Gemeindeordnung für die Stadt Steyr

Allgemeines Landes-Gesetz- und Regierungsblatt für das Kronland Oesterreich ob der Enns. L. Stück. Ausgegeben und versendet am 27. November 1850. 480. Erlaß des Statthalters vom 15. November 1850, B. 26643, womit die Gemeinde-Ordnung für die Stadt Steyer und die Vorschrift zur Durch¬ führung der Wahlen für den nach derselben zu konstituirenden Gemeinderath kundge¬ macht werden. Mit dem Erlasse des Herrn Ministers des Innern vom 11. November 1850, Z. 24372, ist die von Seiner Majestät genehmigte provisorische Gemeinde-Ordnung für die Stadt Steyer sammt der auf den §. 113 derselben sich beziehenden Vorschrift zur Durchführung der Wahlen für den zu konstituirenden Gemeinderath herabgelangt. Sie werden durch die nachfolgenden zwei Beilagen kundgemacht. Fischer m. p. Beilage I. zu Nro. 480. Gemeindeordnung für die Stadt Steyer. Erster Abschnitt. Von dem Gebiete der Gemeinde und den Bewohnern derselben. Umfang der Gemeinde. §. 1. Die Gemeinde Steyer begreift die Stadt Steyer und deren Vorstädte: Reichen¬ schwall, Voglsang, Schönau, Ennsdorf, Steuerdorf, Ort, bei der Steuer, Wieserfeld und Aichet. Stellung der Gemeinde zur Staatsverwaltung. §. 2. Die Gemeinde Steyer steht gleich den übrigen Gemein den desselben politischen Bezirkes unmittelbar unter dem Bezirkshauptmanne. Gemeindeglieder und Fremde. §. 3. In der Gemeinde unterscheidet man: Gemeindeglieder, 2. Fremde. 103

594 480. Erlaß des Statthalters vom 15. November 1850. Die Gemeindeglieder sind: a) Gemeindeangehörige, b) Gemeindebürger. Nur österreichische Reichsbürger können Gemeindeangehörige oder Gemmeindebürger sein. Erlangung der Gemeindeangehörigkeit. §. 4. Gemeindeangehörige sind dermalen alle Personen, welche die Gemeinndeangeho¬ rigkeit nach den bisher bestandenen Heimatsgesetzen erworben haben. In der Folge wird die Gemeindeangehörigkeit erworben: a) durch Geburt b) durch Aufnahme in den Gemeindeverband c) durch besondere persönliche Verhältnisse. a) Durch Geburt. §. 5. Eheliche, oder nach den bürgerlichen Gesetzen den ehelichen gleichgehaltene Kin¬ der sind Angehörige der Gemeinde, wenn ihr Vater zur Zeit der Geburt oder falls er früher verstorben wäre, zur Zeit seines Ablebens oder bei legitimirten Kindern zur Zent der stattfindenden Legitimation dem Gemeindeverbande angehörte. Durch Annahme an Kindesstatt wird die Angehörigkeit nicht begründet. Uneheliche Kinder treten in den Gemeindeverband, wenn ihre Mutter zur Zeit der Ent¬ bindung Gemeindeangehörige war, Findlinge, welche im Umfange des Gemeinbezirkes ge¬ funden werden, sind Gemeindeangehörige, solange sich nicht ermitteln läßt, daß sie einer anderen Gemeinde angehören. b) Durch Aufnahme §. 6. Die Aufnahme in den Gemeindeverband geschieht: 1. Ausdrücklich durch einen Gemeindebeschluß, oder 2. stillschweigend, und zwar a) bei Frauenspersonen durch eine giltig abgeschlossene Ehe mit einem Gemeinde¬ angehörigen, und b) durch Duldung eines ohne Heimatschein oder mit einem bereits erloschenen Heimatscheine sich durch vier Jahre von der Zeit seiner Eintragung in die Kon¬ skriptionslisten an gerechnet, ununterbrochen in der Gemeinde aufhaltenden, die österreichische Reichsbürgerschaft besitzenden Fremden. Diese stillschweigende Aufnahme in den Gemeindeverband durch Duldung, erfolgt jedoch nur dann, wenn der Fremde auch bei der in den obigen Zeitraum fallenden zweiten Auf¬ nahme der Konskriptionslisten in dieselben eingetragen war, und keine Verwahrung der Ge¬ meinde gegen dessen Aufnahme durch Anhaltung zur Erlangung eines neuen Heimatscheines oder durch Ausweisung in seinen Heimatsort stattgefunden hat. Recht zur Aufnahme in den Gemeindeverband. §. 7. Jeder österreichische Reichsbürger hat das Recht, die Aufnahme als Gemeinde¬ angehöriger zu verlangen, wenn er 1. die volle Befugniß hat, über seine Person und Über sein Vermögen zu verfügen,

480. Erlaß des Statthalters vom 15. November 1850. 595 2. wenigstens zehn Jahre unmittelbar vorher auf Grundlage eines giltigen, nicht erlo¬ schenen Heimatsscheines ununterbrochen im Gemeindebezirke wohnhaft ist, 3. sich sammt seiner Familie eines unbescholtenen Rufes erfreut, und 4. den Besitz eines den Unterhalt einer Familie sichernden Vermögens oder den selbst¬ ständigen Betrieb eines solchen Nahrungszweiges nachweiset. Wird die Aufnahme verweigert, so entscheidet im Rekurswege der Bezirkshauptmann. §. 8. Für die Aufnahme in den Gemeindeverband, sie mag durch einen Beschluß der Gemeinde, oder im Falle des §. 7 durch das Erkenntniß der Behörde erfolgt sein, ist eine Aufnahmsgebühr von zehn Gulden C. M. in die Gemeindekasse zu erlegen. Aus rücksichtswürdigen Gründen kann durch Beschluß des Gemeinderathes die Entrich¬ tung der Aufnahmstaxe ganz oder theilweise nachgesehen werden. §. 9. Mit dem Aufgenommenen treten zugleich dessen Gattin und die zur Zeit der Aufnahme unter dessen väterlicher Gewalt stehenden Kinder in den Gemeindeverband. Ebenso folgen uneheliche Kinder, so lange sie noch minderjährig sind, der Eigenschaft der Mutter. c) Durch besondere persönliche Verhältnisse. §. 10. Reichs- und Landesbeamte, dann Offiziere, die mit Offiziersrang Angestellten, Geistliche und öffentliche Lehrer, werden mit ihren Gattinnen und mit den unter ihrer väter¬ lichen Gewalt stehenden Kindern, Angehörige der Gemeinde Steyer, wenn ihnen ihre Stelle daselbst den ständigen Aufenthalt anweiset. Veränderungen in der Gemeindeangehörigkeit. §. 11. Bei Veränderungen in der Gemeindeangehörigkeit folgen minderjährige im Fa¬ milienverbande lebende Kinder der Eigenschaft der Eltern, uneheliche minderjährige Kinder jener der Mutter, die Frau der Eigenschaft des Gatten. Der Tod eines oder beider Elterntheile, sowie die Auflösung des ehelichen Verbandes oder der ehelichen Gemeinschaft ändert nichts an der Zuständigkeit der Kinder und Gattin. Verlust der Gemeideangehörigkeit. §. 12. Die Gemeindeangehörigkeit wird verloren: a) durch den Verlust der österreichischen Reichsbürgerschaft und b) durch die Erwerbung der Angehörigkeit in einer andern Gemeinde. Erwerbung des Gemeindebürgerrechtes. §. 13. Gemeindebürger sind jene, welche dermalen das Bürgerrecht der Stadt Steyer besitzen. In der Folge wird das Bürgerrecht nur durch ausdrückliche Verleihung von Seite des Gemeinderathes erworben. Dem Gemeinderathe steht zu, dem Ansuchen um Verleihung des Bürgerrechtes zu will¬ fahren oder es abzuweisen. 103 *

596 480. Ersaß des Statthalters vom 15. November 1830. Es darf jedoch nur solchen österreichischen Reichsbürgern das Bürgerrecht verliehen werden, bei welchen die Bedingungen des §. 7 sub 3 und 4 eintreten, und welchen keiner der im §. 30 enthaltenen Ausnahms= oder Ausschließungsgründe entgegensteht. Verhältniß der Frauenspersonen. §. 14. Frauenspersonen können selbstständig das Bürgerrecht nicht erwerben, sie über¬ nehmen jedoch durch Verehelichung mit einem Gemeindebürger oder durch Einbürgerung ihres Ehegatten alle mit dem Bürgerrechte verbundenen Vortheile und Lasten, insoferne diese Gemeindeordnung keine anderweitigen Bestimmungen enthält. Dieses Verhältniß dauert auch während des Witwenstandes fort, erlischt dagegen im Falle der Ungiltigkeitserklärung oder der Trennung der Ehe. Entrichtung der Bürgeraufnahmstaxe §. 15. Jeder neu aufzunehmende Bürger hat zur Gemeinde Kassa die jeweilig beste¬ hende Aufnahmstaxe zu entrichten. Aus besonders rücksichtswürdigen Gründen kann von Entrichtung dieser Taxe befreit werden. Verlust des Gemeindebürgerrechtes. §. 16. Der Gemeindebürger verliert das Bürgerrecht: a) wenn er aufhört, österreichischer Reichsbürger zu sein, oder b) zu einer Strafe verurt heilt wird, womit die Strafgesetze den Verlust der Aus¬ übung der politischen Rechte verknüpfen, bis zum Erscheinen solcher Gesetze aber, wenn er wegen eines Verbrechens oder eines aus Gewinnsucht hervorgegangenen, oder die öffentliche Sittlichkeit verletzenden Vergehens oder einer solchen Uebertretung schuldig erklärt, oder wegen einer andern Gesetzübertretuug zu einer mindestens halbjährigen Freiheitsstrafe verurtheilt worden ist; c) wenn er in Konkurs gerathen und seine Schuldlosigkeit nicht vollständig nachge¬ wiesen worden ist. Doch treffen die nachtheiligen Folgen dieses Verlustes nur ihn allein, folglich weder seine Ehegattin, noch die vor diesem Zeitpunkte erzeugten Kinder. Ehrenbürgerrecht. §. 17. Die Gemeinde ist berechtigt, ausgezeichneten Männern, welche sich um das Reich, um das Land, oder die Stadt verdient gemacht haben, ohne Rücksicht auf deren Wohnsitz, das Ehrenbürgerrecht zu verleihen, welches die Theilnahme an allen Rechten der Gemeindebürger begründet, ohne die Verpflichtung denselben aufzulegen. Führung der Gemeindematrikel. §. 18. Ueber alle Gemeindeglieder wird eine Matrikel geführt, deren Einsicht jedem derselben frei steht.

480. Erlaß des Statthallers vom 15. November 1850. 597 Fremde §. 19. Fremde in der Gemeinde sind Jene, welche ohne Gemmeindeglieder zu sein, sich in der Gemeinde aufhalten. §. 20. Personen, deren Zuständigkeit nicht erweislich ist, fallen, wenn sie erwerbs¬ unfähig werden, der Gemeinde zur Last, wenn sie sich in derselben zuletzt aufgehalten haben. Waisen solcher Personen sind nur dann Angehörige der Gemeinde, wenn sie sich beim Ableben der Eltern daselbst befinden. Rechte der Gemeindeglieder und Fremden überhaupt. §. 21. Jedermann hat in der Gemeinde Anspruch: 1. auf polizeilichen Schutz der Person und seines in der Gemarkung der Gemeinde be¬ findlichen Eigenthums; 2. auf die Benützung der Gemeindeanstalten nach Maß der bestehenden Einrichtungen. Rechte der Gemeindeangehörigen insbesondere. §. 22. Die Gemeindeangehörigkeit begründet überdieß das Recht a) auf Benützung des Gemeindegutes nach den bestehenden Einrichtungen, b) im Falle eingetretener Verarmung auf Unterstützung aus den Gemeindemitteln nach Maßgabe der für die Armenversorgung bestehenden Einrichtungen c) auf Theilnahme am aktiven und passiven Wahlrechte innerhalb der in den §§. 29 bis 32 angegebenen Grenzen. Rechte der Gemeindebürger insbesondere. §. 23. Die Gemeindebürger haben: a) das aktive und passive Wahlrecht, b) den Anspruch auf Versorgung aus jenen Stiftungen, welche insbesondere für Bürger, so wie deren Witwen und Kinder bestimmt sind c) das im §. 22 unter a) angegebene Befugniß, und d) insoferne sie Gemeindeangehörige sind, das im §. 22 sub b) angeführte Recht. Pflichten der Gemeindeglieder überhaupt. §. 24. Die allgemeinen Verpflichtungen der Gemeindeglieder sind: a) die Befolgung der von der Gemeinde innerhalb des ihr gesetzlich zustehenden Wirkungskreises getroffenen Anordnungen, b) die verhältnißmässige Theilnahme an den Gemeindelasten. Diese Verpflichtungen beginnen mit dem Tage des Eintrittes in den Gemeindeverband und dauern so lange fort, als das Verhältniß zur Gemeinde währt. §. 25. Personen, welche in der Gemeinde ihren Wohnsitz nicht haben, tragen nur die nach den landesfürstlichen Steuern, oder nach dem Realbesitze umgelegten Gemeinde¬ lasten.

480. Erlaß des Statthallers vom 15. November 1850. 598 Verhältniß der Fremden. §. 26. Fremde, welche sich innerhalb des Gemeindebezirkes aufhalten, haben an den allgemeinen Verpflichtungen der Gemeindeglieder Theil zu nehmen, ohne deren besondere Rechte zu genießen. Fremden kann, wenn sie sich über ihre Zuständigkeit durch einen nicht erloschenen Heimatschein ausweisen, so lange sie sich entsprechend verhalten, und die Mittel zu ihrer Erhaltung besitzen, der zeitliche Aufenthalt in der Gemeinde von derselben nicht verweigert werden. Fühlt sich ein Fremder in dieser Beziehung durch einen Gemeindebeschluß beschwert, so kann er sich um Abhilfe an den Bezirkshauptmann wenden. Zweiter Abschnitt. Von der Gemeinde = Vertretung §. 27. Die Gemeinde wird in der Ausübung ihrer Rechte und Pflichten durch den Gemeinderath vertreten. Die Verwaltung der Gemeindeangelegenheiten ist dem Gemeinderathe und dem Bür¬ germeister anvertraut. Wahl der Mitglieder des Gemeinderathes. §. 28. Die Mitglieder des Gemeinderathes werden von der Gemeinde aus ihrer Mitte gewählt. Die Zahl derselben ist auf vier und zwanzig festgesetzt. Wahlberechtigung (Aktives Wahlrecht). §. 29. Wahlberechtigt sind, insoweit denselben nicht ein im §. 30 aufgeführtes Hinderniß entgegensteht: 1. alle Gemeindebürger männlichen Geschlechtes; 2. unter den Gemeindeangehörigen alle österreichischen Reichsbürger männlichen Geschlech tes, welche in eine der folgenden Kategorien gehören: a) diejenigen, welche von einem im Gemeindebezirke gelegenen Hause oder Grund¬ stücke oder von einem im Gemeindebezirke betriebenen Gewerbe oder Erwerbe eine direkte Steuer von wenigstens fünf Gulden Conv. Münze oder von einem anderweitigen Einkommen eine Einkomnensteuer von wenigstens zehn Gulden Conv. = Münze entrichten; es muß jedoch dieser Steuerbetrag im verflossenen Jahre vollständig bezahlt worden sein, und darf der Steuerpflichtige im lau¬ fenden Jahre mit keinem Rückstande aushaften; b) wirkliche, pensionirte oder quieszirte Reichs-, Landes- und Kommunalbeamte, insoferne sie Besoldungen, Pensionen oder Qnieszentengehalte genießen, welche der Einkommensteuer unterliegen; c) Offiziere, welche zur militia stabilis gehören; d) die katholischen Pfarrer in Steyer;

599 480. Erlaß des Stallhallers vom 15. November 1850. e) die Doktoren aller Fakultäten, wenn sie ihren akademischen Grad an einer in¬ landischen Lehranstalt erhalten haben, und f) die angestellten ordentlichen Lehrer, Professoren und Vorsteher an den öffentli¬ chen, vom Reiche, vom Lande oder von der Gemeinde unterhaltenen Lehranstalten in Steyer. §. 30. Ausgenommen von der Ausübung des aktiven Wahlrechtes sind alle Personen, welche unter väterlicher Gewalt, unter Vormundschaft oder Kuratel stehen, ebenso diejenigen, die eine Armenversorgung genießen, in einem Gesindeverbande stehen oder vom Tag- oder Wochenlohne leben. Ausgeschlossen aber sind: a) diejenigen, welche zu einer Strafe verurtheilt worden sind, womit die Strafge¬ setze den Verlust der Ausübung der politischen Rechte verknüpfen; bis zum Er¬ scheinen solcher Gesetze aber diejenigen, welche wegen eines Verbrechens, oder eines aus Gewinnsucht hervorgegangenen, oder die öffentliche Sittlichkeit ver¬ letzenden Vergehens, oder einer solchen Uebertretung schuldig erklärt, ober wegen einer andern Gesetzes=Uebertretung zu einer mindestens halbjährigen Freiheits¬ strafe verurtheilt worden sind, b) diejenigen, welche wegen eines Verbrechens oder wegen aus Gewinnsucht hervorgegangenen, oder die öffentliche Sittlichkeit verletzenden Vergehens, ober einer solchen Uebertretung in Untersuchung gefallen sind, während der Dauer derselben; c) diejenigen, über deren Vermögen der Konkurs ausgebrochen ist, insolange die Kridaverhandlung dauert; nach Beendigung derselben, wenn die Schuldlosigkeit des Kridatars nicht vollständig nachgewiesen wurde, und d) diejenigen, welche an dem Steuerbetrage, von dessen Entrichtung ihr Wahlrecht bedingt ist, oder an den hierauf umgelegten Zuschlägen in dem der Wahl vorangegangenen Steuerjahre, oder in dem laufenden Steuerjahre mit einem Rückstande aushaften. Wählbarkeit (Passives Wahlrecht). §. 31. Wählbar ist jedes wahlberechtigte Gemeindeglied männlichen Geschlechtes, wel¬ ches das dreißigste Jahr zurückgelegt hat. §. 32. Ausgenommen von der Wählbarkeit sind: a) alle Personen, welche nach §. 30 von der Ausübung des aktiven Wahlrechtes ausgenommen sind; b) Militärpersonen in der aktiven Dienstleistung; c) die Gemeindebeamten und Gemeinediener. Ausgeschlossen sind: a) alle Personen, die nach §. 30 von der Ausübung des aktiven Wahlrechtes aus¬ geschlossen sind; b) säumige Schuldner der Gemeinde, und

480. Erlaß des Statthalters vom 15. November 1850. 600 c) jene Personen, welche über die aufgehabte Vermögensverwaltung der Gemeinde oder einer Gemeindeanstalt oder über ein ihnen von der Gemeinder besonders an¬ vertrautes Geschäft mit der zu legenden Rechnung noch im Rückstande sind. §. 33. Behufs der Wahl der Mitglieder des Gemeinderathes werden sämmtliche wahlberechtigte Gemeindeglieder in drei Wahlkörper eingetheilt, deren jeder acht Mitglieder zu wählen hat. Den ersten Wahlkörper bilden die Wahlberechtigten, die an den ihnen in der Ge¬ meinde vorgeschriebenen direkten Steuern Vierzig Gulden Conv. Münze und darüber entrichten. Der zweite Wahlkörper enthält die Wahlberechtigten, die an den ihnen in der Ge¬ meinde vorgeschriebenen direkten Steuern fünfzehn bis ausschließlich Vierzig Gulden Conv.= Münze entrichten, dann die im §. 29 sub b) bis einschließlich f) angeführten Gemeinde¬ angehörigen. In den dritten Wahlkörper gehören die übrigen nach §. 29, 2—a, wahlberechtigten Personen. Gemeindebürger, welche weder nach der Steuerzahlung, noch nach ihren persönlichen Eigenschaften in den einen oder in den andern Wahlkörper gehören, üben ihr Wahlrecht im dritten Wahlkörper aus. Die Ehrenbürger wählen im ersten Wahlkörper. Wer nach seinen persönlichen Eigenschaften wahlberechtigt ist, und zugleich zur Klasse der Höchstbesteuerten gehört, wählt im ersten Wahlkörper, sonst kann er sein Wahlrecht nur im zweiten Wahlkörper ausüben. Behufs der Einreihung in die Wahlkörper, nicht aber zur Begründung des aktiven Wahlrechtes, werden dem Vater, die von seinen minderjährigen Kindern, dem Gatten die von seiner Gattin entrichteten direkten Steuerbeträge zugerechnet, so lange das dem Vater und Gatten gesetzlich zustehende Befugniß nicht aufgehört hat. §. 34. Die Mitglieder eines jeden Wahlkörpers bilden für sich eine Wahlversamm¬ lung. Sie können jeden Wahlfähigen in der Gemeinde wählen und sind hierbei an den Wahlkörper, zu dem sie gehören, nicht gebunden. Anfertigung und Feststellung der Wählerlisten. §. 35. Ueber alle wahlberechtigten Gemeindeglieder sind nach den Wahlkörpern abge¬ sonderte Wählerlisten zu verfaßen, und an einem geeigneten Orte, mindestens durch vier¬ zehn Tage vor der Wahl zu Jedermanns Einsicht aufzulegen. Die Auflegung dieser Listen ist durch eine am Gemeindehause anzuschlagende, und den Hauseigenthümern zur Verständigung der Parteien zuzustellende Kundmachung unter Fest¬ setzung einer dreitägigen Präklusivfrist zur Anbringung von Einwendungen dagegen zu ver¬ öffentlichen. Der Gemeinderath entscheidet über die rechtzeitig erhobenen Einwendungen binnen läng stens sechs Tagen, und nimmt die für zuläßig erkannten Berichtigungen sogleich vor. Fünf Tage vor der Wahl darf in den Wählerlisten für die im Zuge befindliche Wahl keine Veränderung mehr vorgenommen werden.

480. Erlaß des Statthalters vom 15. November 1850. 601 Ausschreibung der Wahl. §. 36. Zur Vornahme der Wahl sind fünf Tage vorher sämmtliche wahlberechtigte Mitglieder der Gemeinde in der Art einzuladen, daß das Wahlausschreiben, in welchem Zeit und Ort der Wahl, sowie die Zahl der zu wählenden Mitglieder des Gemeinderathes genau anzugeben sind, auf die im §. 35 angedeutete Art bekannt gemacht wird. Leitung der Wahl. §. 37. Die Wahl der Mitglieder des Gemeinderathes wird durch eigene Wahlkom missionen geleitet. Für jeden Wahlkörper wird von dem Bürgermeister eine WahlKommission niedergesetzt, bestehend aus fünf stimmberechtigten Gemeindegliedern, von denen eines den Vorsitz führt. Die Wahlkommissionen sind für den gewissenhaften Vollzug der Wahl verantwortlich. Die Mitglieder derselben haben sich jedes Einflußes auf die Stimmgebung der einzel¬ nen Wahlberechtigten zu enthalten. Jeder Wahlkommission wird ein vom Bezirkshauptmanne bestimmter landesfürstlicher Kommissär beigegeben, dessen Aufgabe es ist, die Aufrechthaltung der Ruhe und Ordnung und die Befolgung des gesetzlich bestimmten Wahlmodus wahrzunehmen. Vornahme der Wahlhandlung. §. 38. Die Wahlkörper haben an abgesonderten Tagen, und zwar der dritte Wahl¬ körper zuerst, dann der Zweite und endlich der erste zu wählen. Wer von einem Wahlkörper bereits gewählt ist, kann von dem folgenden nicht mehr gewählt werden, und es sind die auf ihn gefallenen Stimmen ungiltig. §. 39. Jeder Wahlberechtigte, welcher sein Wahlrecht ausüben will, muß zur bestimm¬ ten Zeit und an dem bestimmten Orte vor der Wahlkommission persönlich erscheinen. Die Namen der Erscheinenden werden in das von einem Mitgliede der Wahlkommission zu führende Wahlprotokoll eingetragen. Die Stimmgebung geschieht durch Stimmzettel, auf welchen die in dem Wahlaus¬ schreiben angegebene Zahl von wählbaren Gemeindegliedern verzeichnet wird. Bei Ueberschreitung dieser Zahl sind die auf dem Stinunzettel zuletzt angesetzten Namen unberücksichtiget zu lassen. Jeder der seinen Stimmzettel abgegeben hat, ist aufzufordern, zu einer späteren Stunde des Tages sich wieder am Versammlungsorte einzufinden, um nöthigen Falls die Stimmgebung erneuern zu können. Nach Ablauf der zur Abgebung der Stimmzettel festgesetzten Frist, wird am Wahlorte selbst von der Kommission die Gröffnung der Stimmzettel und die Stimmgählung vorge¬ nommen. Die bei der Wahlversammlung nicht Erschienenen werden als dem Ergebnisse der Wohl beistimmend betrachtet. Als gewählt sind diejenigen anzusehen, welche die absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen erhalten haben. 104

480. Erlaß des Statthalters vom 15. November 1850. 602 Konnte dieses Ergebniß durch die erste Abstimmung nicht erzielt werden, so ist zu der engeren Wahl zu schreiten. Hiebei haben sich die Wähler auf jene Personen zu beschränken, die bei der ersten Wahl nach denjenigen, welche die absolute Mehrheit erlangten, die relativ meisten Stimmen für sich hatten. Bei Stimmengleichheit wird durch das Loos entschieden, wer bei der engeren Wahl berücksichtiget werden darf. Die Zahl der in die engere Wahl zu bringenden Personen ist immer die doppelte von der Zahl der noch zu wählenden Mitglieder. Jede Stimme, welche auf eine nicht in die engere Wahl gebrachte Person fällt, ist als ungiltig zu betrachten. Ergibt sich bei der engeren Wahl Stimmgleichheit, so entscheidet das Loos. Prüfung und Bekanntmachung der Wahl. §. 40. Sogleich nach beendigter Wahl ist das von der Wahlkommission und vom lan¬ desfürstlichen Kommissär zu unterfertigende Wahlprotokoll mit den, demselben beizuschließen¬ den Belegen dem Gemeinderathe versiegelt zu übermitteln. Einwendungen gegen die Giltigkeit der Wahlen sind beim Gemeinderathe längstens binnen Acht Tagen nach beendigtem Wahlakte anzubringen. Werden jedoch binnen der obigen Frist keine Einwendungen vorgebracht, oder die vor¬ gebrachten als unstatthaft beseitigt, und ergeben sich auch sonst keine Anstände, so wird die Wahl von dem Gemeinderathe bestätiget, das Resultat derselben öffentlich bekannt ge¬ macht, und jeder Gewählte von der auf ihn gefallenen und bestätigten Wahl in Kenntniß gesetzt. Im entgegengesetzten Falle ist eine neue Wahl zu veranlassen. Dieß gilt auch, wenn die Wahl auf Jemanden gefallen ist, der einen gesetzlichen Ent¬ schuldigungsgrund geltend macht, oder der von der Wählbarkeit gesetzlich ausgenommen oder ausgeschlossen ist. Pflicht zur Annahme der Wahl. §. 41. In der Regel ist jedes Gemeindeglied verpflichtet, die auf dasselbe gefallene Wahl anzunehmen. Ein Recht, die Wahl abzulehnen haben: a) Militärpersonen, die nicht in der aktiven Dienstleistung stehen; Seelsorger, Reichs= und Landesbeamte; b) c) Personen, die über 60 Jahre alt sind; d) Personen, welche in der letztverflossenen Wahlperiode die Stelle des Bürgermeisters oder eines Mitgliedes des Gemeinderathes begleitet haben, jedoch nur für die nächste Wahlperiode. Wer ohne einen solchen Entschuldigungsgrund die Annahme — ungeachtet wiederholter Aufforderung — verweigert, verfällt in eine Geldbusse, welche der Gemeinderath bis Ein¬ hundert Gulden Conv. - Münze bemessen kann, und verliert überdieß das aktive und passive

180. Erlaß des Statthalters vom 15. November 1850. 603 Wahlrecht für die in der laufenden Wahlperiode stattfindenden Ergänzungswahlen und für die nächste Wahlperiode. Tritt keiner der obigen Ablehnungsgründe ein, so kann der Gemeinderath nur aus be¬ sonders rücksichtswürdigen Gründen von der Annahme der Wahl befreien. Dauer der Amtsführung. §. 42. Die Mitglieder des Gemeinderathes werden auf drei Jahre gewählt. Alljährlich scheidet im Monate März der dritte Theil, oder die dem dritten Theil zu¬ nächst kommende Zahl der Mitglieder von ihren Stellen, und wird durch Neugewählte aus den Wahlkörpern, von welchen die ausscheidenden Mitglieder gewählt worden waren, ersetzt. Der Austritt geschieht das erste und zweite Mal nach Entscheidung des Looses; in der Folge treten immer diejenigen aus, welche drei Jahre vorher gewählt worden waren. Bis die Neuwahlen stattgefunden haben, bleiben die zum Austritte bestimmten Mit¬ glieder im Amte. Dieselben sind wieder wählbar. Die Wiederbesetzung der durch Tod oder Austritt vor der Zeit erledigten Gemeinde¬ rathsstellen, wird in der Regel zugleich mit den jährlichen Ergänzungswahlen vorgenommen. Sollte jedoch die Zahl der fehlenden Mitglieder Vier übersteigen, so ist zum Ersatze derselben auch vor dem Eintritte dieser Periode eine besondere Wahl auf Grundlage der letzten Wählerlisten einzuleiten. Jede solche Ergänzungswahl gilt übrigens nur bis zum regelmässigen Erneuerungstermine. Der Gewählte tritt zu der Zeit wieder aus, zu welcher derjenige, an dessen Stelle er gewählt worden, hätte austreten müssen. Wahl des Bürgermeisters. §. 43. Nach erfolgter Constituirung wählt der Gemeinderath aus seiner Mitte den Vorstand (Bürgermeister). Dieser Wahlhandlung haben sämmtliche Gemeinderathsglieder beizuwohnen. Sie sind hiezu mit dem Beisatze einzuladen, daß jene Gemeinderathsglieder, die ent¬ weder gar nicht erscheinen, oder vor Beendigung der Wahlhandlung sich entfernen, ohne ihr Ausbleiben, oder ihre Entfernung durch hinreichende Gründe zu entschuldigen, als ihres Amtes verlustig anzusehen seien, in der laufenden Periode nicht wieder gewählt werden können, und überdieß in eine Geldbuße verfallen, welche der Gemeinderath bis Einhun¬ dert Gulden Conv. Münze bestimmen kann. Die Wahl des Bürgermeisters kann vorgenommen werden, wenn wenigstens zwei Drittheile der sämmtlichen Gemeinderathsglieder anwesend sind, und ist derjenige als zum Bürgermeister gewählt zu betrachten, welcher die absolute Mehrheit der gesammten Ge¬ meinderathsglieder für sich hat. Kann dieses Ergebniß in zwei aufeinanderfolgenden Abstimmungen nicht erzielt werden, so ist zu der engeren Wahl zu schreiten, welche sich auf jene zwei Mitglieder zu beschrän¬ ken hat, die in der letzten Abstimmung die meisten Stimmen erhalten haben. 104 *

480. Erlaß des Statthalters vom 15. November 1850. 604 Bei Stimmengleichheit wird durch das Loos entschieden, wer bei der engeren Wahl berücksichtiget werden darf. Jede Stimme, welche auf eine nicht in die engere Wahl gebrachte Person fällt, ist als ungiltig zu betrachten. Als gewählt ist derjenige anzusehen, der die absolute Mehrheit der abgegebenen Stim¬ men erhalten hat. Bei Stimmengleichheit entscheidet das Loos. Der Gemeinderath wählt weiter durch absolute Stimmenmehrheit auf die Dauer eines Jahres einen Vorstandsstellvertreter (Vicebürgermeister), welcher den Bürgermaister in Fällen zeitweiser Verhinderung zu vertreten hat. Nimmt der zum Bürgermeister, oder Vicebürgermaister Gewählte die Wahl nicht an so ist binnen längstens acht Tagen eine neue Wahl unter den in diesem Paragraphe ange¬ gebenen Vorschriften vorzunehmen. Der Bürgermeister und der Vicebürgermaister dürfen weder untereinander, noch mit einem Mitgliede des Gemeinderathes bis zum vierten Grade verwandt, oder bs zum zwei¬ ten Grade verschwägert sein. Dauer der Amtsführung des Bürgermeisters. §. 44. Die Wahl des Bürgermeisters, es mag dieselbe nach Ablauf der regelmässigen dreijährigen Amtsdauer oder in Folge eines während derselben eingetretenen Erledigungs¬ falles geschehen sein, gilt stets auf drei Jahre, und er verbleibt in seiner Stellung, selbst wenn ihn während dieser Zeit nach §. 42 die Reihe zum Austritte aus dem Gemeinderathe treffen würde. Der Austretende ist wieder wählbar. Wird die Stelle des Bürgermeisters während der oben angegebenen Zeit erledigt, so ist binnen acht Tagen vom Zeitpunkte der Erledigung, eine neue Wahl nach den Vorschri ten des §. 43 vorzunehmen. Bestätigung der Wahl. §. 45. Die Wahl des Bürgermeisters unterliegt der Bestätigung des Kaisers. Nach erfolgter Bestätigung hat der Bürgermeister im versammelten Gemeinderathe, den vorgeschriebenen Diensteid in die Hände des Bezirkshauptmannes abzulegen, und ist die hier¬ über aufgenommene, von dem Bürgermeister eigenhändig gefertigte Eidesurkunde dem Be¬ zirkshauptmanne vorzulegen. Gehalte und Gebühren der Gemeinderäthe und des Bürgermeisters. §. 46. Die Mitglieder des Gemeinderathes verwalten ihr Amt unentgeltlich. Bei Besorgung von Gemeindeangelegenheiten außerhalb des Gemeinbezirkes haben die dazu abgeordneten Mitglieder des Gemeinderathes auf eine angemessene Entschädigung aus der Gemeindekasse Anspruch. Dem Bürgermeister werden in einem städtischen Gebäude die für seine Geschäftsfüh¬ rung erforderlichen Lokalitäten unentgeltlich eingeräumt.

480. Erlaß des Stallhallers vom 15. November 1850. 605 Außerdem erhält er die von dem Gemeinderathe für die Dauer seiner Amtsführung zu bestimmenden Funktionsgebühren. Verlust des Amtes eines Gemeinderathsgliedes. wenn in An¬ §. 47. Ein Mitglied des Gemeinderathes wird seines Amtes verlustig, sehung desselben ein Grund eintritt, der es von der Wählbarkeit ausgenommen, oder aus¬ geschlossen hätte. (§. 32.) Sollte ein Mitglied des Gemeinderathes wegen eines Verbrechens, oder eines ans Gewinnsucht hervorgegangenen oder die öffentliche Sittlichkeit verletzenden Vergehens, oder einer solchen Uebertretung in Untersuchung verfallen, so kann es während der Dauer dersel¬ ben fein Amt nicht ausüben. Diese Bestimmungen gelten auch hinsichtlich des Bürgermeisters und Vitebürgermaisters. Auflösung des Gemeinderathes. §. 48. Wenn die Regierung aus wichtigen Gründen den Gemeinderath aufzulösen findet, so hat der Bezirkshauptmann binnen vier Wochen eine neue Wahl auszuschreiben, und hiebei — in Ermanglung eines Gemeinderathes — die Befügnisse zu üben, die nach dem §. 35 dem Gemeinderathe zustehen. M Dritter Abschnitt. Von dem Wirkungskreise der Gemeinde. Allgemeine Bestimmungen. §. 49. Der Wirkungskreis der Gemeinde ist: a) der natürliche; b) ein übertragener. Der natürliche umfaßt alles, was die Interessen der Gemeinde zunächst berührt, und innerhalb ihren Gränzen vollständig durchführbar ist. Er erhält nur mit Rücksicht auf das Gesammtwohl durch das Gesez die nothwendi¬ gen Beschränkungen. Die übertragene umfaßt die Besorgung bestimmter öffentlicher Geschäfte, welche der Gemeinde vom Staate im Delegationswege zugewiesen werden. In Bezug auf den natürlichen Wirkungskreis ist der Gemeinderath das beschließende und der Bürgermeister das vollziehende Organ Der übertragene Wirkungskreis wird durch den Bürgermeister ausgeübt. Die Regierung kann denselben ganz oder theilweise auch durch von ihr bestellte Beamte versehen lassen.

480. Erlaß des Statthalters vom 15. November 1850. 606 Erste Abtheilung Von dem Wirkungskreise des Gemeinderathes. Umfang des Wirkungskreises. Im Allgemeinen. §. 50. Der Gemeinderath ist innerhalb der gesetzlichen Gränzen berufen, die Gemeinde in der Ausübung ihrer Rechte und Pflichten zu vertreten, bindende Beschlüsse für die Ge¬ meinde zu faßen, und deren Vollziehung zu überwachen. Er hat die Interessen der Gemeinde wahrzunehmen, und für die Beförderung der Wohlfahrt derselben durch gesetzliche Mittel zu sorgen. Insbesondere: Sistemisirung und Ernennung der Gemeindebeamten und Diener. §. 51. Der Gemeinderath bestimmt die Zahl und die Bezüge der zum Behufe der Gemeindeverwaltung nöthigen Gemeindebeamten und Diener, ernennt dieselben, so wie die Verwaltungsorgane sämmtlicher Gemeindeanstalten, in so ferne nicht vermöge Stiftung oder Vertrag das Recht der Ernennung einem Dritten eingeräumt ist; endlich alle im Solde der Gemeinde stehenden Personen, und bestimmt ihre Genüsse, so wie die dem Bürgermei¬ ster und den im Dienste der Gemeinde verwendeten Personen zu gewährenden Reisekosten und sonstigen Entschädigungen. §. 52. Bleibend angestellte Gemeindebeamte und Diener haben für sich, ihre Gattinn und Kinder dieselben Ansprüche an die Gemeinde, welche den Staatsbeamten und Dienern der Verwaltungsbehörden zustehen; die Bemessung der Pensionen, Provisionen und ander¬ weitigen Bezüge steht dem Gemeinderathe auf der Grundlage jener Vorschriften zu, welche für Staatsbeamte und Diener der Verwaltungsbehörden erlassen sind. Der Gemeinderath entscheidet über die Versetzung in den zeitlichen oder dauernden Ruhestand, über die Enthebung vom Amte, Entlassung der Gemeindebeamten und Diener. Bezüglich der bleibend Angestellten hat er sich hiebei an die für Staatsbeamte und Diener der Verwaltungsbehörden bestehenden Vorschriften zu halten. Ordnung des städtischen Haushaltes Gemeindevermögen und Gut. §. 53. Der Gemeinderath ist verpflichtet, das gesammte sowohl bewegliche als uube¬ wegliche Eigenthum der Gemeinde und sämmtliche Gerechtsamen mittelst eines Inventars in Uebersicht zu halten, und dasselbe jährlich zu veröffentlichen. Er hat dafür zu sorgen, daß das gesammte erträgnißfähige Vermögen der Gemeinde derart verwaltet werde, um die thunlichst größte Rente daraus zu erzielen.

480. Erlaß des Statthalters vom 15. November 1850. 607 §. 54. Der Gemeinderath hat zu wachen, daß jene Jahresüberschüsse, welche die ge¬ wöhnlichen Kassabedürfnisse übersteigen, so ferne sie nicht für bestimmte Gemeindezwecke gewidmet sind, zum Stammvermögen geschlagen werden. §. 55. Der Gemeinderath hat das Recht zur Vermögenserwerbung und Veräußerung des Gemeindevermögens und Gemeindegutes. Zu einer giltigen Beschlußfassung über eine Veräußerung ist erforderlich, daß zwei Drittheile des Gemeinderathes anwesend sind, und hievon überdieß die absolute Mehrheit sämmtlicher Gemeinderathsglieder zustimme. Die Veräußerung des Gemeindevermögens oder Gemeindegutes im Werthe von Vier¬ tausend Gulden Conv.=Münze oder darüber, kann jedoch nur Kraft eines Landesgesetzes Statt finden. Um aber den Antrag zu einer solchen Veräußerung vor den Landtag zu bringen, muß derselbe in einer Sitzung von wenigstens zwei Drittheilen des Gemeinderathes berathen, und mit absoluter Mehrheit sämmtlicher Gemeinderathsglieder angenommen worden sein. Feststellung der Gemeindevoranschläge. §. 56. Der Gemeinderath hat alljährlich auf Grundlage der Inventarien und Rech¬ nungen die Voranschläge der Einnahmen und Ausgaben der Gemeindekasse, so wie sämmtlicher unter abgesonderter städtischer Verwaltung stehenden Fonde und Anstalten in allen Einnahms¬ und Ausgabsposten zu prüfen und für das nächstfolgende Jahr festzustellen. Diese Voranschläge müssen jährlich drei Monate vor Anfang des Rechnungsjahres, das mit jenem des Staates zusammen fällt, von dem Bürgermeister vorgelegt werden. Vierzehn Tage vor der Prüfung und Feststellung durch den Gemeinderath sind sie zur öffentlichen Einsicht aufzulegen. Die Erinnerungen der Gemeindeglieder darüber werden zu Protokoll genommen, und bei der Prüfung in Erwägung gezogen. Prüfung und Erledigung der Rechnungen. §. 57. Dem Gemeinderathe steht die Entgegennahme, Prüfung und definitive Erledi¬ gung der Jahresrechnung zu. Vierzehn Tage vor der Prüfung und Erledigung der Rechnung durch den Gemeinderath wird dieselbe zur öffentlichen Einsicht aufgelegt. Die Erinnerungen der Gemeindeglieder darüber werden zu Protokoll genommen, und bei der Prüfung in Erwägung gezogen. Bei nicht genügender Rechtfertigung der in Ansehung der Rechnung gestellten Mängel wird vom Gemeinderathe das administrative Erkenntniß gegen die Zahlungspflichtigen vorbe¬ haltlich des weitern gesetzlichen Verfahrens geschöpft.

480. Erlaß des Stallhallers vom 15. November 1850. 608 Deckung des Abganges. §. 58. Sind die nöthigen Ausgaben durch die Einnahmen nicht gedeckt, so hat der Gemeinderath entweder durch Eröffnung neuer Ertragsquellen oder durch Umlegung auf die Ge¬ meinde für die Deckung des Abganges zu sorgen. §. 59. Umlagen auf direkte und indirekte Steuern, welche bei den einen oder bei denn andern 20% der landesfürstlichen Steuer überschreiten, dann Umlagen auf den Miethzinsgulden, wenn sie drei Kreuzer vom Gulden übersteigen, so wie die Einführung neuer Abgaben, kön¬ nen nur durch ein Landesgesetz bewilligt werden. Um aber einen solchen Antrag vor den Landtag zu bringen, muß derselbe in einer Sitzung von wenigstens zwei Drittheilen des Gemeinderathes berathen und mit absoluter Stimmen¬ mehrheit sämmtlicher Gemeinderathsmitglieder angenommen worden sein. §. 60. Die Aufnahme von Darlehen, die Verpfändung des Gemeindevermögens und die Leistung von Bürgschaften im Interesse der Gemeinde, steht ebenfalls dem Gemeinderathe zu. Hiebei gelten die Bestimmungen, welche im §. 55 für die Veräußerung des den Werth von viertausend Gulden C. M. nicht erreichenden Vermögens oder Gutes vorgeschrieben sind. Sollte jedoch das Darlehen oder die verbürgte Summe das jährliche Einkommen der Gemeinde übersteigen oder wollte der Gemeinderath eine Creditsoperation vornehmen, so kann die Bewilligung dazu nur durch ein Landesgesetz ertheilt werden. Der Antrag zur Erwirkung eines Landesgesetzes muß in einer Sitzung von wenigstens zwei Drittheilen des Gemeinderathes berathen und mit absoluter Mehrheit sämmtlicher Ge¬ meinderathsglieder angenommen worden sein. Verträge, Nachsicht von Forderungen. §. 61. Dem Gemeinderathe steht die Bewilligung zur Eingehung oder Auflösung von Ver¬ trägen jeder Art, zur Abschreibung von zweifelhaften und uneinbringlich gewordenen Forderun¬ gen, zur Nachsicht von Ersätzen und die Bewilligung von allen nicht präliminirten Auslagen zu. Rechtsstreite, Vergleiche. §. 62. Der Gemeinderath hat über die Einleitung und Aufhebung von Rechtsstreiten und die Abschließung von Vergleichen im Namen der Gemeinde zu entscheiden, für den Fall der Bestellung eines Rechtsvertreters steht dem Gemeinderathe die Wahl desselben zu. Stiftungen, Kirchen= und Schulangelegenheiten. §. 63. Das der Gemeinde zustehende Präsentations= und Patronats-Recht, die der Ge¬ meinde zukommenden Rechte in Kirchen- und Schulangelegenheiten, sowie auf die Verwaltung und Verleihung von Stiftungen, werden vom Gemeinderathe nach Vorschrift der Gesetze und der Stiftungsanordnungen ausgeübt.

480. Erlaß des Statthalters vom 15. November 1850. 609 Armenpflege. §. 64. Der Gemeinderath hat für die der Gemeinde obliegende Armenpflege die nöthigen Geldmittel zu schaffen, insoferne nicht die Mittel der Wohlthätigkeitsvereine und der beste¬ henden Anstalten ausreichen. Lokalsanitätswesen. ppra §. 65. Dem Gemeinderathe steht die Einrichtung und Leitung des Lokalsanitätswesens nach den bestehenden Gesetzen zu. Lokalpolizei. §. 66. Die Gemeinde hat die Reinlichkeitspolizei; sie sorgt für Pflasterung und Er¬ haltung der Strassen, Gassen und Wege, mit Ausnahme jener, deren Erhaltnng dem Reichsschatze oder einem andern Fonde obliegt, für Beleuchtung, für Erhaltung und Rei¬ nigung der Hauptabzugskanäle, für Erhaltung der städtischen Brücken, Brunnen, Wasser¬ leitungen und sonstigen Anlagen, dann der öffentlichen Badeanstalten. Sie handhabt die Gesundheits-, Feuer-, Markt-, Bau- und Strassen-Polizei, sie hat die Aufsicht über die Gemarkungen, übe Maß und Gewicht, ihr obliegt die Fürsorge für Approvisionirung, sie trifft die polizeilichen Vorkehrungen zur Abwendung der die Si¬ cherheit der Person und des Eigenthums, durch Ueberschwemmung oder durch sonstige Ele¬ mentarereignisse drohenden Gefahren. Der Gemeinderath hat für die zur Erfüllung dieser Obliegenheiten erforderlichen An¬ stalten und Einrichtungen die nöthigen Geldmittel aufzubringen, und ist für jede ihm in dieser Beziehung zur Last fallende Unterlassung verantwortlich. Johannes Aufnahme in den Gemeindeverband, Verleihung des Bürgerrechts. §. 67. Die Aufnahme in den Gemeindeverband, sowie die Verleihung des Bürger¬ rechtes und des Ehrenbürgerrechts steht dem Gemeinderathe zu. Petitionsrecht. §. 68. Die Ausübung des Petitionsrechtes der Gemeinde in Gemeinderangelegenheiten ist ausschließend dem Gemeinderathe vorbehalten. Ueberwachung der Gemeindeverwaltung. §. 69. Der Gemeinderath ist verpflichtet, sich in der steten Uebersicht der Geschäfsfüh rung der Gemeindeverwaltungsorgane zu erhalten. Er kann zu diesem Ende die Vorlage aller einschlägigen Akten, Urkunden, Rechnungen, Schriften und Berichte verlangen. §. 70. Dem Gemeinderathe steht das Recht zu, zur meritorischen und ziffermäßigen Prüfung der Voranschläge sowohl als der Rechnungen, Censoren zu ernennen, welche über das Prüfungsergebniß demselben zu berichten haben. 105

180. Erlaß des Stallhalters vom 15. November 1850. 610 §. 71. Der Gemeinderath ist verpflichtet, für die Verwahrung der Kassen zu sorgen, und dieselben öfters im Laufe des Jahres durch von ihm zu ernennende Commissäre skontri¬ ren zu lassen. Er hat im erforderlichen Falle die Liquidirung der Kassen zu veranlassen. §. 72. Der Gemeinderath hat ferner das Recht, Gemeindeunternehmungen durch eigene Commissäre überwachen zu lassen. §. 73. Er kann zur Erstattung von Gutachten und Anträgen eigene Commissionen ernennen. §. 74. Die Wahl der Mitglieder der Spezialkommissionen ist dem Gemeinderathe in der Art anheimgestellt, daß er auch Vertrauensmänner außer seinem Mittel zu berufen be¬ rechtiget ist. Berufung. §. 75. Dem Gemeinderathe ist über alle Berufungen gegen die Amtshandlungen des Bürgermeisters in Gegenständen des natürlichen Wirkungskreises der Gemeinde, die Entschei¬ dung vorbehalten. b) Form der Verhandlung. Beschlußfähigkeit. §. 76. Damit der Gemeinderath einen giltigen Beschluß fassen kann, müssen, insoweit diese Gemeindeordnung nicht eine andere Bestimmung enthält, wenigstens dreizehn Mitglieder versammelt sein. §. 77. Wenn die Gebahrung des Bürgermeisters oder eines Gemeinderathmitgliedes den Gegenstand der Berathung und Schlußfassung bildet, haben sich die Betheiligten der Abstimmung zu enthalten, und müssen der Sitzung, wenn es gefordert wird, zur Ertheilung der gewünschten Auskünfte beiwohnen. §. 78. Wenn ein besonderes Privatinteresse eines Mitgliedes oder seiner nächsten Ver¬ wandten einen Gegenstand der Verhandlung bildet, hat dasselbe abzutreten. Beschlußfassung §. 79. Zu einem giltigen Beschluße des Gemeinderathes ist die absolute Stimmen¬ mehrheit erforderlich. Bei gleichgetheilten Stimmen ertscheidet die Stimme des Vorsitzenden. Sitzungen. §. 80. Der Bürgermeister oder im Verhinderungsfalle sein Stellvertreter führt in den Sitzungen den Vorsitz und jede Sitztng, bei welcher dieß nicht beobachtet wurde, ist ungiltig.

480. Erlaß des Statthallers vom 15. November 1850. 611 §. 81. Dem Bezirkshauptmann steht es frei, entweder selbst, oder durch einen von ihm bestellten Kommissär den Sitzungen beizuwohnen, und in demselben das Wort zu ergreifen, ohne jedoch an der Abstimmung Theil zu nehmen. §. 82. Die Sitzungen des Gemeinderathes sind öffentlich, doch können über den vom Bürgermeister oder von wenigstens fünf Gemeinderathmitgliedern gestellten Antrag auch nicht öffentliche Sitzungen gehalten werden. Die Zuhörer haben sich jeder Aeußerung zu enthalten. Wenn sich dieselben herausnehmen, die Berathungen des Gemeinderathes in irgend einer Weise zu stören, oder gar die Freiheit desselben zu beirren, ist der Vorsitzende berechtigt und verpflichtet, nach vorausgegangener fruchtloser Ermahnung zur Ordnung den Sitzungs¬ saal von den Zuhörern räumen zu lassen. §. 83. Durch Beschluß des Gemeinderathes ist die Zahl und Zeit der ordentlichen Sitzungen zu bestimmen, und darüber die Anzeige dem Bezirkshauptmanne zu erstatten. Außerdem kann sich der Gemeinderath nur auf Anordnung des Bürgermeisters, oder im Verhinderungsfalle auf Anordnung seines Stellvertreters versammeln. Jede Sitzung, der eine solche Anordnung nicht zu Grunde liegt, ist ungesetzlich und es sind die gefaßten Beschlüße ungiltig. Der Bürgermeister ist jedoch verpflichtet, über schriftliches Einschreiten von wenigstens einem Drittheile der Gemeinderäthe oder im Auftrage des Bezirkshauptmannes eine Versamm¬ lung einzuberufen. Der Bezirkshauptmann ist von der Anordnung jeder außerordentlichen Sitzung in Kenntniß zu setzen. §. 84. Deputationen dürfen zu den Sitzungen nicht zugelassen werden. §. 85. Ueber die Sitzungsverhandlungen ist ein Protokoll zu führen, dasselbe von dem Vorstande, einem vom Gemeinderathe zu benennenden Mitgliede und dem Schrift¬ führer zu unterzeichnen, in dem Gemeindearchive aufzubewahren, und jedem Gemeinbegliede auf Verlangen Einsicht in dasselbe zu gestatten. Bweite Abtheilung. Von dem Wirkungskreise des Bürgermeisters. a) Natürlicher Wirkungskreis. §. 86. Der Bürgermeister ist das vollziehende Organ der Gemeinde unter der Kor¬ trolle des Gemeinderathes. §. 87. Der Bürgermeister repräsentirt die Gemeinde als moralische Person nach Außen sowohl in Civilrechts- als in Verwaltungsangelegenheiten. 105 *

480. Erlaß des Statthalters vom 15. November 1850. 612 §. 88. Urkunden, durch welche Verbindlichkeiten der Gemeinde gegen dritte Personen begründet werden sollen, müssen vom Bürgermeister und von zwei Gemeinderaths-Mitglie¬ dern unterfertigt werden. §. 89. Der Bürgermeister ist verpflichtet, die Beschlüsse des Gemeinderathes in der von demselben angegebenen Art in Vollzug zu setzen. §. 90. Glaubt der Bürgermeister, daß ein Beschluß des Gemeinderathes dieser Ge¬ meindeordnung, oder den bestehenden Gesetzen überhaupt zuwiderläuft, ober der Gemeinde einen wesentlichen Schaden zufügt, so ist er verpflichtet, mit der Vollzugsetzung innezuhal¬ ten, und unverzüglich den Gegenstand an den Bezirkshauptmann zu leiten, dem auch seiner¬ seits in den beiden ersten Fällen das Sistirungsrecht zusteht. Der Bezirkshauptmann leitet die Verhandlung im Wege des Statthalters an den Landtag, wenn die Sistirung wegen des gefährdeten Interesse der Gemeinde erfolgte. Ist derselbe nicht versammelt, und erleidet die Sache keinen Aufschub, so trifft die Regierung die provisorische Verfügung. Geschah die Sistirung wegen Verletzung der Gemeindeordnung oder der Gesetze, so hat der Bezirkshauptmann zu entscheiden, gegen dessen Ausspruch der Rekurs ergriffen werden kann. §. 91. Dem Bürgermeister sind sämmtliche Gemeindebeamten und Diener untergeordnet. Ihm steht die Geschäftszutheilung unter dieselben, so wie die Disziplinargewalt zu. Er ist sowohl für seine Geschäftsgebahrung, als für jene der ihm unterstehenden Beamten und Diener verantwortlich. §. 92. Dem Bürgermeister obliegt die Gebahrung mit dem Gemeindevermögen, er hat sich dabei genau an die Ansätze des Voranschlages zu halten. §. 93. Kommen im Laufe des Verwaltungsjahres dringende Auslagen vor, welche in der einschlägigen Rubrik des Voranschlages ihre Bedeckung gar nicht oder nicht vollstän¬ dig finden, so ist hiezu die Bewilligung des Gemeinderathes zu erwirken. §. 94. In Fällen der äußersten Dringlichkeit, wo die vorläufige Einholung der Be¬ willigung ohne großen Schaden und ohne Gefahr nicht möglich ist, darf der Bürgermei¬ ster unter seiner Verantwortung die Bestreitung der nothwendigen Auslagen anordnen, muß jedoch unverzüglich die nachträgliche Genehmigung des Gemeinderathes sich erwirken. §. 95. Zwei Monate nach Ablauf des Verwaltungsjahres ist vom Bürgermeister die in der Einnahme und Ausgabe gehörig belegte Rechnung dem Gemeinderathe vorzulegen. §. 96. Der Bürgermeister hat die der Gemeinde zustehende Lokalpolizei zu handhaben. §. 97. Der Bürgermeister ist bei Handhabung der Lokalpolizei an die bestehenden Gesetze und Ordnungen gebunden.

480. Ersaß des Stallhallers vom 15. November 1850. 613 Der Regierung bleibt die Kontrolle, die Einwirkung und Anordnung dort, wo sie es erforderlich findet, vorbehalten. Die Staatssicherheitsbehörde und der Bürgermeister haben sich zur Erzielung der polizeilichen Zwecke gegenseitig zu unterstützen. §. 98. Uebertretungen der vom Bürgermeister getroffenen Maßregeln und Verfügungen zur Handhabung der Lokalpolizei können durch Beschlüsse des Gemeinderathes mit Geld¬ bußen bis zum Betrage von Einhundert Gulden Conv. Münze oder im Falle der Zahlungs¬ unfähigkeit mit Arrest von je einem Tage für fünf Gulden Conv. Münze geahndet werden. Die Geldbußen fließen in die Gemeindekasse ein, und ist hierüber ein eigenes Proto¬ koll zu führen. Das Verfahren in derlei Uebertretungsfällen wird durch eine besondere Vorschrift ge¬ regelt werden. b) Uebertragener Wirkungskreis. §. 99. Der Bürgermeister hat die Geschäfte des übertragenen Wirkungskreises zu be¬ sorgen. Kundmachung der Gesetze. §. 100. Der Bürgermeister hat, wenn Gesetze und Verordnungen der Behörden nebst der Kundmachung durch die Gesetze= und Regierungsblätter noch anderweitig veröffentlicht und verbreitet werden sollen, auf Verlangen diese Veröffentlichung und Verbreitung in übli¬ cher Weise zu besorgen. Einhebung der Steuern. §. 101. Der Bürgermeister besorgt die Einhebung und Abfuhr der direkten Steuern. Militärangelegenheiten. §. 102. Der Bürgermeister hat das Konskriptions= und Rekrutirungsgeschäft, so wie die Angelegenheiten in Bezug auf die Vorspann, auf dis Verpflegung und Einquartie¬ rung des Militärs nach den bestehenden Gesetzen zu besorgen. Ertheilung des Ehekonsenses. §. 103. Der Bürgermeister hat mit Zustimmung des Gemeinderathes nach Maßgabe der bestehenden Gesetze, den Ehekonsens zu ertheilen, oder zu verweigern. Schubwesen. §. 104. Dem Bürgermeister obliegt die Besorgung des Schubwesens.

180. Erlaß des Wallhallers vom 15. November 1850. 614 Verleihung der Gewerbs= und Handelsbefugnisse. §. 105. In so lange die Gewerbs- und Handelsgesetze nichts anderes bestimmen, verleiht der Bürgermeister, im Einverständnisse mit dem Gemeinderathe, die Gewerbs- und Handels¬ befugnisse in allen jenen Fällen, in welchen, nach den bisherigen Gesetzen das Verleihungs¬ recht dem Magistrate zustand. Es ist sich hiebei an die bestehenden Gesetze zu halten. Anzeigen. 106. Der Bürgermeister hat über alle im Gemeindebezirke eintretenden Vorkomm¬ nisse, welche für die Staatsverwaltung vom Interesse, an den Bezirkshauptmann die An¬ zeige zu erstatten. Heimatsscheine. §. 107. Der Bürgermeister hat auf Verlangen den Gemeindegliedern Heimatsscheine auszufertigen. Die Heimatsscheine haben nur auf vier Jahre Giltigkeit. Fremdenpolizei. §. 108. Der Bürgermeister hat das Meldungswesen nach den bestehenden Gesetzen zu handhaben. Er fertiget die Wanderbücher für zur Gemeinde gehörige Handwerksgesellen aus, und vidirt die Wanderbücher der in der Gemeinde in Arbeit gestandenen Handwerksgesellen. §. 109. Ueberhaupt hat der Bürgermeister alle Amtshandlungen, welche ihm durch die Gesetze übertragen sind, oder durch spätere Verordnungen zugewiesen werden, so wie alle ihm vom Bezirkshauptmanne zukommenden Anordnungen, in Angelegenheiten des öffent¬ lichen Dienstes genau und in der durch das Gesetz oder die vorgesetzte Behörde bezeichneten Weise zu vollziehen. §. 110. In den Geschäften des übertragenen Wirkungskreises geht der Instanzenzug an den Statthalter. Stellvertretung und Unterstützung des Bürgermeisters. §. 111. Der Vicebürgermeister hat in Verhinderung des Bürger meisters die Geschäfte desselben, sowohl im natürlichen als übertragenen Wirkungskreise zu besorgen. Der Vicebürgermeister und die übrigen Gemeinderäthe, so wie die sämmtlichen Ge¬ meindebeamten und Diener haben sich in allen zu dem natürlichen und übertragenen Wirkungskreise des Bürgermeisters gehörigen Geschäften von demselben nach seinen Anord¬ nungen und unter seiner Verantwortlichkeit verwenden zu lassen.

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