Fabrik wird Museum

In Oberösterreich haben sich seit 1984 über Seminare und mediale Aufrufe 35 „Grabe, wo Du stehst"-Gruppen gebildet, die auf der Suche nach der eigenen Geschichte I utos, Dokumente und Erzählungen, sozusagen „mündliche Geschichte" sammeln, um diese Forschungsergebnisse in Ausstellungen, Broschüren, Videofilmen, Kalendern, historischen Theaterstücken u. a. ihren Arbeitskolleginnen und -kollegen vorzustellen. Die Aktion muß außerdem in Zusammenhang mit dem in Aufbau befindlichen Museum Arbeitswelt im Steyrer Wehrgraben gesehen werden. Die Gruppen beteiligen sich rege am Aufbau „ihres" Museums und sind seit Anfang mit dabei. Damit wird in Europa erstmalig beim Aufba u eines Museums eine Demokratisierung durchgeführt , die die Zusammenarbeit von Wissenschaftern und Laien miteinbezieht. So ist das Museum Arbeitswelt ein Zentrum für die Geschichte-Bewegung. Die Arbeit der „Grabe, wo Du stehst"-Gruppen finde t im Museum selbst ihren Ausdruck. Über „Grabe, wo Du stehst" gibt es nichts zu lachen Sosehr das Interesse an der Aktion und auch am Museum Arbeitswelt seit 1984 gestiegen ist , zu Beginn war alles anders. Auch viele Kolleginnen und Kollegen der Gewerkschaftsbewegung nahmen das Projekt zuerst nicht ganz ernst, sahen es als illusionistisches Wölkchen am gewerkschaftlichen Bildungshimmel oder fragten sich, wozu man „so etwas" überhaupt bräuchte. Es reichte für viele Aktivisten, den Terminus „Gra be, wo Du stehst" auszu - ~prechen, um die Kolleginnen und Kollegen köstlich zu amüsieren. Uber die Aktion gibt es jetzt nichts mehr zu lachen! Mit „Grabe, wo Du stehst" hat eine neue Qualität gewerkschaftlicher Bildungspolitik ihren Ausdruck gefunden. Zu Beginn der Aktion steht das Motto, daß Kultur das ist, wie wir miteinander umgehen. Bei „Grabe, wo Du stehst" geht es in der Forschungsarbeit nicht zuletzt auch um anderes Lernen. Lernen, auf Prozesse in der Gruppe zu achten und sich nicht für ein Produkt (Ausstellung etc.) zu Tode zu rennen. Und damit etwas zu leisten, was sonst schwer leistbar ist: ein Miteinander. Diese Arbeit geschieht in der Freizeit. Damit beschränkt sich gewerkschaftliche Bildungspolitik nicht allein auf Arbeitswelt, sondern kümmert sich um Lebenswelt. noch besser: um den Zusammenhang beider. In einer „Grabe, wo Du stehs t"-Gruppe finden sich Laien zusammen. Keine und keiner sind ausgebildete Historiker. Und die Zeitzeugen die sich mit den Jungen in der Gruppe treffen, haben was zu erzählen. Erlebnisse und Gegenstände bringen sie mit, die bisher als alltäglich und damit als banal abgetan wurden. Das Bild 72

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