Josef Drausinger - Führer durch Steyr 1959

Anlage und Herlru11ft der Stadt Es gibt nur nod1 wenige Städte, die sich den Einflüssen unseres neuen Lebensstiles derart weitgehend zu entziehen und ihr in vielen Jahrhunderten geformtes Wesen so unverfälscht zu bewahren ver- mochten wie Steyr. Darum ist auch der Besucher, den irgendein Grund wie zufällig in diese vom Verkehr abgelegene Stadt führt, überrascht von deren Schönheit. Die Forderungen unserer Zeit J1aben vor ihren Toren sozusagen verlegen Halt gemacht u11d die Altstadt sowie ihre b eiden an Alter ebenso ehrwürdigen Vorstädte Ennsdorf und Steyrdorf so gt1t es eben ging unberührt gelassen. •' Zwar, das Katzenkopfpflaster auf dem weiträumigen Stadtplatz, der wohl der sd1önste in ganz Österreich ist, mußte weichen, die Straßenbeleuchtung ist auf eine sehr glückliche Weise d.em Ge- samtbild eingeord11et worden, die zahlreich erneuerten Geschäftsläden entsprechen in d er Art ihrer Gestaltung t1ngeachtet der Anpassung an die gegebenen, oft sehr beschrä11kten Platzverhältnisse durd:i- aus <.-lem verwöhnte11 Geschmack unserer Tage, aber alle diese Ver- änderungen und Zugeständnisse an die 11euen Lebensformen wer- de11 als organisches Wachstum empfunden, sie stören in keiner \Veise das liebe, alte Bild, denn die Straße11 un9- Gassen selbst bliebe11 vrie sie waren, eng u11d krumm, die edle11 Fassaden der Patrizierhäuser blicken still und vornehm wie ehedem, die vielen verträumten Höfe sdtlafen weiterhin in den la1.1tgewordenen Tag hinein, und über enge St iegengäßchen steigt man noch in1mer 1nühsam genug zur nächste11 Geländeterrasse hinan. Daran kan11 auch das begreifliche Bedürfnis modernen Verl~chrs nichts ändern, denn die Ufer der Enns und der Steyr und die um il1ren Zu- sarnn1enfluß sid1 aufbauende Terrassenlandschaft aus den Eis- und Zwischeneiszeiten verbieten die so notwendig geword.e11en ·Erweite- rungen und V erbrcitert1ngen. Was mit unserer Zeit en1p:findet u11d denkt, muß sich außerhalb des Bannkreises dieser alten Stadt auf- tun: etwa die ausgedeh11ten Anlager1 der Großi11dustrie oder die zahlreichen, ständig wachsenden Wohnsiedlungen. Mit diesen wenigen Hinweisen ist die Stadtanlage selbst bereits in großen Zügen hingczeicbnet: Die A l t s t a d t an und auf den1 fels·igen Gelä11dekeil zwischen zwei sich an seinen1 Steilabsturz vereinigenden Alpenflüsse11, • 3

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