Grüne Bürgerzeitung, Nummer 5, Oktober 1987
ls GRÜNE BÜRGER-ZEITUNG 5/871 RAMBO II, ZOMBIES V, HINTERGEBIRGE III? Bescheren uns die Elektro-Rambos und Beton-Zombies eine Neuauflage des Naturschutzdramas Hintergebirge? Verschiedene Gerüchte über Wieder- belebungsversuche an der Projekt-Lei- che Speicherkraftwerk Reichraming waren der traurige Anlaß: Die AGRE HINTERGEBIRGE hielt am 2. 10. 1987 in Steyr eine sehr gut besuchte Sit- zung ab. Vertreter aus den Ennstalge- meinden Großraming, Reichraming, Losenstein sowie aus Steyr trafen sich mit Alpenvereinsfunktionären, Mitglie- dern von Naturschutzbund, WWF, Almbauernschaft, Kath. Landjugend u.s.w. Viele alte Bekannte, verstärkt durch etliche neu dazugewonnene Akti- visten, waren versammelt. Besorgniserregende Äußerungen zum Thema Hintergehirge machte seit der Bildung der großen Koalition vor allem der Energieminister Robert Graf. Seine Überlegung: Da es bei der Realisierung der ganz großen Projekte Schwierigkei- ten gibt (Osttirol, Donau), sollen zu- nächst kleinere verwirklicht werden - wohl nach dem Motto „Wichtig ist nicht, wozu wir bauen, sondern nur, daß wir bauen." Dabei nannte er zuletzt im Sept. 1987 wörtlich das „Projekt" Reichraming. Eine zweite Quelle unserer Besorgnis ist das „Memorandum der Verbundge- sellschaft an die Bundesregierung 1987". Darin ist genau das Projekt ent- halten (2 Staumauern, 80 und 100 m hoch), das 1984 im Gefolge der Infor- mationsarbeit der Arbeitsgemeinschaft vom Energieministerium als unsinnig fallengelassen wurde. Einiges spricht auch für das Gerücht, daß die Ennskraftwerke-AG ein Pro- jekt mit nur einem Staudamm vorberei- ten, der mit Spezial-Turbinen ausgerü- stet werden soll. Damit würde ein Pumpspeicherbetrieb möglich: Das · Hinaufpumpen von Ennswasser in den Speichersee. Die Wirtschaftlichkeitsberechnung für das Kraftwerk ist seit 1984 natürlich nicht besser geworden, die erreichbare Stromausbeute von 2.3/1000 (!) des österr. Bedarfs nicht gewachsen. Die Tatsache, daß wir zu allen Jahreszeiten den meisten Spitzenstrom, wie in Reich- raming liefern würden, exportieren, wird auch v.d. Verbundgesellschaft nicht bestritten. Andererseits ist der Wert der Naturlandschaft Hinterge- birge, insbesondere des völlig unbe- rührten Baches eher noch gestiegen, schreitet doch die Zerstörung der letz- ten ökologgischen Ausgleichsräume rundherum immer weiter fort! Aufgrund dieser Tatsachen bekräftigte die Arge einhellig ihren Standpunkt, daß das Hintergebirge so schnell wie möglich unter Naturschutz gestellt wer- den soll, und zwar das ganze Hinterge- birge. Die ARGE lehnt ausdrücklich auch jede „Kompromißvariante" (z.B. mit nur einer Staumauer) ab. Es ist ein- fach nicht fair von der E-Wirtschaft, in einem Bundesland „Kompromisse" an- zubieten, in dem bereits 92 % der nutz- baren Wasserkräfte ausgebaut sind, mehr als in jedem anderen Bundesland übrigens! Dieser Bach, einer der aller- letzten und einzigartig in seiner Unver- sehrtheit, soll ganz erhalten bleiben! Außerdem stellt die ARGE fest, daß die wesentlichsten Nachteile auch durch eine Staumauer gegeben sind, z.B.: die Auslcitung des Bachs unterhalb der Staumauer (Reduzierung auf ein kleines Restwasser). die potentielle Bedrohung Reichra- mings (u. weiterer Ennstalgemein- den) durch einen Staudamm in un- mittelbarer Ortsnähe. Vgl. a. Kölnbreinsperre im Maltatal, die seit Jahren nicht abgedichtet wer- den kann. b. Speicher Zillergründl: Er ist 7 Tage nach der Eröffnung undicht geworden (ORF-Abendjournal, 2. 10.). Die geo- logische Situation im Hintergebirge (Kalkalpen!) ist eher noch schwieriger; auch sind Erdbeben nicht auszuschlie- ßen (zuletzt Molln 1967). Verschiedentlich hört man auch, das Projekt Reichraming solle zum Gegen- stand einer Volksabstimmung gemacht werden. Die ARGE vertritt dazu fol- gende Auffassung: a. Die betroffene Bevölkerung kann sich erst nach einer Katastrophen- und Evakuierungsübung ein Bild von ihrer Lage machen. In Klaus im Steyrtal wurde seinerzeit eine solche durchgeführt. In Reichraming ergä- ben sich allerdings unmöglich kurze Vorwarnzeiten (höchstens Minuten) bei einer Flutwelle. b. Das Hintergebirge ist eine Land- schaft von überregionaler Bedeu- tung, gerade auch als Erholungs- raum. Eine Volksabstimmung dürfte daher nicht auf die Anrainergemein- den begrenzt werden. c. Eine Abstimmung ist nur demokra- tisch, wenn beide Seiten die gleiche Chance zur Präsentation ihrer Sicht in der Öffentlichkeit haben. Daher 'müßten den Kraftwerksgegnern die gleichen finanziellen Mittel zur Ver- fügung gestellt werden, wie sie die E- Wirtschaft seit Jahren aufwendet, um uns zu überzeugen. Um den In- formationsrückstand aufzuholen, müßten wir außerdem 1Jahr Zeit ha- ben. Die ARGE hat in den letzten Jahren an der Erschließung des Hintergebirges für den sanften Tourismus gearbeitet. Wir wollen diese Arbeit fortsetzen, es wäre schade, wenn wir uns wieder auf die Verhinderung eines unsinnigen Pro- jekts konzentrieren müßten. Aber die Stimmung bei der letzten Sitzung ließ keinen Zweifel aufkommen: Die Mit- glieder der ARGE sind mehr denn je entschlossen, für die Erhaltung des Hin- tergebirges einzutreten, sobald es sein muß. In diesem Zusammenhang einige Infor- mationen und Bitten: Wir würden uns sehr über neue Mitar- beiter freuen! Kontaktadresse: Briefe: ARGE Hintergebirge Postfach 25 4460 Losenstein. Telefon: Peter Prack 07225/8470 Eine Broschüre mit unseren Argumen- ten auf dem neuesten Stand ist in der Buchhandlung Ennsthaler um 10, - er- hältlich, ebenso im Büro des Eisenwur- zen-Vereins (im Gebäude der Pfarre Tabor, Rooseveltstr.) und über die an- gegebenen Kontaktadressen. 12 Vertreter der ARGE sind im Juni 1987 endgültig wegen „Besitzstörung" verurteilt worden (Besetzungsaktion d. Baustelle im Hintergebirge 1984). Die Prozeßkosten von ca. 100.000,- sind nur einigermaßen abgedeckt, nicht zu- letzt dank einer großen Spende von der JVP, überreicht von Landesobmann Mag. Gumpinger bei der letzten Sit- zung. Eine Bürgerinitiative kann aber auch mit dem Kontostand Nullnichtar- beiten. Deshalb wären wir für Spenden sehr dankbar. Kto. 16923 Raika Losenstein Abschließend einige touristische Infor- mationen: Der Radweg von Reichraming ins Hin- tergebirge erfreut sich bereits großer Beliebtheit. Am Bahnhof Reichraming stehen ca. 20 Fahrräder zum Ausleihen zur Verfügung. Sie können auch telefo- nisch reserviert werden. Der im Frühjahr eröffnete Klettersteig durch die Große Schlucht ist sehr gut ausgetreten und viel begangen. von Peter Prack
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