Das Districtscommissariat Garsten in Österreich ob der Enns.

Grube von allen Seiten steil waren, und es unmöglich zu seyn schien , wieder heraus zu kommen. Verzweife ­ lung bemächtigte sich seiner, da eS nun Nacht wurde, und er, bey aller seiner Bemühung, keinen AuSweg fin ­ den konnte. Erschöpft blieb er ohnmächtig auf dem Schlamme liegen. Wie er diese Nacht zubrachte, ist leicht zu errathen. Weil er die Ohnmacht nicht kannte, so glaubte er, zu sterben; allein er erwachte bey Anbruch des Tages wieder, untersuchte die Wände seines Gefäng ­ nisses aufs neue, Lind man kann sich seine Freude vor ­ stellen, alS er fand, daß eS doch nicht unmöglich sey, durch Hülfe einiger Kräuterbüsche herauszukommen. Der Versuch ward gemacht, und — mißlang. Er war nähm ­ lich durch Hunger, Anstrengung und Frost zu sehr er ­ schöpft; und wie er schon am obern Rande sich glaubte, verließen ihn seine Kräfte, und er rollte wieder in die Pfütze hinab. Allein die Furcht, zu verhungern, mun- terte ihn zu einem neuen Versuche auf, und dieser ge ­ lang. Seine dankbaren Empfindungen zu Gott, als rr heraus war, fanden keine Worte. Er hob seine Augen gegen Himmel, und küßte dann die Erde. Er sah schreck ­ lich auS, denn er war über und über mit zähem Schlam ­ me überzogen , und sah keinem Menschen mehr ähnlich. Jener hinderte ihn im Gehen; und alS er, nach einer Viertelstunde, an einen Mühlgraben kam, so sprang er, wie er war, hinein, und suchte sich, so gut als möglich, zu reinigen. In diesem Zustande traf ihn der Müller. Und da eS gar keine Jahreszeit zum Baden war, so fragte er ihn, wie er denn beym frühen Mor ­ gen ins Wasser komme. Allein Düval konnte vor Frost und Erstarrung nicht antworten. Thränen allein zeigten dem Müller daS Elend seines Zustandes. Dieser ward gerührt; er nahm ihn mit sich nach Hause, brächte ihn in ein Bett, ließ seine Kleidungsstücke trocknen, und gab ihm ein Stück Brot , welches er mit der größten Gierigkeit verschlang. Hier blieb er lange in einem stum ­ men Nachdenken über sein Schicksal, und weinte sehr, bis ihn endlich der Schlaf überfiel. Er schlief zwey Stun ­ den in Einem fort, und fühlte sich bey dem Erwachen wieder ganz hergestellt. Er erzählte nun dem gutmüthi ­ gen Müller sein Unglück; aber wer und woher er sey, verschwieg er sehr sorgfältig, weil er befürchtete, man möchte ihn seinem Stiefvater ausliefern. Der Müller fragte ihn endlich, wohin er wolle, und DüoalS Ant ­ wort war: nach PariS. — Und dieses war wirklich sein Vorsatz, der durch die sonderbaren Vorstellungen, die er sich von Paris machte, veranlaßt worden war. Er hatte von seinen Gespielen, die wohl eines bessern Un ­ terrichtes genossen, aber dennoch eben nicht ganz rich ­ tige Begriffe von ihrer Hauptstadt hatten, gehört, daß Paris wohl drey bis vier Mahl größer sey, alö sein Ge ­ burtsort ; die Straßen wären dort gepflastert, und eS gäbe mehr alS zwanzig fast eben so große Häuser, als die Kirche zu Artonnay wäre. Dieß, schien ihm unge ­ heuer, und er konnte es sich nicht anders vorstetten, alS daß die Leute in PariS auch sehr groß seyn müßten, weil sie so große Häuser hätten. Einen eben so sonderbaren Begriff machte er sich von dem Könige. Weil er hörte, daß er über so viele Menschen regiere, so glaubte er, er müßte von einer riesenmäßigen Größe seyn, worauf er deßhalb verfiel, weil der Schulz in seinem Dorfe zu ­ fällig größer war, als die übrigen Einwohner. Den folgenden Tag schickte der Müller sechs Esel mit Kornsäcken nach dem nächsten Orte; er erlaubte Düval'n , sein, Reise dahin auf einem Esel fortzusetzen, und schenkte ihm einen alten, mit Mehl bestäubten Hut, da er den semigen in der Pfütze verloren hatte. Man denke sich nun einen Bauernknaben , die Quere auf einem Esel, mit bloßen Füßen, zerschlagenem, brau ­ nen und blauen Gesichte, in welches Büschel schwarzer, glänzender Haare Herabhingen, und auf dem Kopfe ei ­ nen bestäubten Hut, groß wie ein Sonnenschirm. Das Reiten bekam ihm aber nicht am besten; denn in einem Dorfe, nicht weit von TroyeS , der Hauptstadt von Champagne, fiel ein Hund seinen Esel an; dieser schlug nach demselben, und warf seinen Reiter, nebst dem Kornsacke, ab, so, daß Düval unter dem Sacke lag, und sein linker Arm sehr gequetscht wurde. So groß nun seine Schmerzen waren , so setzte er doch seine Reise fort. In TroyeS nahmen sich einige mitleidige Menschen seiner an, die ihn über seine Schmerzen klagen hörten, und brachten ihn in ein Hospital, wo eine Anzahl Greise verpflegt, wo arme Kranke ausgenommen wurden, und wo vorzüglich eine Erziehungsanstalt für arme Kinder war. Hier blieb Düval nicht nur bis er wieder herge ­ stellt ward , sondern auch den ganzen Winter über. Bisher hatte er sich keine andere Ursache deS Todes denken können, als den Hunger, und eS kam ihm sehr wunderbar vor, daß ein junger Mensch, den er hier krank fand, nicht essen wollte. Er fragte ihn ganz offen ­ herzig, warum er denn freywillig sterben wollte, und unbegreiflich war es ihm, alS ihn jener versicherte, er

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