die Psychologie und die tiefenpsychologischen Hermeneutik wichtig, dazu die neuen emanzipatorischen Formen der Kommunikation, ers te Ansätze zur Überwindung der Geschlech terpolarität, der Rollentypologie und Impulse zur Emanzipation der Frauen, zudem der Be ginn der Befreiung im Bereich der Sexualität, ihre Besprechbarkeit und die enorme Wirkung der Pille als erstmalige sichere Möglichkeit der Frauen, sich sexuell selbst zu bestimmen. Im Hintergrund waren weiters der entstehende Wohlstand, die Mobilisierung der Bevölkerung, die Arbeitskräftemigration, die beginnende Pluralisierung der Mode, der Wohnkultur und die Individualisierung der Lebensformen. Beweglichkeit und Aufbruch in allen Bereichen Beweglichkeit und Aufbruch also in allen Be reichen. Darauf musste fast zwangsläufig eine neue Form der kirchlichen Jugendseelsorge entstehen. Dazu kam als urbaner Hintergrund, dass es damals in Steyr für die aufbrechende, kreativeJugend kaum interessante öffentliche Begegnungsmöglichkeiten gab. Neben verein zelten Jugendgruppen in den Pfarren gab es in Steyr nur zwei Discos, eine in der Berggas se, in die ein anständiger junger Mensch nicht hineinging, und die besuchbare Hechtendie le, dazu noch den Ratsherrnkeller. Es gab die kaum bekannten Roten Falken und die damals noch ziemlich militärisch auftretenden Pfad finder. In dieser noch etwas dürftigen Szene erregte das begeisterte Jugendzentrum Auf merksamkeit und enorme Anziehungskraft. Als Franz Haidinger 1966 auf die Ennsleite kam, habe ich mich aufgrund der Begeiste rung meiner älteren Schwester für ihn sofort ihm angeschlossen. Er war der neue, moderne Typ des Priesters ohne Priesterkleidung. Auf einer Bergwoche feierten wir um einen Tisch herum, auf dem das rote Bergsteigerseil lag, Gottesdienst, Franz Haidinger ohne Messge wand. Für damals keinesfalls erlaubt. Dazu meinte er: „Wenn das der Bischof erfährt, wirft er mich raus!" Direkt ging er auf uns Jugendli che zu, interessierte sich für uns und hörte uns in zuweilen langen Gesprächen zu. Hunderte Stunden war ich in den fünf Jahren 1966-1971 in seinem kleinen, 12m^ großen Zimmer und konnte all meine Gedanken und Ideen mit ihm besprechen. Auch bei Helga VoitI war ich oft zum Gespräch. Dieses Bei-den-Jungen-Sein war das Anziehende. Zugleich war er in diesen Gesprächen immerzu motiviert, uns mit Jesus und dem Evangelium in Kontakt zu bringen. So rutschen wir nicht in eine Banalität oder in die beginnende Konsumgesellschaft, viel mehr wurde unser Leben, unsere Persönlich keit durch die Schnittstellen mit der Religion größer, bedeutsamer und in einen für uns als Jugendliche erst allmählich wahrnehmbaren Horizont der Transzendenz aufregend einge bettet. Die Übersetzung der biblischen Bot schaft in die Gegenwart jugendlichen Lebens war das spirituell Bewegende. Nicht minder wichtig waren die Kontakt möglichkeiten zwischen Jungen und Mäd chen. Eros und Religion gingen im EID enge Verbindungen ein, was sich dann auch im wei teren Leben der jungen Kapläne zeigte. Das fundamentale Bedürfnis nach Begegnung in allen ihren Formen war sicherlich ein Haupt motiv ins FlO zu kommen. Dort aber blieb es nicht nur bei den Begegnungen, Bildung er eignete sich, persönliche, religiöse, kultu relle, politische und praktische Bildung. Die Verbindung mit der kulturell aufgebrachten Szenerie evozierte zudem ein Größen-Ich, das die Welt verbessern wollte. Diese ungestüme Idee der Weltverbesserung wurde zur DNA der FlO-Leute. Wir empfanden uns als kirchli che und gesellschaftliche Avantgarde in Steyr und waren es auch. Und diese DNA ging vielen von uns nie mehr verloren. Sie ist wirksam bis heute. Viele Ehemalige, fast alle, sind an den verschiedensten sozialen, kulturellen, ökolo gischen, politischen und kirchlichen Orten und Einrichtungen engagiert.
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