Festführer Kreisturnfest 1928

16 wir wollen keine alten Wunden ausreiften, aber der Bericht wäre unwahr, verschwiege er die Ereignisse der Jahre 1920 und 1922. Geistesfreiheit, Volkseinheit, Raffereinheit, das find die weistümer, die unser im Jahre 1919 in Linz gegründeter Turner­ bund auf sein Banner geschrieben hat. Bewahrung der Raffenreinheit, diesen Grundsatz zu befolgen, liegt in der Macht eines jeden Einzelnen. Rn der Volkseinheit, die wir so heift erstreben, hindert uns wohl noch höhere Gewalt. Gegen die Geistesfreiheit unserer Anhänger aber, gegen diese scheinbar selbstverständliche Errungenschaft einer demokratischen Republik wurden in den beiden Jahren Anschläge ausgeführt! Mit gei­ stigen Waffen war gegen die im herzen wurzelnde Überzeugung nicht anzukommen, das hatte unsere Schar bewiesen, auch vor der Drohung tätlicher Gewalt waren sie fest geblieben! So ging man andere Wege: man nahm ihnen das Brot und zwang sie, zum Austritte oder zum verlassen der Stadt. Bedauerlicher­ weise fanden brave Arbeiter, die unserem vereine treugeblieben waren, von seiten der damaligen Waffenfabriksleitung keinen Schutz. Im Jahre 1920 wurden 12 von ihnen grundlos ent­ lassen und fanden bei der herrschenden Arbeitsnot in Steyr keinen anderen Platz! Ungeachtet der Vorkommnisse des Jah­ res 1920 blieb der verein stärker als wie zuvor. Im Jahre 1922 gingen die wogen des Kampfes wieder hoch, wiederum waren unsere Mitglieder ihrer Gesinnung wegen Verfolgungen aus­ gesetzt: Beamte der Waffenfabrik, die am Bundestnrnfefte in Linz teilgenommen hatten, wurden in der Fabrik tätlich belei­ digt, man gab der Forderung der Arbeiterräte nach und zehn der Allertreuesten wurden gekündet, nur wenigen gelang es, in Steyr neue Stellungen zu finden, die meisten zogen fort, sie waren wohl für uns, nicht aber für die gemeinsame Sache verloren! Daft Jugendliche, ja selbst Turnerinnen auf offener Strafte des Bundesabzeichens beraubt und bedroht wurden, war in jener aufgeregten Seit nicht auf einzelne Fälle beschränkt geblieben. Aber sie schlossen sich nur um so enger um Pichler und eine erlesene Schar von Vorturnern, von denen hier nur ganz besonders der treue karlhauckd. A. genannt sei. Diefjaltung des Vereines und der einzelnen Mitglieder hat uns von allen Seiten Achtung eingetragen - auch jene, die nicht unsere Gesin­ nung teilen, erkennen an, daft wir uns wacker gehalten und auch nach auften Leistungen vollbracht haben, die sich sehen lassen können. So dürfen wir wohl sagen, daft in Hinkunft die Austragung der Gegensätze nicht in der weise geschehen wird, wie in den verflossenen Sturm- und Drangjahren unseres jungen Staates! Der Zusammenbruch und der verfall der Währung hat den verein, der ein ansehnliches vermögen zum Baue einer Turn­ halle schon beisammen hatte, wieder aller Mittel entblöftt. Das ganze flüssige Vereinsvermögen, der Turnhallebausäckel mit fast 50.000 Goldkronen, war im Jahre 1914 in Kriegsanleihe an-

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