Fabrik wird Museum

hang zwischen individueller Lebensgeschichte, den Interessen und Erwartungen, und historischen Prozessen kann überhaupt zu einer historischen Identitätsbildung führen. Gerade Ausstellungen und Museen können die Möglichkeiten anbieten, solche Identitäten zu finden und den Mangel an Geschichtsbewußtsein zumindest ansatzweise beseitigen helfen. Mit diesem Angebot , Geschichte anschaulich zu vermitteln, haben aber gerade Historiker die größten Schwierigkeiten, obwohl es allgemein als ein wichtiges Aufgabengebiet erkannt wird. In Ausstellungen reduziert sich der Anspruch der „historischen Wahrheit" auf Zeigbares. Die „Versinnlichung" von Geschichte, die Visualisierbarkeit auch noch so komplexer Prozesse und Zustände sind oberstes Gebot. Dadurch ist eine Ausstellung ständig der Gefahr ausgesetzt , entweder zu viel an historischem Wissen vorauszusetzen oder zu verkürzen, zu verzerren; das dadurch, daß die Gestaltung den Schwerpunkt der Vermittlung auf sinnlich schnell und einfach Wahrnehmbares verlagern muß. Eine Dampfmaschine zu zeigen, um damit den Zusammenhang von technischem und gesellschaftlichem Fortschritt zu demonstrieren, ist noch relativ einleuchtend. Aber wie soll man, au sg:ehend vom Symbol der Fabriksuhr, klarmachen, wie umfassend sich die sozialen Beziehungen, die Einstellung zur eigenen Arbeits- und Lebenssituation, der Normen und Werthaltungen in der industriellen Revolution geändert haben? In Ausstellungen und Museen haben wir es nicht mit einem geschlossenen Lernort wie der Schule zu tun. Die Verweildauer bei den Objekten und in den Räumen ist relativ kurz, so daß eine bewußtseinsbildende Verarbeitung sehr unwahrscheinlich ist. Eine Ausstellung ist eher ein Durchgangsort, der nicht vordergründig als Ziel die Lernerfahrung und den Erwerb zusätzlichen Wissens haben kann. Und die Museumspädagogen können auch nicht eine Ausstellung zur Gänze didaktisieren. Erfahrungsgemäß liegen beim Ausstellungs- und Museumsbesuch der Informationswert und der Unterhaltungswert eng beieinander. Auch dem Aspekt gängiger Wahrnehmungsgewohnheiten muß Rechnung getragen werden. Das Schlendern von Gegenstand zu Gegenstand kann am ehesten mit „kulturellem Window-Shopping" (H. Treinen) umschrieben werden. Das müßige Betrachten ist keine gezielte Informationsaufnahme, sondern eine entspannte und spielerische Art der Betätigung, die zwar geistig anregend ist, aber meist bald vergessen wird. In der Spannung zwischen dem Auftrag der Geschichtsvermittlung und Wahrnehmungspraxis in Ausstellungen stellt sich für den Historiker das Problem, einen Ansatz für die erwähnte Identitätsbildung zu finden . Die Vorbedingung hiefür ist nicht nur die Verfügbarkeit und 27

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