeinderates ziemlichein– geschränkt: Er darf reden, er darf appellieren, er darf bitten, er darf fordern , aber er hat nichts zu bestimmen ! Die Rolle derMehrheit Die absolute Mehrheit der SPÖ be– stimmt den Ablauf der Dinge im Ge– meinderat. Alle wichtigen Sachfragen werden zuerstinnerhalb der SPÖ, gege– benenfalls mit Hilfe von Beamten der Rathausverwaltung entscheidungsreif abgesprochen. Da viele Beamte ja ebenfalls SPÖ-Mitglieder oder -wähler sind (die Personalvertretungswahlen zeigen hier immer wieder ein deutliches Bild der Verhältnisse), steht der Rat– hausapparat der Partei nahezu uneinge- ' schränkt zur Verfügung. Sind anste– hende Entscheidungen parteiintern ge– klärt, so sind sie de facto schonGemein– deratsbeschluß, denn die absolute Mehrheit kann alle ihr genehmen Vor– haben in der ihr genehmen Form im Ge– meinderat einbringen und beschließen. Wenn andere Parteien vor der Abstim– mung überhaupt gefragt werden, so hat dies nur eine Alibifunktion, da es in der Öffentlichkeit „besser ausschaut" , wenn möglichst alle Parteien zustim– men. Die Rolle der Minderheiten Die Opposition hat angesichts der jahr– zehntelang festgezimmerten Verhält– nissekeine leichte Aufgabe: • Sie kann sich anpassen (wiedie ÖVP) und darf dann rnitregieren, d.h. bei ge– nerellem Wohlverhalten im Gegenge– schäft ein paar Wünsche äußern. Wohlgemerkt, die Sitze im Stadtsenat stehen ihr aufgrund des Wahlergebnis– ses zu, aber die Mehrheit hat auch dort die SPÖ, die sehr wohl alleine ent– scheiden könnte, wenn sie dies wollte. • Sie kann die Teilnahme auf ein Mini– mumreduzieren (wie dieFPÖ) und hie und da ein paar Einwendungen ma– chen. • Sie kann sich auf einige ~pezielle The– men werfen (wie die KPO) und so auf dieLage der„Werktätigen und kleinen Gewerbetreibenden" aufmerksam machen. • Sie kann versuchen, einen neuenWeg zu probieren (wie die GAL). Also:Was tun, GAL-Mandatar!? Nun eben: reden, bitten , ersuchen. Damit lassen sich Ohr und Hirn der Mehrheitsvertreter besser erreichen, als durch Forderungen.

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