Gregor Goldbacher - Eine Rückschau zur Vollendung des 60. Lebensjahres

Gregor Goldbacher Eine Rückschau zur Vollendung seines 60. Lebensjahres von Karl Mayer=Freinberg,

Gregor Goldbacher von Karl Mayer=Freinberg. Linz 1935. Bund o.=ö. Mundartdichter.

Sonderdruck aus der Steyrer Zeitung (1935, Nr. 119, 120.)

1. Jugend und Entwicklung. An einem Frühlingstag des Jahres 1890 waren meine mathematischen Kenntnisse in der Steyrer Realschule wieder einmal so gar nicht anerkannt worden und mit einem frischen „Fünfer“ im Heft trat ich verschnupft“ den Heim¬ weg an, als mir am oberen Ende der Michaelerstiege ein Schulkamerad seine häuslichen Nachhilfsdienste anbot. Mit einem recht ungläubigen „Du?“ sah ich ihn fragend an, aber „Gurs“, wie der Schüler Gregor Goldbacher schon damals aus ganz unbekanntem Grunde von seinen Kol¬ legen allgemein genannt wurde, wußte sein überragendes Wissen in dem strengsten aller Unterrichtsgegenstände so überzeugend darzulegen, daß ich ihn gleich mit nach Hause nahm zum „Bummerlwirt“;) weil es mir schien, daß alle Not jetzt ein Ende habe. Tatsächlich verschwanden die „Fünfer“ und sie wären wohl dauernd weggeblieben, wenn ja wenn wir in der Deutschen Sprache nicht bald zu ihrem schönsten und anregendsten Kapitel gekommen wären, zu Prosodik und Metrik, mit ihren die jungen, aufblühenden Herzen in Bewegung setzenden Kräften! — Gemeinsam an einer Schreiblade sitzend, brachten der „Zögling und sein Hauslehrer“ die ersten „Gedichte“ zu Papier und in dem Taumel der kunstfrohen Begeisterung, der, genährt vom öfteren Theaterbesuch und eigenem Theaterspielen, bald fast alle Klassenkollegen erfaßt hatte, kam die liebe Mathematik wieder ins Hintertreffen. Das konnte jedoch unsere feste Freundschaft nicht stören, umso weniger, als ich mich dann dem Buchhandel zuwandte. Im sogenannten „Mayer¬ zimmer“, dessen Fenster in den Säulenhof des „Bummerl¬ hauses" und ins „Mayrgaßl“ gingen, sorgte mein queck¬ silberner Kopf dafür, daß der künstlerische Hochbetrieb, der *) Der Vater des Verfassers dieser Schrift war der letzte Gast¬ wirt „Zum goldenen Löwen am „Bummerlhaus“ in Steyr.

hier bei meinem Austritt aus der Schule herrschte, nicht stillestand, wobei sich die künstlerischen Anlagen Goldbachers stetig entwickelten. Durch einen steifen Arm an der Aus¬ übung eines Musikinstrumentes gehindert, stellte Gurs als Bassist seinen Mann, trat als Coupletsänger auf und bei den Aufführungen harmloser Studentenstücke als Mime, hielt begeisterte Ansprachen und Vorträge und war im Jugendkreise der Geselligste, dessen witzige Bemerkungen stets zündeten. Als die „Truppe" meine Stücke am Theater des Kath. Gesellenvereines im Gasthaus „Zu den drei Rosen“, das meiner Tante gehörte, spielte, verfaßte auch Gurs ein Verlustspiel: „Es spuk“ und die gewalttätige fünfaktige Jambentragödie „Robespierre Solche Extratouren im Reiche der Musen blieben für Goldbachers Studium ohne hemmende Wirkung. Das war nicht allein in der Veranlagung, sondern auch in den Lebensverhältnissen begründet. Die Enge seines elterlichen Heimes bildete sozusagen den besten Ansporn, darüber hinauszukommen und blieb der segensreichste Lehrmeister fürs Leben. Von der Vorstadt „Vogelsang aus, wo der Knabe am 10. Oktober 1875 am sogenannten „Nordpol¬ Steyrs geboren wurde, waren die Eheleute Goldbacher, der Vater aus Steiermark, die Mutter aus Weyer gebürtig, über Kraxental bei Garsten wieder nach Steyr gesiedelt, wo Vater Goldbacher in der damals gerade im besten Aufschwung be¬ griffenen Werndlfabrik Arbeit und Verdienst fand und bald als Feuerwächter und Telephonordonnanz bei der Direktion verwendet wurde. Im Haus Nr. 11 in der Werndlgasse bezog die Familie für lange Zeit die linke Parterre¬ Wohnung, ein nettes, freundliches, kleinbürgerliches Heim mit einem Gärtchen hinten hinaus, in dessen Ecklaube unser Gurs über den Büchern saß und des Abends oft manche gemütliche Stunde verträumte. Der Vater, eine bei aller Genauigkeit im Dienst doch mehr gleichmütige und ver¬ schlossene Natur, was sich daheim in einer fast militärischen Starrheit auswirkte, war von dem Drange beseelt, das einzige Kind besseren Lebensverhältnissen zuzuführen. So kam es, daß der herzensguten Mutter verständiger Sinn die sorglich wärmende Sonne war, die belebende Kraft, an der noch der heranreifende Jüngling mit größter Liebe

hing. Vater und Sohn konnten sich im blitzblanken Heim, wo am einfachen Eßtisch täglich ihre Leibspeisen — Knödeln und Schokolade — standen, wohlfühlen. Den naturfreudigen Sohn litt es aber nicht allzulange in der Stube, und wenn es die Witterung nur halbwegs zuließ, tummelte er sich als ein begeisterter „Wasserratz“ in der nahen Schwimmschule, wo er der besonders Bevorzugte des Schwimmeisters und nach der von ihm ins Leben gerufenen „Neptunia“ das Capo der gesamten badenden Jugend war. Sein Organi¬ sationstalent in der Jugendfürsorge, das Goldbacher während seines ganzen späteren Lebens so hervorragend betätigte, war damit zum erstenmal öffentlich hervor¬ getreten. Wasser, Wind und Sonne stählten seinen Körper zu einer Zeit, wo man von Abhärtung noch wenig sprach und seine Vorliebe für körperliche Ertüchtigung wirkte sich im Freundes= und später im Familienkreise beson¬ ders „stichelhaarig“ aus. Im Winter sauste er auf den ge¬ liebten Bretteln über die glitzernden Hänge der beschneiten Steyrer Vorberge und bald gründete er in Steyr den ersten Skiklub „Telemark“. Neben dieser körperlichen und sport¬ lichen Betätigung, die den am Gebrauch des rechten Armes stark Gehinderten ein gar schönes Zeugnis seiner Lebens¬ energie und beharrlichen Willenskraft ausstellt und zu der auch die vielen ausgedehnten Wanderungen und Bergstiege gehoren, die mit ihrem reichen Stimmungszauber schon früh die junge Seele auflockerten und für das Liebliche und Er¬ habene, für die Schönheit der engeren Heimat empfänglich machten, kamen die fröhlichen Stunden, die Gurs durch viele für die Entwicklung entscheidende Jahre fast täglich im Bummerlhaus, in der schöngeistigen Atmosphäre des „Mayerzimmers verbrachte und die ihm immer neue literarische und musikalische Anregungen zuführten. So verflogen die sonnigen Jugendjahre in Steyr nur allzubald und der Ernst des Lebens meldete sich bei Freund Gurs schon in vernehmlicher Weise, als er anfangs Oktober 1894 nach glänzend bestandener Matura an die Hochschule nach Wien kam, um an der Technik und später auch an der Universität das Studium in den von ihm gewählten Lieblingsfächern Mathematik und Geometrie zu vollenden. Und wahrlich, der zähe Wille des Linkshänders war es, der

hier alle zeichnerischen Schwierigkeiten glücklich überwunden hat! Ein gütiges Geschick ließ uns, da ich ebenfalls — der meine Studien in heranrückenden Militärzeit halber — Wien fortsetzte, auch hier noch zwei Jahre einander nahe sein und die Provinzhasen erlebten gemeinsam das märchen¬ hafte Wunder der alten Kaiserstadt an der selten blauen Donau. Gemeinsam war uns auch in diesen Jahren die schwärmerische Begeisterung für ein und dieselben jungen Mädchen, von denen wir einer ein von Gurs gedichtetes und von mir in Musik gesetztes Lied fein manierlich in der elterlichen Wohnung überreichten. Der kunstvoll um¬ schnörkelte Titel charakterisierte zugleich die ganze harmlose Geschichte: es war eine „Phantasie“! Im Studentenheim „Rudolfinum litt Goldbacher unter innerlich fremdartigen, oft auch fremdrassigen Kollegen ungemein an Heimweh, das ihm manche Freude verdarb; es wurde daher mit guten Steyrer Freunden gemeinsam eine Extrabude bezogen und hier versenkte er sich, vor dem Heimweh flüchtend, umso mehr in das Studium. Immer schon war ihm als das erstrebenswerteste Lebensziel die Professur an seiner heimat¬ lichen Oberrealschule in Steyr vorgeschwebt und es gelang ihm auch schon 1899, nach Beendigung des Hochschul¬ studiums und Ablegung der Lehramtsprüfung als Supplent hier unterzukommen. Schon einige Jahre nachher wurde er zum Professor definitiv ernannt. Seit 1900 wirkt er da¬ selbst auch als staatlich geprüfter Lehrer der Stenographie, seit 1901 an der Kaufmännischen Fortbildungsschule, deren Direktion er 1912 übernahm. Von 1903 bis heute führt er ununterbrochen die Wetterbeobachtungsstelle Steyr, deren Ergebnisse er 1916 in einer zusammenfassenden Broschüre veröffentlicht hat, desgleichen hat er über die Entwicklung der Staats=Oberrealschule 1913 und über jene der Kauf¬ männischen Fortbildungsschule 1935 chronikartige Berichte veröffentlicht. Außerdem ist Goldbacher Mitgründer und Obmann des Vereines „Heimatpflege und Korrespondent des Bundesdenkmalamtes in Wien. Besonders verdient gemacht hat er sich beim Steyrer Heimatmuseum und als Wiedererwecker des so originellen Krippentheaters. Die genauere Schilderung dieser ausgedehnten heimatkundlichen Wirksamkeit und der tätigen Mitarbeit, die Goldbacher

vielen Vereinen angedeihen läßt, muß einer besser unter¬ richteten Feder vorbehalten bleiben. Hier mag nur noch kurz die einflußreiche Stellung erwähnt werden, die Goldbacher im gesellschaftlichen Leben Steyrs seit Dezennien einnimmt. Die Wurzeln liegen hier im Männergesangverein „Kränzchen", dem Goldbacher schon 1898, als er von Wien wieder bleibend nach Steyr kam, als Mitglied beitrat. Die hier herrschende lebensfrohe Geselligkeit glücklicher Friedens¬ jahre nahm die Talente Goldbachers in ersprießlicher Wechselwirkung freudig auf. Als Sänger, Vortragender, Verfasser lustiger Kneipzeitungen, in denen die „Sünden der P. T. Mitglieder verulkt wurden, aber auch als an¬ regender, humorsprühender Gesellschafter genoß er bald allgemeine Sympathien. Schon 1904 wurde er zum Vor¬ standstellvertreter gewählt und 1908 übernahm er die Leitung des Vereines, dessen Verschmelzung mit der ehe¬ maligen Steyrer Liedertafel zum Steyrer Männergesang¬ verein er durchführte und dessen tatkräftiger Obmann er seit¬ her geblieben ist. Diese besondere Eignung zu offizieller Geselligkeit trat neuerdings wieder besonders in die Er¬ scheinung, als Goldbacher als gefeierter Festspiel¬ dichter 1925 in Eferding und 1928 in Steyr selbst den Mittelpunkt der glanzvollen, oftmals wiederholten Dar¬ bietungen bildete. Auch als Kriegsdichter hat er sich bewährt und auf mehr als 100.000 Karten gingen seine trostspendenden und aufrichtenden Verse, die er 1916 im Buche „Schulter an Schulter“ gesammelt hatte, in alle Welt hinaus. Hieraus floß ein bedeutender Betrag der Kriegs¬ fürsorge des „Roten Kreuzes zu. Alle diese offiziellen ehrenvollen Titel — er wurde 1931 zum Studienrat ernannt — Aemter und Stellen überragt jedoch bleibender Goldbachers Bedeutung als Heimat¬ dichter in der Volksmundart. 2. Der mundartliche Heimatdichter. Goldbacher fühlte sich in Wien, als ich 1896 zur Militärdienstleistung abging, sehr vereinsamt und, gegen das zehrende Heimweh ankämpfend, schrieb er in den trauten Lauten der Muttersprache seine ersten mundart¬ lichen Gedichte nieder. Diese Beschäftigung wurde ihm bald

ein unentbehrlicher Trost, es entstanden ernste und heitere Dichtungen, die er einige Male in Wien im Verein der Oberösterreicher vortrug. Dr. Anton Matosch, der ihn am 20. Mai 1897 dort hörte, sagte zur versammelten Runde: „Sie haben da ein junges Talent unter sich, ich meine Herrn Goldbacher, das wirklich zu den schönsten Hoffnun¬ gen berechtigt. Und in privater Form meinte er jovial zu Goldbacher: „Gott, wenn Ihnen auch hie und da ein Vers „vergrat"; mir „vägrat“ ja auch oft einer. In den Weih¬ nachts= und Osterferien bekamen dann auch die Kollegen in Steyr im „Mayer=Zimmer“ die neuesten Verse zu hören. Auch die berufensten Kritiker, Dechant Norbert Han¬ rieder in Putzleinsdorf und der Obmann des Stelz¬ hamer=Bundes Dr. Hans Zötl in Eferding, urteilten günstig, und so darf es uns nicht wundern, daß Goldbacher als frisch gebackener „Kranzler“ aufs Podium sprang und in breiter Oeffentlichkeit für seine köstlichen Gedichte: „Brettl auf, Brettl a“, „Dá Orgltrödä, „Dö altö Hausuhr“ usw. Beifallsstürme erntete. Der neuentdeckte Volksdichter wurde rasch weiterhin bekannt und beliebt. Schon 1904 hat Gold¬ bacher diese Erstlinge unter dem ansprechenden Titel „Gmütlich Sachan“ in einem 177 Seiten starken Bande in Steyr bei Sandbök herausgegeben. Das Buch fand sowohl bei der Kritik als auch beim Lesepublikum eine außerordentlich beifällige Aufnahme. Noch bedeutender und völlig ausgereift war die 1911 veröffentlichte zweite Sammlung „Steyra Gsang!“ mit der der Dichter seiner schönen Heimatstadt und ihrer wundervollen Umgebung einen nie verwelkenden poetischen Strauß sinnigster Huldigung gewunden hat. Der hervor¬ ragende Kenner und Kritiker unserer mundartlichen Literatur, Prof. Dr. Alfred Webinger=Graz, schrieb dar¬ über in der Linzer „Tages=Post“ u. a. folgendes: „Ein mächtiger, voller, reiner Akkord erklingt in diesem Buche: tiefe, heiße Liebe zur Heimat. Der Dichter ist nicht blind gegen die Schönheit der großen, weiten Welt, aber s Ham¬ weh meldet sich überall, .... er versteht aber auch wie kein zweiter, die ganze Tiefe des Naturgenusses über sich kommen zu lassen, .... es gibt nichts Totes, alles hat Sinn und Leben wie der Mensch selbst, .... überall tritt uns mit

ganzer Seele geschaute Natur entgegen, „erlebte Natur¬ möchte ich sagen; keine Schreibtischblüte, kein geschraubtes süßliches Empfindeln... Diese Bodenständigkeit, das innige Aufgehen in der Heimat, gibt den Gedichten dieses Bandes den unwiderstehlichen Zauber, den sie üben. Ein Abschnitt des lieben Büchleins „Acht aus'n Landl“ führt uns Ge¬ stalten vor, die mit wunderbarer Anschauungskraft ge¬ zeichnet sind. (Fletzthandwer, Holzknechtlöbn.) Das Meister¬ stück unter diesen acht Bildern ist aber „Da altö Nagi¬ schmied“, das uns mit den echtesten Farben den alten und jungen Schmied schildert, wie sie hart und unverdrossen arbeiten, in der Gewißheit, daß die Fabriken nun die Hand¬ arbeit konsequent verdrängen. Hier finden wir Wucht und Gewalt der Darstellung vereint mit feinster Gefühls¬ zeichnung... Goldbacher ist Lyriker, Mundartlyriker aus ganzer Seele, die Form volksmäßigen Gesanges beherrscht er, alles ist durchs Ohr geprüft. Die erzählende Dichtung liegt ihm aber ebenso nahe... Die Mundart selbst könnte ein Bauersmann nicht reiner sprechen. Ueber den reichlich in die Dichtung Goldbachers eingestreuten Humor sagt Dr. Webinger, daß er ehrlich" und „gesund" sei, „mit volkstümlichen Motiven“. Einen Höhepunkt dieses präch¬ tigen Heimatbuches bildet das innige Gedicht „Mein Vati¬ stadt“, das längst in die Schullesebücher übergegangen ist und allgemein bekannt ist. „Du mein liabs, mein alts Steyr, Voll Gässeln und Stiaan, So liab liegt in Tal drin, Wia á Kind in da Wiagn. Mit diesen beiden Bänden hatte sich Goldbacher bereits einen Ehrenplatz in der heimatlichen Dichterrunde gesichert. Diese war ja durch die von ihm im Vereine mit dem Schreiber dieser Zeilen 1908 erfolgte Gründung eines Idealbundes aller lebenden oberösterreichischen Mundart¬ dichter eine engere und geschlossenere geworden. Mit Feuereifer widmete Goldbacher dem Jungbund, wie ihn Dr. Zöt nannte, alle seine Kräfte. Er leitete das nehr Offizielle und ich führte die Schreibstube. Gemeinsam gaben wir dann 1910 das erste Jahrbuch „Hoamatgsang“ heraus,

das überall im Lande eine geradezu begeisterte Zustimmung erweckte. Was der Stelzhamer=Bund in vorbildlicher Weise für die großen älteren oberösterreichischen Mundartdichter geschaffen hatte, das wollten wir für die Lebenden fort¬ führen. So wurde unser Bund bald der Sammelpunkt für die zeitgenössische Heimatdichtung, der weit über hundert mundartliche Heimatsänger umfaßte. Der unseligerweise hereinbrechende Weltkrieg zerriß zwar viele emsig ge¬ sponnene Fäden und legte auf eine Reihe von Jahren unser Wirken lahm, aber Goldbachers Liedermund, der auch in dieser herben Zeit nicht ganz verstummt war, trug durch manches hochdeutsche oder mundartliche Gedicht Trost und Zuversicht in die Herzen weiter Kreise. Und im letzten Kriegswinter gab er uns, inmitten von Elend und Not, noch ein befreiendes Aufatmen in Gestalt seines dritten, son¬ nigsten Buches: „Bergsteign und Almälöbn“, dessen Inhalt uns aus Not und Qual, aus der Niederung entfesselter brutaler Triebe, wo die große All=Liebe unter den Men¬ schen im Blutsumpf zu ersticken drohte, herausführt und hinaufgeleitet zur reinen Höhe, wo Gottes Liebe das Wunderbarste, die balsamischen Alpenblumen, geschaffen hat. Dieses Buch bildet mit seiner charakteristischen Er¬ scheinungszeit einen geradezu erschütternden Beweis von hohen, unveräußerlichem Idealismus und von der Seelen¬ reinheit des Dichters. Es enthält mehr als die beiden vor¬ ausgegangenen Bücher an Persönlichem, der Dichter zieht sich hier gleichsam in seine eigene Gesellschaft zurück, vor einer Welt, die nicht die seine ist. Und dieses verstärkte Aufgreifen des Innenlebens spinnt sich nun fort in den traurigen Nachkriegsjahren, wo er zuerst bei mehr als fünfzig Hoamatgsang=Abenden als begeisterter Sprecher rundum im Lande Oberösterreich die Landsleute hinweist auf die unverlierbaren inneren Schätze, die dem „Landle trotz aller Kriegsverluste in seinem eigenen Wesen, in seiner Art und Kunst treu geblieben sind. Selbstbesinnung — und aus ihr ging der Weg in eine Zukunft hervor. In den Bei¬ fall, der seinen Worten folgte, mischten sich die frischen Stimmen der Steyrer Studenten, die Dr. Commenda fein¬ fühlig zum trefflichen Hoamatgsang=Quartett zusammen¬ schweißte. Lied folgte auf Lied und dazwischen trug ich aus 10

unseren Heimatdichtern vor, von Lindemayer und Stelz¬ hamer bis zur Gegenwart. Was war das doch für eine märchenhafte Wanderzeit, in der dem „Hoamatgsang“ die schmerzgebeugten Herzen in neuer Daseinslust entgegen¬ kamen im ganzen Land! — Goldbacher tummelte an solchen Abenden auch gehörig das eigene Dichterroß und seine gmütlichen Sachen brachten Frohsinn in alle Reihen. Immer mehr wandte er sich nun der Pflege der Volks¬ kunde zu. Ausgedehnte Fahrten durch Deutschland, die er schon früher in fröhlicher Sängerrunde des „Kränzchens nach Nürnberg usw. und jetzt als Leiter einer deutschen Jugend=Austauschaktion in den Ferien über Berlin und die großen Hansastädte an die Ostsee unternahm, ließen ihm den großen kunst= und kulturhistorischen Wert seiner ge liebten Vaterstadt immer heller hervortreten. Auch im herr¬ lichen Süden war Goldbacher wiederholt auf raschen Fahrten gewesen, eine Österreise hatte ihn nach Istrien, Dalmatien und Montenegro geführt und eine andere Ge¬ sellschaftsfahrt ließ ihn den „Mittelmeerzauber“ im vollsten Ausmaß fühlen. Von Genua ausgehend, führte ihn das Schiff nach Ostia (Rom), Neapel, Taormina (Sizilien) Korfu, Olympia, Athen, Malta, Tunis, Barzelona und über Monaco ging es wieder nach Genua. So sehen wir, daß der schlichte Dichter in der Bauernsprache und leutselige Volksfreund ein weites Weltbild sein Eigen nennt, daß hinter seinem Wort die Bildkraft erlebter Eindrücke und Vergleiche steht. Dazu kommt noch das glückliche Bedürfnis eines daseinsfrohen Herzens, sich das Empfangene mitzu¬ teilen, das Aufgenommene zu besprechen. Eine sehr große Zahl prächtiger Schilderungen, die Goldbacher in den ver¬ schiedensten Blättern und Zeitschriften veröffentlichte, ist auf solche Art entstanden. Manche derselben sind wahre Kabinett¬ stücke der Heimatkunst und die warme Feinfühligkeit ihrer Stilisierung, die den Leser gefangennimmt, weiß mit großer Kunst den intimsten Naturstimmungen und =bildern gerecht zu werden. Hoffentlich wird der Dichter diese verstreuten Perlen einmal in einem eigenen heimatlichen Prosaband sammeln. Neben dem herzwarmen Feuilletonisten und Pro¬ saisten hat auch der markige Redner Goldbacher reiche

öffentliche Zustimmung geerntet. Im alten Kränzchen“ und im „Männergesangverein“, bei Festen, Denkmalfeiern, auf fröhlichen Fahrten im In= und Ausland, bei den Abenden des Bundes der Mundartdichter in Linz, als wohlfundierter Sprecher im Radio und Kino sowie als ein gewiegter Redner aus dem Stegreif: überall stellte er seinen Mann. Das heimatliche Schrifttum verdankt ihm außer seinen dichterischen eigenen Werken noch die Herausgabe des dichterischen Nachlasses unseres großen Heimatdichters Josef Moser, ferner die Jahrbücher „Hoamatgsang“ 1910, 1920, 1930 des Bundes o.ö. Mundartdichter (im Verein mit Karl Mayer). Die Einflußnahme Goldbachers auf das engere heimatliche Schrifttum hat sich außerdem noch oft¬ mals bestens bewährt. Ende 1929 sind dann die letzten „Neuen Gedichte in oberösterreichischer Mundart“, im Bande „Draußt auf dá Weit" vereint, erschienen. Der Dichter selbst sagt von dem Buch: „es hängt mein Herzbluat dran“, und wer ihn näher kennt, wird das bestätigt finden und an dem Men¬ chen Goldbacher, der sich in diesen Versen mit all seinen großen Vorzügen und Hemmungen zeigt, seine helle Freude haben. Aus dem naturkundigen „Waldschlois" von einst ist der besinnlich wandernde Philosoph geworden, der sich eins fühlt mit aller Natur, der die Welt kennt und das Leben. Und der von sich das stolze Wort sagen kann: „Koan Tag reut mih in mein Löbn, und wann i's noh amal anfang kunnt, i löbát's genau a so wiedá!" Ehrfürchtige, gottesnahe Naturverbundenheit, innige Heimat- und Familienliebe und unerschütterliche Volkstreue, im hellen Glanze dieses Dreigestirns kann der überall be¬ kannte und allseits verehrte Heimatdichter heute auf die Vollendung seines „Sechzgers" zurückblicken, ein festlicher Anlaß für das ganze liebe Heimatland, insbesondere aber für die alte Eisenstadt am Verein der Enns und Steyr, in deren Mauern kein anderer Poet je gelebt hat, der ihr so zugetan und treu war und sie so dauernd verherrlicht hat, wie unser Gregor Goldbacher. Möge ihm ein gütiges Ge¬ schick im wohlverdienten Ruhestand noch viele erntereiche Jahre geben. Das walte Gott! 12

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