Die Stiftskirche von Garsten

Formen der Aufbauten sind noch echte Renaissance, die trüben Farben der Fassung entsprechen dem Manierismus, doch die Plastiken stoßen weit in das Neue vor unter fast völliger Vermeidung manieristischer Art. Es wurden dafür bayrische Künstler herangezogen, da Oberösterreich während der Reformation, die in Steyr ihren Vorort besaß, künstlerisch ausgeblutet war. Sie kamen von Weilheim, aus dem Kreise der Degler, Petle, Reichel. Die zweite und mächtigste W elle des Barock nimmt ihren Ausgang von der Je ­ suitenkirche St. Michael in Steyr (ab 1635) und der Steyrer Dominikanerkirchc (ab 1642), wo in Anlehnung an St. Michael in München erstmals jener Bautypus der querschi ff losen und mit Fassaden türmen versehenen Wandpfeilerkirche entwickelt wird, der in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts den ganzen süddeutschen Raum be ­ herrscht. Wir kennen die Baumeister der zwei genannten wichtigen Bauten nicht. Aber durch ein halbes Jahrhundert sind es dann Norditaliener, besonders die Carlone, die diese Bauform übernehmen. In Garsten bietet sich der Idealfall, in dem Bauherr und Architekt sich am meisten nahekommen zu gemeinsamer Lösung der größten Aufgabe: Kirche und Palast zum geschlossenen Ganzen zu vereinen. Man entschließt sich hier am frühesten und gleich in kompromißloser Entschiedenheit zu einem völligen Neubau mit Ausrichtung des Gesamtkomplexes auf eine Hauptachse. Das ist Garstens ganz besondere Bedeutung. Freilich geschah es zu früh, so daß noch die befreiende Leichtigkeit fehlt, dafür be ­ deutet die Stiftskirche Höhepunkt und zugleich Ende der Epoche des Stuckbarock in Österreich. Die ernste und imponierende Fassade wird von den flankierenden Prälatur ­ bauten leicht eingeklammert. Indem man der Kirchenfront einen Saalbau mit einem in den Hof vorspringenden Stiegenhaus gegenüberstellt, setzt man eine zweite, ent ­ wicklungsgeschichtlich entscheidende lat. Denn so schlicht auch diese Garstner Lösung zunächst noch erscheinen mag, in St. Florian schon führt Carlone diese, in den Hof vorgeschobene, gebrochene Treppe, die er aus dem noritalienischen Raum, übernimmt, zu unvergleichlicher Freiheit. Diese Verbindung von Treppe und Saal wird ja dann im deutschen Raum strahlender Mittelpunkt barocker Architektur. In Garsten - und das ist ein weiteres ehrenvolles Zeugnis - erfolgt in Architektur Plastik und Malerei früh die Übergabe in deutsche Hand. Während im Alten Dom zu Linz, dem unmittelbaren Vorbild für Garsten, kein Raum für Fresken bleibt, werden hier erstmals im Kirchengewölbe Großflächen an die Brüder Grabenberger zugewiesen und das riesige Spiegelgewölbe des Treppenhauses zur schon illusionisti ­ schen Ausmalung durch Reslfeld. In Garsten erkennt Prandtauer als neue Barock ­ aufgabe das Öffnen des bisher streng geschlossenen Klosterbezirkes gegen die Land ­ schaft hin. Er formt die Westfront des Saalbaues als Gartenfassade mit flankierenden Pavillons, Springbrunnen und großer Hainbuchenallee, die er bis an den Berghang führt und dort mit der Kreuzkapelle abschließt. Wiederholt in der Geschichte waren die Klöster in Zeiten allgemeiner Verwüstung und Verarmung die Oasen, in die sich die Liebe zur Kunst zurückzog, um in besseren Zeiten wieder einen Siegeszug nach außen anzutreten. So wird auch in Garsten eine Ausstrahlung in doppelter Hinsicht wirksam. Alle Pfarren, die zu Garsten gehören, nehmen mit ihren Kirchen- und Pfarrhof bauten und deren Einrichtung geradezu stürmisch an der barocken Erneuerung teil und werden dabei meist von den im Stift tätigen Künstlern beliefert. Anderseits verwerten die aus Garsten nach anderen Stiften postulierten Äbte ihre hier gewonnenen Erfahrungen. So hat Alexander a Lacu vor dem in Kremsmünster am Gunterteich errichteten Fischbehälter schon 1601 vom 32

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