Grüne Bürgerzeitung, Nummer 5, Oktober 1987
1 s1s7 GAL-Initiative Steyrdorf Im Zuge der Wiederentdeckung fast schon vergessener historischer Bausub- stanz und einer teilweisen Rückbesin- nung auf überschaubare Siedlungs- und Versorgungsräume, ist der Steyrer Stadtteil Steyrdorf wieder mehr ins Be- wußtsein einer städtebaulich interes- sierten Öffentlichkeit gerückt. 1. Verkehrsberuhigung Geschwindigkeitsbeschränkungen (30 km/h) in der Kernzone (Gleinkergasse, Kirchengasse, Sierninger Straße). 2. Lösung des Parkplatzproblems Entlastung der Kernzone (Sierninger Straße ...) Erstellung von Studien über mögliche Alternativen (z.B. Tiefgarage am Wie- serfeldplatz, Großparkplätze an der Peripherie, Ausbau des öffentlichen Verkehrs ...) Auch der Nachbar ist Kunde (gemein- same Lösungen) 3. Gestaltung des Wieserfeldplatzes Wiederherstellung seines historischen Charakters (Angerplatz) unter der Ein- beziehung seiner Bewohner (Anrainer) als Erholungs- und Kommunikations- zone. Einführung eines Bauern(Wochen)- rr\.arktes. 4. Installierung einer City-Bus-Linie (Steyr-Daimler-Puch) Ungefähre Streckenführung: Zwi- schenbrücken - Wehrgraben - Direk- tionsstraße - Wieserfeldplatz - Glein- kergasse - Zwischenbrücken. 5. Erstellung und Realisierung eines Gesamtrevitalisierungskonzeptes, mit besonderer Berücksichtigung kulturel- ler und wirtschaftlicher Aspekte, für Steyrdorf. Mögliche Schwerpunkte: Handwerkszentrum-Steyrdorf: geziel- te Förderung für Betriebe die histori- sches Handwerk weiterführen bzw. Werkstätten aufbauen - Handwerker- lehrpfad - Einbindung in das teilweise schon realisierte Konzept für den Wehrgraben (Museum Arbeitswelt, In- dustriekulturzentrum ... ) Förderung von „Spezialgeschäften" Reaktivierung von Gasthäusern usw. GRÜNE BÜRGER-ZEITUNG Gastkommentar von Dr. Peter Pilz Abg. z. NR, Wirtschafts- u. Wehrsprecher der GRÜNEN ALTERNATIVE Kleinaktionär bei Steyr-Daimler-Puch Es war nicht leicht, die Steyr-Daimler- Puch AG dahin zu bringen, wo sie heute ist. Aber wechselnde Vorstände von Malzacher bis Voisard haben es zustan- de gebracht: Österreichs größter Fahr- zeugkonzern steht am Rande des Ab- grundes. Wesentlich dazu beigetragen hat eine Säule der gescheiterten Unter- nehmenspolitik: das Waffengeschäft. Am Anfang klang alles einfach und pro- fitabel: ,,Wir produzieren Panzer und Gewehre, liefern die ersten Serien an das Bundesheer, und den Rest werden uns die Entwicklungsländer aus den Händen reißen." Das Konzept schien in den siebziger Jahren auch aufzugehen. Steyr machte Rüstungsgewinne, und zaghafte Hinweise auf das „Geschäft mit dem Tod" wurde mit dem Argu- ment „Arbeitsplätze" locker vom Tisch gewischt. Einzelne Warnungen, daß all das auf Dauer aus wirtschaftlichen und technologischen Gründen nicht gut ge- hen könne, wurden ignoriert. Zu Beginn der achziger Jahre kippte der internationale Rüstungsmarkt. Die Schuldenlawine kam ins Rollen, und die wichtigsten Käufer der Steyr-Waffen waren plötzlich zahlungsunfähig. Ein paarmal sprang noch die Kontrollbank ein - dann war das Kapitel „Steyr-Rü- stungsexporte" im Großen und Ganzen erledigt. Wesentlich dazu beigetragen hatte auch der Wiedereinstieg der USA ins internationale Rüstungsgeschäft. Während Carter Empfängerländer, in denen systematisch die Menschenrechte verletzt werden, auf eine schwarze Liste setzen hatte lassen, räumte Reagan so- fort nach Amtsantritt blitzartig mit allen Exportbeschränkungen auf. Darüber hinaus begannen die Entwicklungslän- der selbst, gigantische Rüstungskapazi- täten aufzubauen. Für Steyr blieb da nur wenig Platz. Die wirtschaftlichen Opfer dieser Entwicklung wurden vom schwedischen Friedensforschungsinsti- tut SIPRI eindeutig beschrieben: klei- ne, neutrale Länder. Da nützte es auch nichts, wenn das Steyr-Management die Friedensbewe- gung als Sündenbock vorzuschieben versuchte .- auch Rüstungsgeschäfte, gegen die kein einziger Einwände er- hob, konnten nicht realisiert werden. In dieser Situation sprang das Bundes- heer ein. Mit Milliardensubventionen wurden 134 Kürassier-Jagdpanzer ge- kauft, für die nachweislich nicht der ge- ringste Bedarf bestand. Noch heute bie- tet das Heer aus diesen Beständen aus- ländischen Interessenten Panzer zum Kauf an. Heute ist auch das nicht mehr drin. Einerseits ist die Staatskasse leer, ande- rerseits stellen sich bereits andere kri- sengebeutelte Rüst~ngsproduzenten - allen voran die VOEST - um Stüt- zungskäufe an. Die Zeche haben, wie immer, nicht die Direktoren, sondern die Beschäftigten gezahlt. In der Panzermontage in Wien/ Simmering sind vier Fünftel der Ar- beitsplätze verlorengegangen, im Hauptwerk in Steyr traf es in der Ge- wehrerzeugung mehr als die Hälfte - die meisten von ihnen Frauen. Milliar- den Schilling und hunderte Arbeits- plätze sind verlorengegangen. Und Malzacher genießt seine wohlverdiente Ruhe. Wissenschaftliche Untersuchungen ha- ben gezeigt, daß die Rüstungsproduk- tion in Österreich keine wirtschaftliche Zukunft hat. Zukunft haben andere, zi- vile Fahrzeuge: Fahrräder etwa, oder neuartige kommunale Verkehrssysteme in einer Kopplung aus City-Bus und EDV-Bedarfserfassung und Steuerung. Das Steyr-Management ist von diesen Marktentwicklungen unbeeindruckt ge- blieben: Die Fahrradproduktion ist ein- gestellt worden und der Radpanzer wurde zur Serienreife gebracht. Damit ist der nächste Flop programmiert. Und die Opfer stehen auch bereits fest. Voisard wird keines von ihnen heißen. Peter Pilz Die Zukunft der Steyr-Werke PODIUMSDISKUSSION am 6.Nov.1987, 20\ Stadtsaal Steyr e Dr. A lfred Dallinger, Sozialminister e Dr. Albert Leibenfrost, OÖ.-Wirtschaftslandesrat e NR. Abg. Hermann Leithenmayr, ZERO der Steyr-Daimler-Puch AG e NR. Abg. Dr. Peter Pilz, Wirtschaftssprecher der GRÜNEN e Bürgermeister Heinrich Schwarz e Dipl.-Ing. Otto Voisard, Generaldirektor der Steyr-Daimler-Puch AG
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