Grüne Bürgerzeitung, Nummer 5, Oktober 1987

1 s1s1 2. Eine vorübergehende Lagerung in re- gionalen Hochsicherheitsdeponien (das wäre möglich!), d.h. da der Sondermüll in dezentralen, hochsicheren, begeh- und einsehbaren Deponien zwischengelagert würden. Dadurch, und zwar weil es ja dann an mehreren (dafür geeigneten!) Standor- ten solche Deponien gäbe und die Leute damit das Müllproblem (endlich) in ihr Bewutsein aufnehmen würden, könnte der Druck der Bürger auf die Verant- wortlichen, diesen Müll ungefährlich zu entsorgen, auf breiter Basis massiv an- steigen und die Politiker, die sich ja be- kanntlich an der Masse orientieren, dazu veranlassen, mehr Geld in die Recycling- forschung zti stecken. MEHR GELD FÜR DIE RECYCLING- FORSCHUNG ! Außerdem könnten unmäßig anwach- sende Müllanteile einen Kaufboykott nach sich ziehen bzw. könnte die Wirt- schaft über Gesetze gezwungen werden, problematische Produkte (die ja wirk- lich oft unsinnig und überflüssig sind, wie etwa PVC-Verschweißungen von Büchern usw.) nicht mehr herzustellen. Also auch die Lagerung stellt nur eine · vorübergehende Lösung dar, so wie GRÜNE BÜRGER-ZEITUNG überhaupt jede Art der Müllentsorgung mit konkreten Schritten zurMüllvermei- dung gekoppelt sein muß, denn nur so können wir eine langfristige Lösung des Müllproblems in Angriff nehmen und WIR SIND FÜR EINE LANGFRISTIGE LÖSUNG DES MÜLLPROBLEMS! unseren Nachkommen eine Zukunft oh- ne Sondermüllbelastung in Aussicht stellen. Auch aus diesem Grund ist eine Ver- brennung - so heißt es auch in einem Be- schluß der GAL-Steyr vom 2. 10. 1987 - grundsätzlich abzulehnen, denn sie ist nicht nur luftbelastend und katastro- phenanfällig, sondern würde auch eine immer größer werdende Produktions- flut von Problemstoffen nach sich zie- hen, weil es ja dann in Steyr oder an- derswo eine tolle Anlage gibt, in der man den Dreck verheizen kann - und gewinnträchtig noch dazu! III. WIE KANN SICH DER BE- TROFFENE BÜRGER WEHREN? 1. Beim Land Oberösterreich (das jetzt dafür zuständig ist, nachdem sich Bür- ger aus Nachbargemeinden eingeschal- tet haben) einen Antrag auf Parteistel- sl Jung im gewerbebehördlichen Verfahren einreichen, der mit einer 120-S-Bundes- stempelmarke versehen sein muß. 2. Sich der überparteilichen „Bürgerini- tiative gegen Müllverbrennung" an- schließen (Kontakttel. : 639372), die am 14. 10. 1987 ihre Gründungsversamm- lung abhielt und bei der jeder Interes- sierte aus Steyr oder Umgebung herz- lich willkommen ist (geplant ist u.a. auch ein Auftritt in der Argume_ntesen- dung). 3. Im eigenen Haushalt Müll trennen und nicht einfach alles in den Mistkübel schmeißen. 4. Durch ein bewußteres Kaufverhalten Problemmüll vermeiden - auch so kann die Wirtschaft zur Produktionsumstel- lung veranlaßt werden. 5. Am 22. Oktober 1987, 19 Uhr, die In- formationsveranstaltung in der Mehr- zweckhalle Münichholz besuchen, tech- nische Experten den Bürgern Rede und Antwort stehen werden ... Verbrennen: Aus den Augen - aus dem Sinn, meinen vielleicht so manche, jedoch die Wirklichkeit sieht anders aus: Aus den Augen - in die Lungen. Wenn die Anlage steht, ist es zu spät. .. STEYR-WERKE: WIE LANGE NOCH? Die Steyr-Werke werden von einer Kündigungswelle nach der anderen überrollt. Im September wurden 1054 Kündigungen bei der Arbeitsmarktver- waltung vorangemeldet. Jetzt kommen die „blauen Briefe". Die Stimmung im Werk ist dementsprechend. Niemand weiß, wie es weitergeht. Unsicherheit, Angst und Resignation haben sich breit gemacht. Allein in den letzten 2 Jahren wurden an die 1700 Beschäftigte „frei- gesetzt", wie es im verlogenen Jargon der Beschöniger heißt. Aber was ist das für eine Freiheit in einer (Krisen)Re- gion, in der die Arbeitslosigkeit etwa doppelt so hoch ist wie im gesamtöster- reichischen Durchschnitt (Stand Juli 1987)? Wie soll das weitergehen? Endzeitstimmung Im Zusam,menhang mit der Arbeit an diesem Artikel wollten wir unter ande- rem die Meinung eines SP-Betriebsrates zur gegenwärtigen Situation in den Steyr-Werken einholen. Ein zuerst zu- gesagtes Gespräch fand dann aber plötzlich nicht statt: ,,Was sollte das denn jetzt für einen Sinn haben ... ", ,, ... lassen Sie uns in Ruhe, ich will nichts weiter dazu sagen". Symptomatisch und verständlich zu- gleich: Jeder hat Angst. Die einen um ihren Job, die andern um ihren Einfluß. Ein falsches Wort, eine kritische Be- merkung - die Folgen können fatal sein. Der Existenzkampf hat längst be- gonnen. Jeder gegen jeden. Keiner traut dem andern. Während es bisher zum überwiegenden Teil „Nicht-Fach- kräfte" erwischte, trifft es jetzt, wo Ge- neraldirektor Voisard ein Viertel des Personals abbauen wi ll , zunehmend auch die qualifizierten Facharbeiter. Hartnäckig hält sich z.B. auch ein Ge- rücht, wonach derselbe Voisard auf die Einwände von Betriebsräten gegen die geplanten Kündigungen in salopper Manier mit „entweder ihr werdet ver- nünftig oder wir melden im November den Konkurs an" - gedroht haben soll. Die Angst vor dem Verlust des Arbeits- platzes widerspiegelt sich auch im Er- gebnis der letzten Betriebsratswahlen. Nichts geht mehr ohne die Partei. Aber können Betriebsräte, die in der Vergan- genheit allzuoft der Faszination von Macht und Einfluß erlegen sind, derar- tig hohe Erwartungen überhaupt erfül- len? Viele resignieren. Angestelltenbe- triebsrat Pimsl lehnt zwar Kündigungen zur Sanierung des Unternehmens ab, wird sie aber nicht beeinspruchen. Was meint er, wenn er dies mit der „Einsicht in die wirtschaftliche Realität" begrün- det? Die wirtschaftliche Realität eines Unternehmens, in dem Jahre hindurch gut bezahlte Manager, ohne Konzept und Perspektive, Konzernpolitik auf dem Rücken der Arbeitnehmer betrie- ben haben oder die Realität einer kin- derreichen Familie aus dem Ennstal, deren „Ernährer" jetzt arbeitslos wird? Zu „kompliziert" ist alles geworden, zu verflochten die Interessen. Qualität die besteht? Dabei sind es erstklassige Produkte, in- ternational anerkannt, die von STEYR prod\lziert wurden und werden. • Es war eine falsche Konzernpolitik, die vor 15 Jahren nicht auf die heiß um- kämpften Westmärkte, .. sondern fast ausschließlich auf die „Olstaaten" und den Ostblock setzte. • Es war das Management, das nur zö- gernd bis gar nicht versucht hat, aus der extrem anfälligen, tradi tionsbedingten Produktionsmonokultur (Waffen, Last- wagen, Traktoren) auszusteigen und dem vergleichbaren Beispiel ausländi-

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2