Verein Museum Arbeitswelt Fabrik wird Museum
Verein Museum Arbeitswelt Fabrik wird Museum Aussagen und Beiträge der Beteiligten am Aufbau des Museums Industrielle Arbeitswelt in Steyr, Oberösterreich EIGENVERLAG
Impressum: Herausge ber und Ve rleger : Verein Museum Arbeitswel t, A-4020 Linz, Volksgartenstraße 40/301 , oder A-4400 Steyr, Wehrgrabengasse 1. Copyright 1986 bei den Autoren. Redaktion und Zusammenstellung: Dr. Johann Mayr, A-4400 Steyr. Ges taltung und Layout: Gottfried Haider, A-4020 Li nz. Umschlagfoto: Christian Schepe, Linz. Zeichnungen von den Seiten 9, 2 1, 30, 34, 49, 62, 63 , 83 , 9 1 HASLIN(ger) , mag. , hermann , cartoonist & cunsterzieher, a-4040 linz, knabenseminarstraße 45. Hersteller: Gutenberg-Verlag, A-4020 Linz, Anastasius-Grün-Straße 6.
Zum Geleit Die vorliegende Broschüre ist aus mehreren Gründen ungewöhnlich. Sie berichtet über ein ungewöhnliches Anliegen. Die Einrichtung des ersten österreichischen Arbeitsweltmuseums. Das Projekt stellt aber mehr dar, als das bloße museale Aufbewahren eines von der öffentlichen Meinung bereits als tot erklärten Phänomens. Es geht den Betreibern vielmehr darum, in der Auseinandersetzung mit den historischen Kräften des Wandels auch die zukünftige Veränderbarkeit erfahrbar zu machen. Der Begriff Zeitmaschine ist daher eher angebracht, unser Anliegen zu bezeichnen. So ungewöhnlich das Anliegen, so ungewöhnlich ist auch seine Realisierung. Die Mittel konnten nur aufgebracht werden, weil das Land Oberösterreich von der Notwendigkeit überzeugt werden konnte, der industriellen Arbeitswelt eine Landesausstellung zu widmen. Wurden bislang Jahr für Jahr für diesen Zweck sakrale Bauten renoviert, so steht diesmal ein Profanbau im Mittelpunkt. Ungewöhnlich ist auch das Innenleben des Museums. Wurde bislang restauriert und dazu passende Exponate arrangiert, so werden diesmal die historische Realität abbildende Erlebnisräume konstruiert. Das dazu erforderliche Quellenmaterial mußte mühsam gesucht, gesichtet und geordnet werden. Ohne die sachkundige Leitung von Prof. Kropf und ohne die finanzielle Hilfe des Bundesministeriums für soziale Verwaltung wäre dies wohl nicht möglich gewesen. Ungewöhnliche Arbeitsmethoden waren notwendig, um innerhalb von anderthalb Jahren diese Ziele zu erreichen. Im Vergleich zu anderen Projekten ist es vor allem die demokratische Organisationsstruktur, die auffällt und die das Ergebnis ganz wesentlich prägen wird. Erfolg oder Mißerfolg werden letztlich davon abhängen, ob es gelingt, ein Auseinanderfallen einzelner beteiligter Gruppen in Grabenkämpfe und Cliquentum zu verhindern. Bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt hat sich die Struktur unseres Projekts bewährt. Die vorliegende Broschüre zeugt von der Vielfalt der Personen und Ideen, die dahinterstehen. Josef Weidenholzer .Obmann 3
4 Ein Museum darf sich nicht darauf beschränken, Vergangenes zu zeigen, sondern muß auch die Probleme der Gegenwart behandeln, für die Zukunft Perspektiven bieten und ständig für Neuerungen offen sein. Eine Veranstaltung also in und durch die Zeit. Fritz Freyschlag
Einleitung In der oberösterreichischen Stadt Steyr, in jenem dortigen Stadtteil, im Wehrgraben, in dem seit frühesten Zeiten eisenverarbeitende ~andwerker und seit dem vorigen Jahrhundert bis zu ihrer Übersiedlung die eisenverarbeitende Industrie ihre Standorte hatten, entsteht ein Museum, eine Ausstellung neuer Art: Das Museum Industrielle Arbeitswelt. Eröffnet wird es mit der oberösterreichischen Landesausstellung 1987: Arbeit - Mensch - Maschine. Diese auf dem Ausstellungs- und Museumssektor erstmalige und daher einzigartige Kreation, dieses Besuchertheater, diese Zeitmaschine bedingte auch in seiner wissenschaftlichen und gestalterischen Konzeption neue Wege, aber genauso bei der Umsetzung derselben. Ebenso interessant ist die gedankliche und politisch pragmatische Entwicklung dieses Projektes. Nun steht unsere Absicht, unser Ideal, unser Wollen knapp ein halbes Jahr vor der planmäßigen Eröffnung. Deshalb haben sich die Mitarbeiter an diesem Wagnis entschlossen - als eine Art Zwischenbericht-, ihre Gedanken, Ziele, Beweggründe, Erwartungen und Erfüllungen in Form eines Büchleins vorzulegen. Der Anspruch war hoch: Ein lebendiges Museum, das sich durch die Entwicklungen der Gegenwart und Zukunft ständig erweitert, soll die industrielle Arbeitswelt von ihren Anfängen bis in die Gegenwart mit einem Ausblick in die Zukunft in all ihren Dimensionen nicht nur zeigen, sondern dem Besucher erlebbar machen. In all ihren Dimensionen heißt , daß nicht nur der Berufsbereich, und was unmittelbar mit diesem zusammenhängt, aufgearbeitet wird, sondern auch der Freizeit-, Kultur-, Gesellschafts-, Privat- und Wohnbereich der in der Industrie tätigen Menschen. Dies alles soll der Besucher nicht nur sehen, sondern, indem er durch die Ausstellung, durch die Zeit, durch diese Zeitmaschine von der Gegenwart in die Vergangenheit, in die Zukunft und wieder in die Gegenwart geht und dabei zu Handlungen angehalten wird, erleben. Der heutige Mensch erlebt die gesellschaftspolitisch markanten Stationen und soll dadurch Einblick und Anregungen bekommen, sich aktiv mit seiner gegenwärtigen Situation auseinanderzusetzen und zukünftige Entwicklungen selbstgestaltend positiv zu beeinflussen. Um dieses Museum zu ermöglichen und um den erwähnten Zielsetzungen gerecht zu werden, waren bereits beim Aufbau des Museums alle arbeitenden Menschen aufgefordert , sich an Gestal5
6 tung und Entwicklung ihres Museums zu beteiligen. Der höchste Anspruch ist nämlich , dieses Projekt demokratisch aufzubauen und weiterzuführen. Wahrlich, hohe Ansprüche! Erfahren Sie nun, geschätzte Leser, wie weit die Einlösung dieser Ansprüche bisher gelungen ist. Das und auch das Mitfühlen in und mit der Gestaltung in der individuellen Sprache der Mitarbeiter, welche Voraussetzung sind, die Vielfältigkeit zum Ausdruck zu bringen. Idealismus und kreatives Arbeiten allein lassen noch kein solches Unternehmen entstehen, dazu sind Förderer notwendig, die von der Sache ebenso begeistert sind; aber einem guten Unterfangen braucht in einem schöpferischen Lande wie dem unseren, auch um diese nicht bange sein. Johann Mayr
Inhalt Zum Geleit Einleitung . Der Urschrei Erich Gumpelmaierl Gottfried Haider / Albert Langanke l Anna Maria Prasch // Josef Weidenholzerl Kurt Zeidler Wie es begann. Ein Gespräch . . . . Gottfried Haider Zeittafel Ansprüche und Konzepte für ein Museum neuer Art Gerhard Pfeisinger Im Museum ist alles Geschichte. Zwischen Kultur und Konsum . ... . ............ . Rudolf Kropf Industrielle Arbeitswelt und Museum. Zur Entstehung des wissenschaftlichen Konzeptes Lore Klein-Wisenberg Gedanken zur Museumspädagogik Gerhard Pfeisinger I Hans Hof/er Arbeit ist Kultur - Kultur als Arbeit. Ein Zwiegespräch Die Verwirklichung der Vorstellungen Josef Moser Umsetzung des wissenschaftlichen Konzeptes . . . . Udo B. Wiesinger Demokratisches , offenes Museum - ein hoher Anspruch Walter Hutterl Rüdiger Ste lzer Der Bau . . . . . . . . . . . . . . . Sieglinde H aneder /A ndrea Tippe Andere Geschichte - Gesch ichte einmal anders . Laiengeschichtegruppen im ÖGB / Aktion „Grabe, wo Du stehst" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 5 9 20 23 32 39 50 56 66 68 71 7
8 Die Mitarbeiter und ihre Eindrücke Peter Jaros Museum der Arbeitswelt Hermann Padosch Ich und das Museum Barbara Brodesser 75 78 Der neue Arbeitsplatz . Ein gesellschaftliches Bedürfnis? 80 O/e Ve istrup Geteiltes Leid - Demokratisches Leid . . . . . . . . . 81 Kerstin Witt! Uschi Zobernig Spürbare Forschung - Impressionen aus dem Museumsalltag . . . . . . . . Franz Korn 82 Meine Zeit als Museumsmitarbeiter 84 Christa Nowshad Zum Aufbau eines Bildarchivs . . 86 Klaus Bernhard/ Karl Kogut I Ado!f Reiter I Norbert Sailerl Robert Sailer l Klaus Stad/er / Josef Voitl Gespräch mit den Kollegen von der Baustelle . . . 89 Förderung und Unterstützung des Museumsprojekts. 99 Die Autoren und Mitarbeiter der Beiträge . . . . 112 Erwin Dorn ! Ulli Höbl l Edith Jakob andere ansichten (8 Postkarten)
Der Urschrei 41 ;\ \~ ~' ~, . , ~: -~ ,~ ' • ::;~~ ;~A=wieA.rbei+ !,, ,,Wie es begann" Ein Erinnerungsgespräch mit Erich: Gumplmaier Erich Gottfried: Haider Gottfried Bert!: Langanke Albert Anna Maria: Praschl Anna Maria Joe: Weidenholzer Josef Kurt: Zeidler Kurt Erich: Bert!, wie hast du den Anfang erlebt? •: Bert!: Im August 1979 war ich Reiseleiter einer Gruppe von Gewerkschaftsschülern, die an einer Studienfahrt nach England teilnahmen. Sie kamen von den Gewerkschaftsschulen Linz und Traun. Joe war damals Referent an diesen Gewerkschaftsschulen und nahm auch an der Reise teil. 9
Erich: Wer war für das Programm verantwortlich? Bert!: Die Betreuung und Programmgestaltung hatten Jim Sweeney und Susi Novak - sie ist jetzt seine Frau - über. Diesen beiden war der Besuch des Industriemuseums Coalbrookdale zu verdanken. Erich: Was war das Besondere an diesem Museum? Bert!: Das Museum in Coalbrookdale ist ein Freilichtmuseum und enthält unter anderem Hochofenanlagen, Bergbauanlagen, Handwerksbetriebe, aber auch Bergarbeiterhütten und ein Aufseherhaus aus der Zeit der ersten industriellen Revolution. Die Darstellungen beziehen sich hauptsächlich auf damalige technische Vorgänge. Soziale Aspekte sind nur andeutungsweise vorhanden. Die lronbridge in Coalbrookdale (England) . Archi v VMA Joe: Der Eindruck des Museums in Coalbrookdale war für viele überwältigend. Sie haben zum erstenmal gemerkt, daß das , was sie in der Gewerkschaftsschule gelernt haben, auch tatsächlich passierte. Einen besonderen Eindruck hinterließen die Arbeiterwohnungen und Arbeiterhütten. lO Bert!: Mister Darby, der Gründer des Museums, führte uns selbst und schilderte die mannigfa chen organisatorischen und finanziellen Probleme. Irgendwann während des Museumsrundganges, ich glaube, es war in einer alten Fabrik, sprachen der Böhm Lois von der Gewerkschaftsschule Traun, der Joe und ich davon, wie es wäre , wenn wir in Oberösterreich auch so ein Museum hätten. Der Joe meinte, daß dabei auch die sozialen und politischen Hintergründe der Arbeitnehmer dargestellt werden müßten. Beim Mit-
tagessen nach dem Museumsbesuch, das in einem Gasthaus in der Nähe der Ironbridge eingenommen wurde, diskutierten wir auch über diese Idee mit den anwesenden Gewerkschaftsschülern. Erich: Joe, was haben die Teilnehmer damals zu dir gesagt? Joe: Ich weiß es noch genau. Es war der Lois Böhm, der gemeint hat: ,,Wie du uns im Geschichtsunterricht in der Gewerkschaftsschule davon erzählt hast, wollten wir dir den Enthusiasmus nicht nehmen, aber wir haben dir das nicht geglaubt." Wie sie dann gesehen haben, daß es dort tatsächlich so ausg'schaut hat, haben sie gesagt ; ,,Jetzt glauben wir dir , was du uns erzählt hast." Böhm, Pils und Rothböck waren außerordentlich beeindruckt und motiviert. Erich: Was hast du , Bertl, nach der Rückkehr nach Österreich gemacht? Bert!: Ich versuchte sofort Interessenten für dieses Museumsprojekt zu gewinnen. Ich sprach vor allem mit Kurt, Gottfried und Anna Maria über das Projekt. Allen gefiel die Idee, sie äußerten aber Sorge bezüglich der hohen Finanzierungskosten . Erich: Gottfried, du bist ein halbes Jahr vorher Vorsitzender des ÖGB-Landesbildungsausschusses geworden. Wie hat sich die Anfangsphase für dich dargestellt? Gottfried: Ja, ich übernahm im April 1979 den Bildungsobmann. An sich war diese Arbeit nichts Neues, denn ich war ja schon 23 Jahre im Bildungsausschuß und fast so lange Obmann-Stellvertreter. Ich bin dann im September, nachdem eben die Kollegen von England zurückgekommen waren, von Bertl angesprochen worden. „Was hältst du davon, wenn wir in Oberösterreich so ein Museum errichten?" Er hat mir die Broschüren von Coalbrookdale in die Hand gedrückt und gemeint, ich solle sie mir einmal anschauen. Joe: Mir hat die Idee auch sehr gut gefallen, ich hatte nur das Gefühl, daß dies doch für uns um einige Nummern zu groß ist und war eher skeptisch. Aber durch den Optimismus von Bertl wurde ich mitgerissen. Aber ich habe so meine Reserven gegen das Projekt gehabt, das muß ich ehrlich sagen. Gottfried: Eines der schwierigsten Probleme war, daß man diese Ideen und Gedanken erst in den engsten Kreis der Funktionäre hineintragen, sie überzeugen mußte. Alle Projekte, die viel Geld kosten, stoßen natürlich auf Widerstand. Ich hatte aber aus der Erfahrung gelernt, daß, wenn eine Idee gut ist, es auch möglich ist, sie in die Tat umzusetzen. Und ich hielt diese Idee für gut. Erich: Anna Maria, wie hast du das erlebt? Anna Maria: Meiner Erinnerung nach ist der Koll . Bertl zu mir gekommen und war ein wenig verzweifelt, weil es ihm nicht auf Anhieb gelungen war, wichtige Funktionäre und vor allem den Landessekretär zu überzeugen . In Erinnerung sind mir die Diskus11
sionen im Bildungsausschuß, die eigentlich sehr positiv verlaufen sind. Eine Sitzung im BFI war nur dem Museum Arbeitswel t gewidmet. Wir haben wirkliche Zukunftsbilder entworfen, und es waren alle sehr begeistert. Erich: Kurt, du warst schon ÖGB-Landessekretär. Wann bist du damit erstmals konfrontiert worden? Kurt: Auch ich wurde kurz nach der Rückkehr der Gewerkschaftsschulen damit befaßt. Der Kollege Bertl ist zu mir gekommen und hat mir Unterlagen über dieses Museum in England gezeigt. Wir haben auch diskutiert. Es war so, daß wir gesagt haben, na ja - es wäre vielleicht im Raum Ampflwang die Möglichkeit. Es war aber so, daß von mir auch__Bedenken geäußert wurden. Und zwar kostenmäßig. Wir als 0GB werden das auf keinen Fall alleine schaffen. Bert!: Das hat uns nicht abgehalten, die Frage des Standortes zu überlegen und nach geeigneten Fabriksobjekten Ausschau zu halten. Das Bergbaugebiet Ampflwang, Steyr als Zentrum der Eisenverarbeitung und Linz-Kleinmünchen mit den Textilbetrieben waren im Gespräch. ß.rich: Gottfried, dann hat doch der Landesbildungsausschuß des 0GB eine Resolution beschlossen, die an den Landeshauptmann gegangen ist. Gottfried: Die erste Resolution wurde am 29. November 1979 vom Landesbildungsausschuß beschl(?~Sen. Nachdem dieser Ausschuß aber kein Beschlußorgan des OGB ist, mußten wir dies dem Landesexekutivausschuß unterbreiten. Dieser hat dann nach intensiver Diskussion die Resolution angenommen. In dieser wurde die Landesregierung ersucht, ,,Schritte zur Errichtung einer Besichtigungsstätte einzuleiten, welche die geschichtliche Entwicklung in Gewerbe und Industrie sowie der in diesen tätigen Menschen aufzeigt" . Dabei haben mich besonders Anna Maria und Joe, der auch eingeladen war, unterstützt. Die Antwort von Landeshauptmann Dr. Ratzenböck ist dann im Jänner 1980 gekommen. Erich: Diese Resolution hat aber noch keine Landesausstellung verlangt, wenn ich richtig informiert bin. Gottfried: Der Landeshauptmann hat in seinem Antwortschreiben darauf hingewiesen, daß das Land solche Initiativen begrüßt und unterstützt und bereit ist, 50 Prozent der Errichtungskosten zu übernehmen. Zur Trägerschaft müsse aber ein eigener Verein gegründet werden. Anna Maria: Nachdem die Resolution in der Landesexekutive beschlossen war, habe ich als Landtagsabgeordnete im Landtag zum erstenmal die Forderung nach einem Museum Arbeitswelt ganz kurz vorgebracht, um den Wunsch einmal zu deponieren. 12
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Bert!: Ich erinnere mich auch an ein Gespräch mit dem damaligen Wissenschaftsminister Frau Dr. Herta Pimberg in Wien, die der Museumsidee sehr positiv gegenüberstand. Im Sommer 1980 „erbte" mein Nachfolger Gumplmaier als neuer Bildungssekretär das erste Rohgerüst des späteren Museums . Er wußte damals noch nicht, was ihm damit aufgehalst wurde. Jedenfalls hatten er und Gottfried die Hauptlast für die Verwirklichung der Museumsidee zu tragen. Gottfried: Erich war aber sofort mit Begeisterung bei der Sache. Die Diskussion in den Gewerkschaftsgremien über die Vereinsgründung dauerte dann allerdings über das ganze Jahr 1980. Erst nach einer weiteren Studienfahrt, die Joe und ich nach England unternommen und dort mehrere solche Museen besichtigt hatten, kamen wir dann zu der Erkenntnis, daß unser Museum ganz anders aussehen müsse und eigentlich der Mensch stärker in den Mittelpunkt gerückt werden müsse. Joe : Im Sommer 1980 war eine erste Begehung des Areals unten im Steyrer Wehrgraben. Zu diesem Zeitpunkt war der Standort Steyr schon an erster Stelle. Es war auch ein taktisches Kalkül dabei , weil wir hofften, daß man den Arbeiterkammer-Präsidenten Schmidl durch den Standort Steyr leichter für das Projekt gewinnen könnte . Er stand damals dieser ganzen Angelegenheit sehr skeptisch gegenüber. Bei der Begehung haben wir vom Gebäude der Steyr-Werke, in dem der Boxklub drinnen war, auf die andere Seite hinübergesehen, und ich kann mich noch genau erinnern, wie wir den Herrn Prokuristen Fischer fragten, was denn mit diesen Gebäuden sei. Er sagte, das seien die Hack-Werke . Erich: Ich war bei diesem Gespräch schon dabei. Das war so in der Übergangsphase, wo ich den Bildungssekretär von Bertl übernommen habe. Kollege Decker, der damals auch dabei war, sagte, daß auch diese Hack-Werke einmal zur Verfügung stehen könnten, da bereits ein Konkursverfahren laufe. Eigentlich hatten wir alle das Gefühl , daß diese Dimensionen uns um eine Nummer zu groß seien. Joe: Das war sicher noch nicht im Gespräch . Die Gebäude, die uns gezeigt wurden, waren vom Umfang her wesentlich kleiner und wir haben damals um ein Stockwerk diskutiert. Erich: Die Herren der Steyr-Werke haben uns vier bis fünf Gebäude gezeigt. Unter anderem auch das Turbinenhaus. In dieser Zeit fand eine heftige Diskussion in Steyr statt, ob der Wehrgraben zugeschüttet werden soll oder nicht. Ich kann mich noch sehr gut erinnern, beim ersten Gespräch mit Bürgermeister Weiss, ist er sofort auf unseren Wunsch, daß wir ein größeres Freiareal brauchen, eingegangen. Er hat gesagt, das sei auch ein Argument, 14
warum man den Wehrgraben zuschütten müsse, damit dort auch Busse parken können. Gottfried: Im Herbst 1980 fanden viele Kontaktgespräche mit jenen Institutionen und Organisationen statt, die für eine Vereinsmitgliedschaft in Frage kamen. Ich arbeitete einen ersten Entwurf der Vereinsstatuten aus , der später in Zusammenarbeit mit Kollegen Kaliauer modifiziert wurde . Am 8. Jänner 1981 ist dann das Proponentenkomitee zur Gründung eines Vereines in Linz zum erstenmal zusammengetreten. In der 2. Sitzung im Februar wurden die Satzungen genehmigt und ein provisorischer Vereinsvorstand gewählt. Ich wurde damals Geschäftsführer. Von der Vereinsbehörde wurden die Satzungen mit 11. März 1981 genehmigt. Kurt: Es ist so, daß es für uns als Vertreter des 0GB wichtig war, daß einmal ein Beschluß der Landesexekutive da war, sodaß wir offiziell an die Sache herangehen konnten. Wir haben dann bei der Vereinsgründung uns bemüht, diesen auf eine sehr breite Basis zu stellen. Das heißt, daß wir versuchten, alle Interessenvertretungen - den Gewerkschaftsbund, die Arbeiterkammer, die Fachgewerkschaften, die Handelskammer und die Industriellenvereinigung, die Universität und die Stadt Steyr - in den Verein einzubinden. Nachdem sich die Arbeiterkammer Oberösterreich sofort bereit erklärt hatte , das Projekt zu unterstützen, und auch der ÖGB in Wien überzeugt wurde und dann voll hinter den Plänen stand, wurden weitere Vorbereitungen getroffen. .. Erich: Nach der Gründung des Vereines und der Uberzeugungsarbeit in der eigenen Organisation, war eigentlich die entscheidende Frage: ,,Woher bekommen wir das Geld?" Ursprünglich haben wir eben versucht , durch die Einbindung der Interessenvertretungen als Vereinsmitglieder, die Mittel aufzutreiben. Es war uns aber bald klar, obwohl zu dieser Zeit die Hack-Werke noch nicht im Gespräch waren, daß das bei weitem nicht ausreichen würde. Gottfried: Dadurch entstand 1981 eine Denkpause. Wir versuchten dann, um das Projekt auf eine wissenschaftliche Grundlage zu stellen, wissenschaftliche Konzepte mit Hilfe des Wissenschaftsministeriums und der Nationalbank zu finanzieren , was aber scheiterte. Damals stand uns schon Univ. -Prof. Dr. Kropf zur Seite. Erich: Ich habe im Jahr 1981 die Berufsreifeprüfung gemacht und da den Rudi Kropf als Professor gehabt. Mit ihm habe ich das erstemal geredet, nachdem ich hörte, daß er bei der Errichtung des Heimatmuseums in Gallneukirchen dabei war. Nachdem ich die Prüfung bei ihm bestanden hatte, hat er mir sofo~t das Duwort angeboten. Bei der Landesbildungskonferenz des 0GB im März 1981 haben wir dann eine Resolution beschlossen. Wir haben in weiterer Folge den Leiter der Kulturabteilung des Landes Oberösterreich, Hofrat Dr . Pömer, in den Landesbildungsausschuß 15
16 eingeladen, der über die Landesausstellung 1981 referierte. In der Diskussion haben wir erstmals auch unsere Kritik an den bisherigen Konzepten der Landesausstellungen vorgebracht. Joe: Es gab schon lange Kritik an den Landesausstellungen. Die Sozialistische Partei hatte wiederholt gefordert, es sollte auch einmal der arbeitende Mensch in den Mittelpunkt kommen. Die allgemeine Kritik war, daß das Land auch viel Geld für die Bauern- und Heimatmuseen hergibt und daß der arbeitende Mensch in diesen überhaupt nicht oder nur am Rande berücksichtigt wird. Das war so eine allgemeine Kritik an der Kulturpolitik, die es Ende der siebziger Jahre gab. Ich glaube, auch auf dieser Folie muß man unser Projekt sehen. Gottfried: Die Denkphase dauerte bis zum September 1982. Erich und ich waren auf der Rückkehr von einer Bildungskonferenz in Kärnten. Ich sagte zu Erich: ,,Ich sehe noch eine Chance. Wenn es uns gelingt, das Land Oberösterreich von der Notwendigkeit zu überzeugen, daß eine der nächsten Landesausstellungen dem Thema ,Industrielle Arbeitswelt' gewidmet wird." Obwohl ich die ~irkung von Resolutionen nicht sehr hoch schätze, beschlossen die OGB-Gremien eine solche am 4. und 19. November 1982. Erich: Nachdem sich einige Monate nichts rührte, ist mir eingefallen, daß unser neuer Vorsitzender, Koll. Franz Ruhaltinger, und der Landeshauptmann Dr. Ratzenböck ja in derselben Gemeinde aufgewachsen sind. Wir bekamen dann auch rasch einen Termin beim Landeshauptmann. Bei dem Gespräch waren Koll. Ruhaltinger, Kurt, Gottfried und ich anwesend. Der Landeshauptmann hat sehr positiv auf unsere Argumente reagiert, per Telefon Herrn Hofrat Pömer sofort den Auftrag gegeben, zu prüfen, ob für 1987 eine solche Landesausstellung ins Auge gefaßt werden könne . Damit war der Durchbruch erzielt. Gottfried: Dieses Gespräch fand am 17. Juni 1983 statt. Nun begann aber erst eine mühsame Kleinarbeit. Erich: Ich erinnere mich, daß ich damals gesagt habe, daß uns das ewige Hin und Her und immer zwischen Tür und Angel Reden nicht weiterbringt. Wir müssen ein langfristiges Konzept entwikkeln und Schritt für Schritt strategisch vorgehen. Wir haben uns dazu am 23. Juni 1983 einen ganzen Tag ins Jugendgästehaus in Linz zurückgezogen. Bei diesen Beratungen waren Max Lotteraner, Kurt, Gottfried, Joe und ich dabei. Wir haben Etappenpläne für Gespräche , Vorsprachen und Verhandlungen gesetzt. Wir haben überlegt, wer mit wem sprechen könnte. Zum Beispiel sind wir an die Anna Maria herangetreten, daß sie mit der Edith Dobesberger spricht und damit eine Informationstagung im Nationalrat für die oberösterreichischen Abgeordneten inszeniert. Wir haben ein Gespräch mit Minister Fischer vereinbart. Das hat Max
Lotteraner über den SPÖ-Bildungsausschuß organisiert. Vor allem sind wir mit dem Ersuchen an die Arbeiterkammer herangetreten, uns ein wissenschaftliches Projekt zur Erstellung eines Wissenschaftskonzeptes zu finanzieren. Dies wurde uns bewilligt, und wir haben im Juli 1983 Rudi Kropf mit der Erstellung eines Wissenschaftskonzeptes beauftragt, der dann auch seinen Assistenten Magister Udo Wiesinger als Mitarbeiter herangezogen hat. Der Mi/1nerhammer im Steyrer Wehrgraben. Archi v VMA Anna Maria: Ich erinnere mich jetzt auch daran , daß es einen Wettlauf mit anderen Städten und Ländern gegeben hat. Da gab es Projekte in Wiener Neustadt, in Wien und in der Steiermark. Gottfried: Ein Problem war auch die Suche nach Objekten, Dokumenten und Bildmaterial. Joe hat uns damals von der „Grabe-wo-Du-stehst"-Bewegung in Schweden erzählt, und wir haben sie aufgegriffen und innerhalb des ÖGB Seminare mit dem Titel „Geschichte von unten" organisiert. Diese Gruppen haben uns bei den Suchaktionen sehr geholfen. Anna Maria: Auch den arbeitenden Menschen erschien die eigene Geschichte nicht so interessant, wie die Geschichte der Kriege, des Adels und des Bürgertums. Die Erinnerungsobjekte an die eigene Geschichte erscheinen ihnen oft wertlos. Ich glaube, daß die Aktion „Grabe, wo Du stehst" sehr viel zum Bewußtsein in der Arbeiterschaft beigetragen hat und daß wir seither erst die aktive Mitarbeit und das aktive Mitdenken feststellen können. Gottfried: Bei gemeinsamen Beratungen, bei denen schon ein großer Interessentenkreis anwesend war und der geschäftsführende Steyrer Bürgermeister Heinrich Schwarz den Vorsitz innehatte, 17
wurde die Landesausstellung 1987 vereinbart und dann auch eine Besichtigung des Wehrgrabens vorgenommen. Hier wurde übereinstimmend festgestell t, daß die Gebäude der ehemaligen HackWerke für ein Museum besonders geeignet wären. Erich: Es gab dann wirklich sehr konkrete Verhandlungen mit der Stadt Steyr, dem Bundesdenkmalamt und der Kulturabteilung des Landes . Das war im Februar 1984 und von uns waren Kurt, Gottfried und ich dabei . Bei dieser Sitzung wurde jedenfalls vereinbart, daß der Verein die Hack-Werke aus der Konkursmasse ersteigern solle und daß das Land Oberösterreich, die Stadt Steyr und der Verein je ein Drittel des Versteigerungsbetrages aufbringen. Für den yerein übernahmen die Arbeiterkammer Oberösterreich und der 0GB die Belastung. Gottfried: Der Vereinsvorstand hat dann am 13. April 1984 beschlossen, einen Teil des Hack-Werke-Areals zu erwerben. Nach diesem Beschluß wurden Gespräche mit dem Masseverwalter geführt, der versprach, die Versteigerung bis November zu betreiben. Die Versteigerung fand aber erst am 13. März 1985 statt. Erich: Die Stadt Steyr hat sich dann bereit erklärt, eine erste Kos tenschätzung für die Sanierung unseres Gebäudes durchzuführen. Die Bauabteilung von Steyr ist damals auf einen Be)rag von acht Millionen Schilling gekommen. Gleichzeitig hat die Stadt den Wunsch vorgetragen, die Planungsgruppe Wehrgraben, es waren dies die Architekten Dipl.-Ing. Stelzer, Hutter und Falkner, die für die Gestaltung des ganzen Wehrgrabens zuständig waren, vom Verein mit den Sanierungs- und Umbauarbeiten zu beauftragen. Gottfried: Wir waren damit einverstanden, und das Engagement der Architekten und die Zusammenarbeit beweisen, wie sehr sich unsere Ansichten mit den ihren decken. Dies bei der Landesregierung durchzusetzen gelang rasch. Schwieriger war dies schon mit dem Ausstellungsgestalter. Erich: Es hat sich sehr bald eine zentrale Frage herausgestellt: Wer realisiert das wissenschaftliche Konzept? Den traditionellen Ausstellungsgestaltern trauten wir das keinesfalls zu, nachdem es ein besonderes Anliegen war, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Das verlangte auch ein völlig neues Ausstellungskonzept. Joe: Das Problem war nur, daß die Kulturabteilung des Landes aus Einsparungsgründen andere Vorstellungen hatte. Erich: Sehr lange gab es Diskussionen, wer denn als Innenarchitekt für die Landesausstellung in Frage käme. Es wurde zuerst von uns die Kunsthochschule der Stadt Linz ins Gespräch gebracht, die ~.ber dann aus Termingründen ablehnte. Im Juni 1982 war der OGB-Landesbildungsausschuß auf einer Arbeitstagung in Wien, und dort lernte Gottfried und ich den Bühnenbildner Hans Hoffer kennen. Er hatte schon mehrere Ausstellungen gestaltet. Wir 18
schlugen ihn der Landes-Kulturabteilung vor, und es gab Schwierigkeiten. Joe: Durch die Vorsprache einer Delegation unter Führung des Obmannes , Univ.-Prof. Karl Stadler, konnte der Landeshauptmann von unserem Vorschlag überzeugt werden. Erich: Noch einmal hat sich eine größere Barriere ergeben: Als die Planungsgruppe Wehrgraben einen detaillierten Kostenvoranschlag vorlegte, der einen Aufwand von 42 Millionen Schilling auswies. Da ist unser ursprünglicher Finanzierungsplan zusammengebrochen und die Verwirklichung der Idee wieder in weite Feme gerückt. Gottfried: Dieser Betrag betraf nur die Sanierung und den Umbau des Gebäudes . Erfreulicherweise erklärte sich aber der Landeshauptmann bereit, 20 Millionen Schilling zu übernehmen sowie die gesamten Kosten der Landesausstellung. Erich: Der Verein setzte dann einen Planungsausschuß ein, der die strategischen Vorüberlegungen und Planungen durchführte. Ein weiterer Durchbruch ist dann am 20. März 1985 bei einem Gespräch mit Minister Dr. Fischer gelungen, bei dem Bürgermeister Schwarz, Magistratsdirektor Knapp, Gottfried und ich vorsprachen. Wir erinnern uns noch sehr genau an den ersten Schock, als die zuständigen Beamten für uns 200.000 Schilling als Subvention anboten. Erst als der Minister in letzter Minute zu diesem Gespräch dazugekommen ist, wurde vereinbart, daß fünf Millionen Schilling für das Museum Arbeitswelt abgezweigt und in zwei Jahresraten zur Verfügung gestellt würden. Gottfried: Schon am nächsten Tag verhandelten wir mit Bürgermeister Schwarz in Steyr, und auch er konnte uns fünf Millionen Schilling in zwei Jahresraten zusagen . Das Land Oberösterreich hatte zwar 20 Millionen Schilling zugesagt, aber in fünf Jahresraten, so daß eine Vorfinanzierung notwendig war. Erich: In dieser Zeit ist Koll. Attila Horvath zu uns gestoßen und hat uns über die Möglichkeiten der Aktion 8000 und des Akademikertrainings informiert. Wir haben sofort ein Gespräch bei Minister Dallinger angemeldet, das sehr schnell zustande kam. Minister Dallinger hat rasch den Auftrag gegeben, alle Möglichkeiten auszuschöpfen. Nachdem mit diesem Museum auch ein Teil der österreichischen Sozialpolitik erstmals dokumentiert werden soll, war auch die politische Argumentation zur Unterstützung unseres Projektes leicht zu führen . Gottfried: Am 13. März 1985 fand im Bezirksgericht Steyr die Versteigerung der Hack-Werke statt. Ich vertrat damals den Verein und konnte als alleiniger Bieter das Gebäude Gaswerkgasse 1/3, Steyr, ersteigern. Der Vereinsvorstand konnte am 24. Juni 1985 den Baubeginn beschließen . 19
Gottfried Haider Zeittafel 1979 August November 1980 Jänner April bis Oktober 1981 Jänner März April 1982 März November 20 Studienreise der Gewerkschaftsschulen Linz und Traun nach England. Besichtigung der 'Arbeitsmuseen in Coalbrookdale. - Diskussionen über die Notwendigkeit eines thematisch ähnlichen Museums. Beschluß einer Resolution : Die ÖGB-Landesexekutive möge mit dem Ersuchen an die Landesregierung herantreten, ein Museum der Arbeitswelt zu errichten. Antwortschreiben von Landeshauptmann Doktor Josef Ratzenböck : Unterstützung durch 50 Prozent der Errichtungskosten, wenn ein eigener Verein die Trägerschaft übernimmt. Diskussion und Kontaktgespräche über eine Vereinsgründung. Zusammentritt eines Proponentenkomitees zur Errichtung eines Vereins. Diskussion über den 1: Entwurf der Satzungen und Namen des Verems. Genehmigung der Vereinssatzungen durch die Sicherheitsdirektion für Oberösterreich (Vereinsbehörde). Konstituierung des provisorischen Vereinsvorstandes. Obmann: Präs. Sepp Schmid!, Geschäftsführer : Gottfried Haider Gründungsversammlung des „Vereins Museum Arbeitswelt" . Obmann: Präs. Sepp Schmid!, Geschäftsführer: Gottfried Haider. Der ÖGB-Bildungsausschuß beschließt eine Resolution an die oö. Landesregierung mit dem Ersuchen, eine der nächsten Landesausstellungen dem Thema „Industrielle Arbeitswelt" zu widmen.
1983 Juni Juli November 1984 Februar April Juli November Vorsprache einer Delegation des Vereins Museum Arbeitswelt bei Landeshauptmann Dr. Josef Ratzenböck. Der Landeshauptma~n beauftragt die Kulturabteilung des Landes 00. , zu überprüfen, ob 1987 eine Landesausstellung dem Thema Arbeitswel t gewidmet werden könne. Univ.-Prof. Dr. Rudolf Kropf wird vom Verein beauftragt, ein Museumskonzept auf wissenschaftlicher Basis zu erstellen. Gemeinsame Beratungen der Interessenten: Land Oberösterreich, Stadt Steyr, Verein Museum Arbeitswelt, ÖGB. Die Landesausstellung wird für 1987 vereinbart. Der Verein Museum Arbeitswelt ist bereit, einen Teil der ehemaligen Hack-Werke im Steyrer Wehrgraben zu kaufen . Land Oberösterreich, Stadt Steyr und Verein übernehmen je ein Drittel der Kosten. Der Vereinsvorstand beschließt, einen Teil der Hack-Werke zu kaufen . - Hauptversammlung mit Neuwahl: Obmann: Univ.-Prof. Dr. Karl Stadler; Geschäftsführer: Gottfried Haider. Vorstellung des Museums- und Ausstellungskonzeptes durch Univ.-Prof. Dr. Rudolf Kropf. Die Planungsgruppe Wehrgraben , das Architektenteam Stelzer / Hutter / Falkner wird mit der Neugestaltung und Planung des Museums beauftragt. -1-L \(JJ@L~Il U/i , ~-sw ~v/ . ~7\ ~(_ll) V--- 21
1985 Jänner März Mai Juni Oktober November 1986 Juni 22 Die Planungsgruppe Wehrgraben legt eine detaillierte Kostenschätzung über die Sanierung und den Umbau vor: 41 ,5 Millionen Schilling. Versteigerung der ehern. Hack-Werke am Bezirksgericht Steyr. Der Verein Museum Arbeitswelt erwirbt um den Betrag von 675.000 Schilling die Liegenschaft Gaswerkgasse 1/3. - Zusage des Landeshauptmannes: 20 Millionen für den Umbau in fünf Jahresraten und die gesamten Kosten der Landesausstellung werden vom Land Oberösterreich übernommen. - Verhandlungen im Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung. Minister Dr. Fischer bewilligt fünf Millionen Schilling in zwei Jahresraten. - Verhandlungen mit der Stadt Steyr. Bürgermeister Heinrich Schwarz sagt fünf Millionen Schilling in zwei Raten zu. Die Architekten stellen die Gebäudemodelle vor. Das Sozialministerium unterstützt das Projekt durch den Einsatz von Arbeitskräften aus der Aktion 8000. - Bühnenbildner Hans Hoffer wird als Ausstellungs- und Museumsgestalter bestellt. Der Verein kauft den größten Teil der Maschinen und Werkzeuge der Hack-Werke auf und führt sie selbst einer Verwertung bzw. Verschrottung zu. Der Vereinsvorstand beschließt den sofortigen Baubeginn für das Museum. - Gottfried Haider wird zum Obmann-Stellvertreter und geschäftsführenden Obmann gewählt , Mag. Udo Wiesinger zum Geschäftsführer bestellt. Außerdem werden ein Leitungs - und ein Bauausschuß eingesetzt. Beginn eiper Bausteinaktion in Zusammenarbeit mit dem 0GB zur Unterstützung des Projektes. Bühnenbildner Hans Hoffer präsentiert das Ausstellungsmodell in Steyr. Hauptversammlung mit Neuwahl: Obmann: Univ.- Prof. Dr. Josef Weidenholzer; Geschäftsführer: Mag. Udo Wiesinger. Planmäßiger Baufortschritt. - Voraussichtliche Eröffnung des Museums durch die oberösterreichische Landesausstellung im April 1987.
Ansprüche und Konzepte für ein Museum neuer Art Gerhard Pfeisinger Im Museum ist alles Geschichte Zwischen Kultur und Konsum Man muß das Vo lk vor sich selbst erschrecken lehren, um ihm Courai e zu machen. Karl Marx, Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie Kaum ein Museum hat die Chance, mit einer großen Ausstellung seine Entstehung anzukündigen und seine Bemühungen um neue Formen und Inhalte vorzustellen. So fragwürdig historische Großausstellungen auch als gigantische Kultur-Shows sein mögen, ziehen sie doch zumindest kurzfristig das öffentliche Interesse für geschichtliche Themen an und bringen innerhalb kurzer Zeit eine ungeheure Masse von Besuchern mit Geschichte in Berührung. Die Zeit nach der Ausstellung wird schwieriger werden. Der heiligen museologischen Dreiheit des „Erfassens-Erschließens-Erhaltens" wird sich auch das „Museum Arbeitswelt" trotz neuer, interpretierender Raumkonzeptionen nicht entziehen können. Zeigbare Objekte muß es auch weiterhin geben. Es muß sich auch ständig mit der Darstellbarkeit von hisorischen Entwicklungen auseinandersetzen, die der gesellschaftlichen Totalität Rechnung tragen, und damit auch dem komplexen Bereich der Kultur- und Bildungsarbeit neue Dimensionen abgewinnen: Das Museum als „Lernort" zu verstehen, mit dem Ziel, die erwähnte museologische Dreiheit in Richtung „Erklären" oder „Erarbeiten" zu durchbrechen oder - komplizierter, aber umfassender ausgedrückt - sie im aufklärerischen Sinn und in emanzipatorischer Absicht zu erweitern. Im folgenden soll die bisherige kulturkritische und wissenschaftliche Diskussion zusammengefaßt und für das „Museum Arbeitswelt" nutzbar gemacht werden. 23
Geschichte und Kultur In den letzten Jahren wurde in Österreich beinahe nichts unversucht gelassen, uns mit Geschichte, der unseres Landes und seiner großen Persönlichkeiten, vertraut zu machen. Dabei haben sich Großausstellungen als besonders erfolgreich in den Bemühungen erwiesen, uns Vergangenes nahezubringen. Kaum ein Jubiläum wurde übersehen, kaum eine dominierende Persönlichkeit ausgelassen (Maria Theresia, Erzherzog Johann, Prinz Eugen), und es wurden keine Kosten und Mühen gescheut, uns die Bewunderung schöner und einzigartiger Objekte (,,Traum und Wirklichkeit" ) zu ermöglichen. Man hat sich offenbar wieder stärker daran erinnert, daß Geschichte auch etwas mit der Gesamtkultur einer Gesellschaft zu tun hat. Die angestrebte Popularisierung von Geschichte hatte (und hat) aber wenig mit der Verbreitung von historischem Wissen zu tun, als vielmehr mit der Verfestigung eines monumentalistischen Geschichtsbildes , das die Aktualisierung von Geschichte und ihren Bezug zur heutigen eigenen Lebenswelt ausklammert. Durch die fast ausschließlich objektbezogene Struktur der Großausstellungen entsteht ein Panoptikum der Außerordentlichkeit, eine Verherrlichung von Zeitdokumenten oder schönen Gegenständen, die sowohl falsche Nähe (Zurschaustellung persönlicher Gegenstände eines Herrschers) als auch falsche Distanz (Abtrennen früherer Herrschaftsformen von heutigen) vermittelt. Der Warenhauscharakter dieser Ausstellungen, deren Angebot für jeden etwas Passendes verspricht (von Schlachten bis Schmuck), macht dem Konsumenten vor, daß alles für sich selbst spricht, daß die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit weder Anstrengung noch Wissen erfordert. Erfreulicherweise hat es in letzter Zeit auch Ausstellungen gegeben, die die herrschende Praxis zu durchbrechen versuchten und vor allem mit zeitgeschichtlichen Themen (,,Die Kälte des Februar") die Auseinandersetzung um ein kritisches Geschichtsbewußtsein förderten. Doch trotz dieser neueren Konzeptionen bleibt die Forderung nach wie vor bestehen, mit der kulturellen Hinterlassenschaft vergangener Lebenssituationen nicht nur beschreibend bzw. herzeigend umzugehen, sondern sie vielmehr kausal im aufklärerischen Sinn in unseren Lebenszusammenhang zu integrieren. Gerade ein neues Museum, das sich noch dazu als Schwerpunkt die Arbeitswelt gesetzt hat, kann sich dieser Forderung nicht entziehen. Seit der Übernahme der fürstlichen Sammlungen durch die Öffentlichkeit sind Museen zu einem Kulturgut der besitzenden 24
und gebildeten Allgemeinheit geworden. Eng mit einem auf Vernunft und Autonomie begründeten Individualismus verbunden, entwickelte sich das Museum zu einer elitären Institution der bürgerlichen Gesellschaft ohne eine lebenspraktische oder erkenntnisnahe Bedeutung für das Publikum erkennen zu lassen. Kultur, auch Museumskultur, wurde fortab zu etwas Wertvollem, gleichsam über der Gesellschaft Stehendem hochstilisiert. Da Kultur etwas Besonderes, Überhöhtes ist, kann natürlich nicht jeder daran teilhaben. Die Forderung, die die herrschende Einheit von Besitz und Bildung ausgegeben hat, läßt sich etwa so umreißen: Nur wer Bildung hat, kann sich Kultur aneignen , und nur wer Kultur hat , wird die Objekte im Museum verstehen können! 25
Dieser Zusammenhang zwischen Bildung und Kultur bedeutet, daß nur jemand, der im Bildungssystem auf Geschichte in einer bestimmten und ausreichenden Weise vorbereitet wurde, sich die Objekte einer Ausstellung oder eines Museums „sinnvoll" aneignen kann. Diesen Zusammenhang bestätigen auch Statistiken, wonach der Hauptanteil der Museums- und Ausstellungsbesucher (bis zu 85 Prozent) aus der schmalen Schicht der Bildungselite (acht Prozent der Bevölkerung) stammen (!FES-Studie 1975). Auch der gigantische Medieneinsatz für Großausstellungen hat daran nichts wesentlich geändert. Die auch noch so großen und ehrlich gemeinten Bemühungen, durch verschiedene attraktive Angebote, Großausstellungen und Museen für breitere Teile der Bevölkerung zu öffnen, sind bisher in eine falsche Richtung gegangen. Massenbesuch von Ausstellungen heißt noch lange nicht Teilnahme der Massen an kulturellen Aktivitäten. Ebensowenig sind Museen (auch das „Museum Arbeitswelt" kann sich nicht ausschließen) demokratische Inseln, die unabhängig vom Bildungssystem und dem herrschenden Kulturbegriff den Zugang zu kulturellen Institutionen prinzipiell erleichtern können. Eine gewisse Schwellenangst und verschiedene Berührungsängste sind auch nicht durch die Schaffung neuer Museen mit neuen Inhalten abzubauen. Hier stehen wir erst am Anfang einer langfristigen qualitativen Breitenarbeit. Die Forderung sollte nicht in die Richtung der Erweiterung des Museums für alle gehen, sondern es sollte gegen den elitären Anspruch nutzbar gemacht werden. Das „neue" Museum ist gesellschafts- und praxisbezogen zu machen, in dem Sinne, daß Lernprozesse initiiert werden, die helfen, Fremdbestimmung und Abhängigkeiten zu erkennen und durch Lernleistung Veränderung der eigenen Situation zu bewirken. Geschichtsvermittlung In vielen Bereichen des alltäglichen Kommunikationsfeldes sind konstante Erwartungen und Fragehaltungen gegenüber der Geschichte festzustellen, in denen eine Art vorwissenschaftliches Geschichtsbewußtsein aufbewahrt wird. So wie eine Gesellschaft ohne Geschichte nicht denkbar ist, so hat auch der einzelne das Bedürfnis, sich in Raum und Zeit zu orientieren und Identitäten zu finden. Das kollektive wie das individuelle Erinnerungsvermögen sagen viel über den Zustand einer Gesellschaft aus. Doch das hat noch wenig damit zu tun, was vorrangig Aufgabe der Geschichtswissenschaft ist und was man allgemein als das Aufspüren von Sinn- und Bedeutungszusammenhängen von Gegenwart und Vergangenheit nennen kann. Erst der strukturelle Zusammen26
hang zwischen individueller Lebensgeschichte, den Interessen und Erwartungen, und historischen Prozessen kann überhaupt zu einer historischen Identitätsbildung führen. Gerade Ausstellungen und Museen können die Möglichkeiten anbieten, solche Identitäten zu finden und den Mangel an Geschichtsbewußtsein zumindest ansatzweise beseitigen helfen. Mit diesem Angebot , Geschichte anschaulich zu vermitteln, haben aber gerade Historiker die größten Schwierigkeiten, obwohl es allgemein als ein wichtiges Aufgabengebiet erkannt wird. In Ausstellungen reduziert sich der Anspruch der „historischen Wahrheit" auf Zeigbares. Die „Versinnlichung" von Geschichte, die Visualisierbarkeit auch noch so komplexer Prozesse und Zustände sind oberstes Gebot. Dadurch ist eine Ausstellung ständig der Gefahr ausgesetzt , entweder zu viel an historischem Wissen vorauszusetzen oder zu verkürzen, zu verzerren; das dadurch, daß die Gestaltung den Schwerpunkt der Vermittlung auf sinnlich schnell und einfach Wahrnehmbares verlagern muß. Eine Dampfmaschine zu zeigen, um damit den Zusammenhang von technischem und gesellschaftlichem Fortschritt zu demonstrieren, ist noch relativ einleuchtend. Aber wie soll man, au sg:ehend vom Symbol der Fabriksuhr, klarmachen, wie umfassend sich die sozialen Beziehungen, die Einstellung zur eigenen Arbeits- und Lebenssituation, der Normen und Werthaltungen in der industriellen Revolution geändert haben? In Ausstellungen und Museen haben wir es nicht mit einem geschlossenen Lernort wie der Schule zu tun. Die Verweildauer bei den Objekten und in den Räumen ist relativ kurz, so daß eine bewußtseinsbildende Verarbeitung sehr unwahrscheinlich ist. Eine Ausstellung ist eher ein Durchgangsort, der nicht vordergründig als Ziel die Lernerfahrung und den Erwerb zusätzlichen Wissens haben kann. Und die Museumspädagogen können auch nicht eine Ausstellung zur Gänze didaktisieren. Erfahrungsgemäß liegen beim Ausstellungs- und Museumsbesuch der Informationswert und der Unterhaltungswert eng beieinander. Auch dem Aspekt gängiger Wahrnehmungsgewohnheiten muß Rechnung getragen werden. Das Schlendern von Gegenstand zu Gegenstand kann am ehesten mit „kulturellem Window-Shopping" (H. Treinen) umschrieben werden. Das müßige Betrachten ist keine gezielte Informationsaufnahme, sondern eine entspannte und spielerische Art der Betätigung, die zwar geistig anregend ist, aber meist bald vergessen wird. In der Spannung zwischen dem Auftrag der Geschichtsvermittlung und Wahrnehmungspraxis in Ausstellungen stellt sich für den Historiker das Problem, einen Ansatz für die erwähnte Identitätsbildung zu finden . Die Vorbedingung hiefür ist nicht nur die Verfügbarkeit und 27
Honore Daumier: Ausstellungsraum. Geschlossenheit der vermittelten Geschichte, sondern auch einem Bedürfnis entgegenzukommen, das nach der Sicherheit und Verläßlichkeit der Geschichts- und Weltbilder strebt. Bewußt offen gelassene Lücken und Schwierigkeiten der Forschung oder der Interpretation haben kaum einen Platz, obwohl sie viel zum Verständnis der Entstehung von Geschichtsbildern beizutragen hätten. Auch durch Verblüffung zu interessieren, durch sensationelle Enthüllungen zu imponieren, sind als Stilmittel zwar gängig, aber nichtsdestoweniger fragwürdig, da sie den Warenhauscharakter der Ausstellung nur bestätigen. Irritation und bewußte Verfremdung, der spielerische Umgang mit Geschichte, sind oft nur für eine Minderheit verständlich . 28
Einen Lernprozeß auf der Grundlage historischer Identität kann man also nur auslösen, wenn die dargestellten Inhalte auf einen bestimmten Grad der Vertrautheit und Erfahrungsbezogenheit aufbauen. Nur wenn Betroffenheit die Konflikte und Widersprüche der Vergangenheit in Bezug zur heutigen Gesellschaft setzen kann, ist eine aktive Auseinandersetzung trotz passivem Wahrnehmungsverhalten erfolgreich. Die geforderte „Versinnlichung" und „Verlebendigung" von Ausstellungen und Museen bezieht sich nicht nur auf die Inhalte und die Form der Geschichtsvermit~_lung, sondern weist auch auf die in ihr möglichen Ansätze zur Uberwindung bestehender Gesell - schaftsstrukturen. Konkret heißt das, daß die Aufstellung alter Geräte und Maschinen nichts nützt, wenn nicht die damit verbundenen vielfältigen gesellschaftlichen Beziehungen ihrer Entstehung und ihres Gebrauchs vermittelt werden. Die Darstellung von Verelendung und Kinderarbeit erschüttert zwar, vermittelt aber nicht durch sich selbst die sozialen Verhältnisse, durch die sie entstanden sind. Lernprozesse können also nur dann entstehen, wenn die vermittelten historischen Inhalte nicht nur handhabbar für das Verständnis, sondern auch für die Lebenspraxis sind. Diese Forderung betrifft die Auss tellungsgestalter im gleichen Maße wie die Historiker und Museumspädagogen. Geschichte und Freizeit Man muß sich darüber im klaren sein, daß eine Ausstellung oder ein Museum nicht allein ein Laboratorium für gesellschaftliche Utopien sein kann. Die Realität sieht doch anders aus. Die Motive für einen Ausstellungsbesuch liegen fernab von der Erwartung eines Lernortes. Im Vordergrund steht meist nicht die Erkenntnis der Vergangenheit, sondern die Bereicherung der gegenwärtigen Existenz im Sinne von Unterhaltung und Freizeitgestaltung. Entlastung vom Alltag, Abwechslung und Bereicherung, Nährboden für Erlebnisse oder Erlebnisersatzstoffe sind wohl die häufigsten Motive für einen Ausstellungsbesuch. Im Museumsbesuch, der auch „Spaß" machen soll , verwischen die Grenzen zwischen Kultur und Unterhaltung: Man sieht die „Welt der Geschichte" wie die „Welt der Tiere" im Fernsehen, man konsumiert ein statisches oder halbmechanisiertes Spektakel in einem historischen ,,Holiday-Park". Die Devise lautet: ,,Massenkonsum in der Freizeitgesellschaft"! Hat der elitäre Kulturanspruch des Museums den unmittelbaren Nützlichkeitsaspekt außer acht gelassen, so wird mit der neueren Entwicklung der Großausstellungen eine kommerzielle Verwertung angestrebt. Geschichte wird in einem zunehmenden Maße 29
verdinglicht und rückt in die Nähe der Warenästhetik. Sie dient zur Aufwertung, als Lieferant für Zugehörigkeitssymbole in Werbung, Gastronomie und Tourismus. Welche Stadt, in der eine Großausstellung stattfindet, wird nicht mit den Motiven „Kultur, Freizeit, Geschichte" werben? Auch die direkte Vermarktung von Geschichtssymbolen, auch der Arbeiter- und Industriekultur, hat schon lange begonnen. Das Angebot reicht von Plakaten, Münzen, Postkarten bis Bücher u. v. a. m. Ob sich das Museum Arbeitswelt diesen Vermarktungstendenzen entziehen kann, bleibt abzuwarten. Im besten Fall wäre dem Museum eine Symbolaneignung zu wünschen, wie es kolumbianische Guerilleros im Jahre 1980 vorexerzierten, die den Degen des Befreiungskämpfers Simon Bolivar aus einem Museum stahlen und verlauten ließen: ,, Bolivar, dein Schwert greift jetzt wieder ins Kampfgeschehen ein!" Doch in unseren Breiten droht eher die bittere Umkehrung, daß nämlich Kulturarbeit zu einem Polttikersatz degeneriert. Ist der Alptraum, ein freizeitgerechtes Museum für den freigesetzten Arbeiter zu machen, heute so unrealistisch geworden? Gerade ein Museum Arbeitswelt darf und kann kein antiquarischer Rückzugsort sein, sondern soll unablässig seinen politischen Anspruch betonen und wenn möglich durch begleitende Veranstaltungen oder Institutionen absichern. Daß im Steyrer Wehrgraben ein Museum industrieller Arbeitswelt entsteht, hängt kaum mit der Musealisierung menschlicher Arbeit als einer mehr oder weniger abgeschlossenen Epoche der Mensch30
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