Die Stiftskirche von Garsten

wölbe schuf er aus der alten Kirche sozusagen eine neue, so daß, wer sie früher in der alten Form gesehen hatte — die ja auch schon eine Umgestaltung erfahren hatte — , glauben mußte, sie sei von Grund auf neu erbaut. Diese Klosterkirche war nämlich wegen der vielen Einbauten, finsteren Winkel, häßlichen Gewölbe, engen Kapellen und hölzernen Emporen nicht bloß verunstaltet und finster, sondern auch an vielen Stellen dem Einsturz nahe. Auch der auf dem Gebäude ruhende Dachstuhl war bau ­ fällig und das Gebälk infolge des hohen Alters morsch geworden. Im Inneren der Kirche stand ein uralter Hochaltar, auf dem sich sehr alte, große, hölzerne Statuen befanden, großenteils auch schon vom Wurm zerfressen, so daß sie für den zelebrierenden Priester eine ständige Gefahr waren. Der Chor, in dem die Brüder mit den Sängern das heilige Offizium sangen, befand sich über einem Gewölbe mitten in der Kirche. Dieser Platz aber war nicht nur unbequem, sondern auch so klein, daß bei feierlichen Anlässen die Sänger mit dem Klerus und den Instrumen ­ talisten kaum hinreichend Platz fanden. Die Orgel war ganz rückwärts in der Kirche an einer Stelle, die weder für die Musiker noch für die Priester am Altäre geeignet war; denn wenn etwas mit Orgelbegleitung zu singen war, konnte man vom Chor aus nur über einen sehr langen hölzernen Korridor zu ihr gelangen. Der Organist aber konnte den Priester, wenn er zum Altäre schritt oder von ihm wegging, überhaupt nicht sehen. Auch die Kanzel stand an einem ganz finsteren Platz; im Mittelschiff befanden sich eine Anzahl uralter, unförmiger und altmodischer Kirchenstühle. Das Pflaster war in der ganzen Kirche wegen der zerbrochenen Ziegelsteine und mehrerer Marmorplatten oder Grabsteine so uneben, daß man bei unvorsichtigem Gehen Gefahr lief, zu stürzen. Kurz und gut: die Kirche war alt und fast eine Ruine. So berief denn der hochw. Abt zur Erneuerung der ganzen Kirche zwei ausge ­ zeichnete Meister, den Baumeister Franz N. aus Kremsmünster und den Zimmer ­ meister Mathias N. aus Steyr, mit denen er schon vorher die Sache durchberaten hatte und legte ihnen seine Absicht vor. Mit beiden wurde ein Vertrag geschlossen und dann unverzüglich zur Ausführung des lang überlegten Planes geschritten. Vor allem ließ er alle überflüssigen Mauern niederlegen, mit deren Beseitigung auch gleich alle Winkel, Einbauten und kleinere Kapellen verschwanden. Dann wurde der im Mittelschiff befindliche Mönchschor entfernt, auf dem bisher die Brüder die kan. Horen und die übrigen hl. Offizien verrichtet hatten. Die Konventualen verrich ­ teten ihr Chorgebet während dieser Zeit außerhalb des Klosters in der Stiftspfarrkirche. Auch alle Gänge und hölzernen Emporen wurden beseitigt. Die an der finstersten Stelle der Kirche stehende Orgel wurde rechtzeitig abgetragen, damit die Pfeifen nicht durch die starken Erschütterungen und den Staub irgendwie Schaden litten. Der erwähnte große Altar mit seinen Statuen und Flügeltüren wurde abgetragen. Als dieses alles abgebrochen war. machte sich sogleich der Baumeister M. ans Werk und führte es meisterhaft durch. Unterdessen arbeitete der Zimmermann an der Herstellung des neuen hölzernen Dachstuhles, den er mit großer Beschleunigung vollendete. Und als nun die beiden Meister fertig waren, da schien die Kirche schon um die Hälfte größer zu sein, obwohl sie nirgends erweitert worden war. Der Hochwürdigste besorgte auch den Bau zweier hölzerner Türmchen, wovon das eine für die Stirnseite der Kirche, das andere für ihr vorderes Ende bestimmt war, um die zwei kleinen Glocken aufzunehmen, mit denen man den Brüdern das Zeichen zu den kan. Horen gab. Er ließ sie nach dem Vorbild der Türme in Melk mit Bleiplatten eindecken. 13

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