Die Stiftskirche von Garsten

Garsten ein und nahm am folgenden Tage, dem Feste des hl. Michael, unter großer Beteiligung des Volkes die Weihe der Kirche und ihrer sieben Altäre vor. Er begab sich noch am gleichen Tage nach Steyr, um dort am nächsten läge die Kirche der Cölestinerinnen einzuweihen. Die Konsekration der übrigen, in Garsten aufgerichteten Altäre überließ er dem Abt, dem dieses Recht durch die cassinensischen Privilegien zustand. Das Kirchweihfest wurde auf den Sonntag nach dem Herbstquatember fest ­ gesetzt, wie es schon in der alten Kirche gewesen war. Man konnte sich in Garsten des Erreichten ehrlich freuen, und das vollendete Bauwerk erregte Aufsehen und Bewunderung im ganzen Lande. Dies tat sich in der Anerkennung kund, mit der die obderensnischen Stände im folgenden Jahre eine Prachtmonstranz zur Erinnerung an die Kirchweihe und zum Dank für die aufopfernde Tätigkeit des Abtes als Abgeordneter in den durch Pest, Hunger und Krieg gefährdeten Zeiten durch eine von Graf Gundakar von Starhemberg geführte Abordnung über ­ reichen ließen 145 ). Außerdem spendeten sie eine große silberne Prachttasse. Diese war mit 15 Emailmedaillons geschmückt, die das Wappen Anselms und die Bilder der Garstner Pfarren zeigten 146 ). Die Monstranz, einst eines der wertvollsten Kleinodien Oberösterreichs, war mit einer Darstellung der Unbefleckten Empfängnis versehen und sollte so in ihrer Komposition die zwei tragenden Ideen zu einer Einheit verbinden, nach denen sich die Baugestaltung und einheitliche Ausstattung der Kirche richtete: Anbetung des eucharistischen Gottes und Verehrung seiner Mutter. So sollte diese Gabe, im Expositorium des Hochaltares aufgestellt, den Brennpunkt des ganzen Werkes bilden. Die Schicksale der Kirche nach ihrer Vollendung Neben den vielen Ausgaben für die Renovierung der dem Stifte inkorporierten Pfarr- und Filialkirchen besorgte Abt Anselm Neu- oder Umbauten an einer Reihe von Pfarrhöfen. Noch größere Ausgaben erforderten die Stiftshäuser in Linz, Krems und Nußdorf, deren Kosten zur Gänze aus der Hofkammer bestritten werden mußten. Dazu kamen die Neubauten im Stifte selber: zuerst die an die Kirche südlich anschlie ­ ßende Prälatur, die im dritten Stockwerk die Bibliothek beherbergen sollte. Noch war man nicht fertig, wurde der große, der Kirchenfront gegenüberliegende Saaltrakt begonnen. Die alles lief neben den fortgesetzt großen Steuern und Kriegsabgaben 147 ). 1704 wurde der Bau der Wallfahrtskirche Christkindl begonnen. Der Plan stammte von Giovanni Battista Carlone 148 ), an ihrer Vollendung wirkte Jakob Prandtauer mit, der nach dem Tode Carlo Antonio Carlones 1708 die Leitung der Stiftsbauten in Garsten übernommen hatte. Seine Hand wurde vor allem an der Gestaltung der westlichen Schauseite des Saaltraktes sichtbar 149 ). Abt Anselm starb am 29. April 1715, nachdem er 32 Jahre lang die Geschicke von Garsten geleitet hatte. Es war ihm vergönnt gewesen, das Kloster zu ungeahnter Blüte zu führen. Genau 50 Konventualen hatten unter ihm die Profeß abgelegt, darunter viele ausgezeichnet an religiöser und geistiger Bildung. Das Kloster war daran, sich zu einem imposanten Viereck zu schließen, das seinesgleichen in Österreich suchte. Das stolze Gefühl barocker Freiheit und Größe mag ihn wie keinen andern erfüllt haben. Doch war er persönlich von der größten Bescheidenheit und bat in der von ihm selbst verfaßten Sterbeanzeige: „Solltet ihr nach meinem Tode Rühmenswertes über mich hören, glaubt es nicht, sondern empfehlet mich in euren Gebeten dem göttlichen Erbarmen! “ Unter seinem Nachfolger Ambros v. Freudenpichl (1715 — 1729) wurden durch Prandtauer der Saaltrakt vollendet und der Südtrakt zwischen der Winter ­ prälatur und dem Saalbau geschaffen 150 ). 26

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