Grüne Bürgerzeitung, Nummer 5, Oktober 1987

GRÜNE BÜRGER-ZEITUNG 5/87 1 Geschäftemacher auf Recyclingwelle Startet in Kürze den Probebetrieb: Wie ja mittlerweile fast jeder Steyrer weiß, soll in unserem Stadtgebiet, auf dem Gelände des Gußwerks II, eine Hochtempera- turvergasungsanlage errichtet werden, in der Sondermüll verbrannt werden soll. Zwei private Unternehmer aus Steyr, Dipl.- Ing. Eberhard NEUDECK und der Schrotthändler Wolfgang GEBESHUBER, haben bei der Gewerbeabteilung des Magistra- tes Steyr ein Projekt eingereicht, das ohne Intervention der GAL-Steyr wahrscheinlich schon genehmigt worden wäre. Warum es doch nicht dazu kam, und wie die Betreiber ohne Gewerbeverhandlung ihr Projekt durchziehen wollen sowie über Grundsatzfra- gen des Sondermüllproblems, aber auch über Möglichkeiten der Bürger, sich engagiert zur Wehr zu setzen, informiert Sie folgender Bericht: I. ZUM HERGANG DER DINGE Donnerstag, 7. August 1987: Gemein- derat Franz RAMOSER bekommt durch einen glücklichen Zufall die Pro- jektbeschreibung einer Anlage zur ,,Reingewinnung von Wärme", persön- lich gezeichnet durch Wolfgang Gebes- huber, ERG-Ges.m.b.H., zugespielt. Bei näherem Durchsehen dieses Papiers stellt sich heraus, daß es sich dabei ein- deutig um eine Sondermüllverbren- nungsanlage handelt, in welcher u.a. hochgiftige Chemikalien (s. später) ver- brannt werden sollen. Der Termin für die Gewerbeverhandlung für dieses Projekt ist mit Dienstag, 11. August 1987, festgesetzt. Freitag, 8. August 1987: Ramoser eilt mit den Unterlagen am frühen Morgen zu einem unserer Redakteure. Sofort wird ein Flugblatt entworfen, eine Son- dernummer der „GRÜNEN BÜR- GERZEITUNG". Die Oberösterreich- KRONEN-Zeitung wird informiert. Noch am selben Abc,nd werd~n einige Exemplare der „GRUNEN BURGER- ZEJTUNG" auf den Windschutzschei- ben von Münichholzer sowie Resthofer PKWs verteilt. Samst~g, 9. August 1987: Der Bericht in der 00-KRONE erscheint. Im Laufe des Tages werd~.n die rest_l_ichen Exem- plare der „GRUNEN BURGERZEI- TUNG'' in Münichholzer Haushalten sowie im Resthof, Teilen des Tabors, Hammergrund sowie' in der Bürstmayr- siedlung (einem der am ärgsten betrof- fel)_en Gebiete) verteilt. Im Bericht der 00-KRONE spricht sich Bürgermei- ster SCHWARZ gegen das Projekt aus, Umweltstadtrat PIMSL gibt sich über- rascht, obwohl man munkelt, daß er vorher eifrig auf der Seite der Betreiber agiert haben soll. Dienstag, 11. August: Die für neun Uhr (und übrigens mitten in der Urlaubs- zeit!) anberaumte gewerbebehördliche Verhandlung auf dem Gelände des Gußwerks II findet nicht statt. RAMO- SER findet das Areal menschenleer vor. Geistesgegenwärtig begibt er sich ins Rathaus, wo in einem Nebenraum Dipl. Ing. Eberhard NEUDECK zu RA- MOSER: ,,SIE SIND EIN FASCHIST!" getagt wird. Die Verhandlung wurde je- doch schlichtweg in „Informationssit- zung" umbenannt.Ramoser nimmt Platz und wird am Verhandlungstisch von Dipl.-Ing. Eberhard Neudeck als ,,Faschist" beschimpft. Ramoser ent- gegnet, er werde sich dagegen rechtli- che Schritte vorbehalten ... Von da an verlaufen sich die Dinge vor- übergehend im Sand bzw. werden in der P,resse ko_lportiert: ,,UM~ELT-FONDS UBERPRUFT PROJEKT FUR STEYRER MÜLLVERBRENNUNG" - ,,VORERST KEINE PROTESTE GEGEN SONDER- MÜLLANLAGE" - ,,SONDERMÜLL- ENTSCHEIDUNG ERST 1988" - ,,GE- FÄHRLICHER GIFTMÜLL SOLL IN ALTEM GUSSWERK VERHEIZT WER- DEN" - ,,STEYR MACHT AUFSTAND GEGEN PLAN EINER PRIVATEN SON- DERMÜLLVERBRENNUNG" - 10.000 TONNEN SONDERMÜLL PRO JAHR SOLLEN TM GUSSWERK VERGAST WERDEN" u.ä. lauten die teilweise ein- ander widersprechenden Schlagzeilen in den Tageszeitungen. Und was ist es nun wirklich, das ver- brannt werden soll? Laut firmeneigener Projektbeschreibung der ERG: Ölverunreinigter Boden, Abfälle von Pflanzenbehandlungs- und Schädlings- bekämpfungsmitteln sowie von pharma- zeutischen Erzeugnissen, Abfälle von Mineralölprodukten, Abfälle von organi- schen Lösungsmitteln, Farben, Lacken, Klebstoffen, Kitten und Harzen, Kunst- stoff- und Gummiabfälle, Textilabfälle, krankenhausspezifische Abfälle, also die gesamte satte Palette des Sondermülls! Dann, ungefähr Mitte August, kommt plötzlich (noch eine) Katze aus dem Sack: Geplant sei eine Ho~~tempera- turvergasungsanlage der VOEST, die Projektbeschreibung der Firma ERG, Anrainer werden vertröstet: Alte Projektbeschreibung ungültig hochsichere Technologie der VOEST - IRREFÜHRUNG DER BEVÖLKE- RUNG? beteuert man von seiten der Stadtver- waltung gegenüber besorgten Anrai- nern, sei vorgeworfen worden und also nicht mehr gültig. Gleich bleibt aber die Art von Sondermüll - das entnahmen wir einem VÖEST-eigenen Farbpro- spekt über Hochtemperaturvergasungs- anlagen - die verbrannt werden soll. Außerdem habe man - laut KRONEN- Zeitung - das Projekt an den (von der UMWELTFONDS IST PARTEIAB- HÄNGIG UND WIRTSCHAFTS- ORIENTIERT SPÖ dominierten) Umweltfonds dele- giert - und dann noch SCHWARZ wörtlich zur KRONEN-Zeitung: ,,Die grundsätzliche Ablehnung bleibt aber aufrecht." Nun stellt sich uns die entscheidende Frage: Warum reicht man ein Projekt ein, das man dann wenig später, nach- dem es an die Öffentlichkeit gelangt ist, plötzlich revidieren muß? Warum infor- miert man nicht gleich die Bevölkerung und legt die Karten offen aufden Tisch? Warum zuerst eine völlig dilettantisch konzipierte Anlage ohne taugliche Vor- richtungen zur Emissionsbekämpfung (so Dipl.Chem. Hanswerner MACK- WITZ, der die Projektbeschreibung studiert hat und uns umgehend eine schriftliche Stellungnahme zukommen Hanswerner MACKWITZ: VÖLLIG DILETTANTISCHE ANLAGE OHNE EMISSIONSBEKÄMPFUNG ließ), und dann, quasi aus der Hüfte ge- schossen, plötzlich eine „hochsichere, supermoderne" Technologie der VOEST? Oder war das Verwerfen des ursprüngli- chen Planes ohnehin nur ein Täu- schungsmanöver, eine gewollte Irrefüh- rung der Bevölkerung? Auf die Schaufel genommen von Wolf- gang GEBESHUBER müssen sich auch die Hörer der Rundfunksendung „DIAGONAL" vom 26. September 1987 fühlen, in der dieser wörtlich

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