Fabrik wird Museum

Christa Nowshad Zum Aufbau eines Bildarchivs Der Beginn meiner Tätigkeit für unser Museum war gekennzeichnet durch eine große Ahnungslosigkeit darüber, was und wie denn dies überhaupt werden sollte - dieses „Museum der industriellen Arbeitswelt" . Das theoretische Konzept hatte ich mehrmals gelesen - so gut, so schön: aber zwischen Theorie und Praxis standen für mich damals noch Welten. Dominierendes Gefühl der ersten Wochen: Bin ich froh, einen Arbeitsplatz gefunden zu haben, alles andere wird schon noch werden! Erste einschneidende Erkenntnis bei der Arbeit: Es ist keiner da, der mir sagt, was ich wann wie tun soll - eine (auch für eine ehemalige Studentin der Soziologie) relativ ungewohnte Situation in unserer doch sonst in allen Lebensbereichen so vorgeformten und durchstrukturierten Gesellschaft, in der es für sämtliche Lebens- und Arbeitsbereiche genaue Verhaltensregeln gibt. Diese ungewohnte Situation hatte mehrere positive und auch negative Konsequenzen : Negative: - Es dauerte einige Monate, bis ich mir meinen Tätigkeitsbereich abgesteckt hatte, nämlich den Aufbau eines Bildarchivs, und halbwegs gezielt zu arbeiten beginnen konnte . - Gerade dieses weitgehende „Auf-sich-allein-gestellt-Sein" aller Mitarbeiter führte und führt oft zu schleppendem Arbeitsfortgang, zu Planlosigkeit, Kompetenzunklarheiten und -überschreitungen usw. und infolgedessen auch zu Streitereien und Machtkämpfen. Positive: - Durch das mühsame Herantasten an das „Wesentliche", an meinen Tätigkeitsbereich, wuchs in zunehmendem Maße meine Begeisterung für ebendiesen, für das Museum, für die Idee , die dahinters teh t. - Trotz vieler Rückschläge ist dieses Gefühl, wirklich selbständig etwas zu erarbeiten, zu schaffen, ein ganz wunderbares - man wächst richtig in die Arbeit, die man bewältigen soll, hinein. - Als überaus positiv empfinde ich es auch , daß jeder (fast) alles, was er an Kritik (natürlich auch an Positivem) glaubt anbringen zu müssen, wirklich sagen kann, daß darüber diskutiert wird , daß wir uns alle bemühen, diese vielen verschiedenen Meinungen doch immer wieder unter einen Hut zu bringen. Bei allen Konsequenzen, die dieser unkonventionelle Aufbau eines hoffentlich ebenso unkonventionellen Museums nach sich zieht, 86

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