Die Stiftskirche von Garsten

in dem sich vielleicht ursprünglich die „Wunderbare Muttergottes “ befand, von der wir später noch hören. Erst um 1280 mag man sich an den Neubau der Stiftskirche gewagt haben. Sie wurde unter Abt Ulrich III. (1294 — 1317) und Abt Otto (1317 — 1333) vollendet. Otto versah sie mit einer reichen /Ausstattung 43 ), über das Äußere der Kirche sind wir durch das Modell am Stiftergrab unterrichtet. Es zeigt eine querschifflose früh ­ gotische Pfcilerbasilika mit zwei Seitenschiffen und nur wenig verlängertem Mittel ­ schiff. Die drei Ostchöre sind polygonal geschlossen. Die Fenster des Hauptchores setzen höher als die der Seitenschiffe an und deuten damit auf die höhere Lage des Presbyteriums. Die altertümlichen Rundfenster, die über den Pultdächern der Seiten ­ schiffe in das Hauptschiff führen, lassen vermuten, daß man die alten Mauern der romanischen Stiftskirche mitverwendet hat. An den Seitenschiffen und Chören nehmen hohe unabgetreppte Strebepfeiler, aus einem massiven Sockel emporsteigend, den Druck der Gewölbe auf. Der Westgiebel trägt ein dachreiterartiges Türmchen für die Wandlungsglocke. Der eigentliche Glockenturm stand abseits, und zwar westlich der Kirche. Eine Glocke von 1329, also aus der Zeit des Abtes Otto, ist noch erhalten und befindet sich heute in St. Ulrich bei Steyr. Sie trägt die Umschrift: Deus. Maria. A. D. CCC. XX. V IIII. Urkundlich finden wir Glocken in Garsten schon 1179 erwähnt. Anschließend an die Kirche, wohl im Kapitelsaale, richtete Abt Otto ein „ar- marium seu insignem bibliothecam “ ein und gab dafür eine kostbare Bücherspende von 26 Werken vor allem theologischen Inhaltes, die sein scriptor Frater Johannes geschrieben hatte. Bischof Albert von Passau erließ bei seinem Verweilen in Garsten 1331 für diese Bücherei ein Interdikt gegen Diebe und Räuber 44 ). Vier in der Albert- urkundc genannte Evangelienkommentare des hl. Thomas sind uns erhalten und be ­ zeugen in der herrlichen, glasfensterartigen Bemalung ihrer Einbände Johannes auch als hervorragenden Künstler. Hier sei daher auf die hervorragende Stellung hingewiesen, die die Garstner Schreibschule einnimmt. Die erste Periode ist historisch ausgerichtet. Um 1180 entstehen die Vita Bertholdi, das Chronicon Garstense und als Urkundensammlung der wichtige Traditionscodex. Ein künstlerischer Höhepunkt romanischer Buchmalerei wird kurz später mit dem um 1214 vom Mönche Marchwardus geschriebenen Gaflenzer Missale erreicht. Es enthält 252 großzügige figurale und ornamentale Feder ­ zeichnungen in farbigen Tinten. Das sehr bedeutende Canon blatt ist lasierend bemalt und zeigt Marchward neben seinem Abt Adalbert zu Füßen des Kreuzes. Vor 1250 entsteht ein anderes Missale als Prachthandschrift mit sehr wertvollem Canonbild und 67 großen Initialen. An dieses Werk schließt sich eine Reihe weiterer Codices mit kostbaren Initialen. Dr. Kurt Holter, dem wir eine erste wissenschaftliche Sichtung des noch erhaltenen, freilich zerstreuten Garstner Bestandes verdanken, stellt fest, daß Garsten als einziges der Öberösterreichischen Scriptorien seine Kunst auch über 1350 hinaus in bedeutenden Werken fortsetzt 45 ). Später finden wir neben reichfarbigen gotischen Miniaturen einen frühen Holzschnitt für ein Canonblatt. Noch 1437 schreibt Frater Thomas ein Missale, das mit 44 prächtigen Miniaturen und Initialen illumi ­ niert ist. Man arbeitet auch für auswärtige Auftraggeber, so 1361 und 1372 mit an ­ sehnlichen Handschriften für den Steyrer Pfarrer Friedrich Thungassinger; oder man erwirbt reich fleuronierte Handschriften aus Frankreich und Oberitalien. Nach Holter besitzt Garsten um die Mitte des 14. Jahrhunderts die höchste Schreib- und Buch ­ kultur im Lande. Als Schreiber einer Chronik werden genannt: Chunrad chamerer 9

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2