Geschichte der Freidenker -Die Freidenkerbewegung in Steyr

Wolfgang Hack, im März 2015 11 Im Jahr 1923 rief die Partei zum Massenaustritt aus der Kirche auf:“ Man kann nicht Sozialist und zugleich Kirchgänger sein! Darum: Heraus aus der Kirche! Werdet konfessionslos!“ – Mit großem Erfolg, fast dreiundzwanzigtausend sagten sich von ihrem Glauben los. 1934, im Jahre der Vereinsauflösung hatte „Die Flamme“ hundertachzigtausend Mitglieder. Die Kirche hatte vorher einen beschwörenden Mahnruf verlautbart: „Wir können nicht umhin, euch Arbeitern zu sagen, dass ihr einmal vor dem Gericht Gotte die Zugehörigkeit zur Sozialdemokratie verantworten müsst!“. 1923 gelang es Seipl wiederum die Christlichsozialen zum Wahlsieg zu führen Aus der „roten“ Volkswehr wurde allmählich ein „schwarzes Bundesheer“, Otto Bauer und Julius Deutsch bauten daraufhin die bestehenden Arbeiterwehren im Mai 1924 zum Republikanischen Schutzbund aus. Aber auch die Bürgerlichen begannen aufzurüsten und bald waren Zusammenstöße an der Tagesordnung und entwickelten sich zum Guerillakrieg. Im Herbst 1924 trat Seipl als Bundeskanzler zurück. Im Februar 1925 zählte der Freidenkerbund mehr als hundertachzigtausend Mitglieder, von denen die Hälfte konfessionslos war. Bei ihnen nahm der Sozialismus die Stellung der Religion ein. Der ständig fortschreitende Prozess dieser Gottesentfremdung und Entkirchlichung der Arbeiterschaft löste die von den Sozialisten propagierte Vorstellung aus, dass die Kirche die Dienerin der ausbeutenden Unternehmer, die Schutzmacht des Kapitalismus sei. Dem Arbeiter war der Kapitalismus sein Antichrist. Im April 1927 erließ das österreichische Gesamtepiskopat eine „instructio pro clero in re sociali“ Danach sollten die Priester „sich immerfort das Studium der sozialen Fragen angelegen sein lassen“, aber auch über die Irrtümer des Sozialismus und Kommunismus und ihre „Verwerflichkeiten“ hätten sie unablässig Aufklärung zu geben und ernst vor dem Beitritt zu „geheimen, verbotenen, aufrührerischen und verdächtigen“ Vereinigungen zu warnen: „Wer sich der freimaurerischen Sekte anschließt oder anderen Vereinigungen derselben Art, die gegen Kirche oder die rechtliche Staatsgewalt Umtriebe planen, verfällt der dem Apostolischen Stuhle reservierten Exkommunikation.“ Für die meisten Freidenker war ein katholischer Parteigenosse ein „Sozialdemokrat zweiten Ranges“, sie lehnten eine religiöse „Neutralität“ strikt ab. Dies wurde jedoch von Otto Bauer, dem Nachfolger von Victor Adler in einer modifizierten Form vertreten. „Die sozialistische Gesellschaftsordnung wird niemand eine Religion vorschreiben und niemand eine Religion verbieten. Sie wird vielmehr einzelnen erst die wahre geistige Freiheit geben, sich nach seiner innersten Überzeugung zu entscheiden“. Die Freidenker wiesen den Toleranzgedanken des „Linzer Programms“ entschieden ab.

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