Kein Thema war damals (um 1970) der Nati onalsozialismus, genauer gesagt die Themen „Verfolgungund Widerstand"samt dem mons trösen Holocaust. Und auch der Umweltschutz wurde erst ein paar Jahre später mit dem Be richt für den Club of Rome und der ersten Erd ölkrise in seinen Anfängen aktuell. Politisch links? Bleibt zum Abschluss noch die Frage: Was bedeutet - biblisch fundiert - für mich der Be griff „politisch links"? Erster Anker dafür ist der biblische Schöp fungsbericht, nach dem Jahwe den Menschen nach seinem Bild geschaffen und ihm damit eine umfassende Würde mitgegeben hat. Wenn wir dann die Befreiung aus der ägypti schen Sklaverei und den Bund von Sinai, der sich darauf beruft, als Beginn einer Befreiungs- und Freiheitsgeschichte lesen, die in Jesu Tod und Auferstehung ihren Höhepunkt erreicht, dann kann nur die umfassende Wür de des von Gott geschaffenen Menschen das Ziel politischen Handeins sein. Diese Würde umfasst die Teilhabe aller an den politischen EntScheidungsprozessen und ihren gleichbe rechtigten Zugang zu den Früchten des Wirt schaftens, zu Gesundheit, Bildung und Kultur. Die ursprüngliche Überschrift über diesem Kapitel lautete „Weltverbesserer". Nachdem ich dafür, z. B. von meiner Tochter Lydia, sehr skeptische Reaktionen geerntet hatte, habe ich mich für den jetzigen entschieden. Jetzt sagt mir mein Freund Sepp Kroiss: „Der alte Titel wäre der bessere gewesen, weil er unsere damalige Stimmung präzise getroffen hat. Ja, die Weltverbesserung verstanden die politisch Wachen und Bewussten als ihren zentralen Auftrag. Die Welt brauchte dringend eine Ver besserung, sprich: mehr Gerechtigkeit, und sie schien uns auch möglich." Von der realen Politik in Europa befassten wir uns kaum, nur Willy Brandts Entspan nungspolitik habe ich damals wahrgenommen, und auch die lautstarken, teils auch unflätigen Widerstände aus den selbsternannten „christ lichen" Parteien. Die erste Regierungserklärung Bruno Kreiskys 1970 habe ich im Radio gehört, und sie war für mich eine einzige Enttäuschung. Denn al len Erstes hatte ich eine flammende Revoluti onsrede erwartet. Stattdessen sprach Kreisky länger als eine Stunde über all die Reformvor haben seiner neuen Regierung, unter denen ich mir überhaupt nichts vorstellen konnte. Alle damaligen Freunde und Gefährten, mit denen ich heute noch Kontakt habe, beschei nigen mir, der poiitischeste Kopf (welch blöder Superlativ!) von uns ailen gewesen zu sein. Ja, stimmt wohl, aber das Leben wurde davon nicht leichter. Am Ende der Mittelschulzeit stand ich da mit meinem Kopf voller großar tiger Gedanken, hatte aber nicht die gerings te Ahnung, was ich jetzt mit meiner nahen Zukunft anfangen solite. Ich hatte eine solide kaufmännische Ausbildung, die ich, weil sie mir spießbürgerlich erschien, gering schätz te. Ein kaufmännischer Beruf, den sich meine Eltern so sehr wünschten, bevorzugt bei einer Bank, kam für mich deshalb nicht in Frage. Also blieb nur ein Studium, unbedingt ein weit verbesserndes wie Journalismus oder Sozio logie, aber das musste ich mir selber verdie nen, von meinen Eltern konnte und wollte ich da nichts mehr erwarten. Ganz unmittelbar stand eine Entscheidung ohnehin nicht bevor, denn zuerst warteten ab Oktober sechs Monate Bundesheer auf mich, und dann würde sich schon etwas ergeben. Aber das ist eine andere Geschichte Der Text ist entnommen aus: Franz SteinmaBI, Mailner Jahre Eine Sazialgeschichte meiner Familie, Grünbach 2020,200-210, Zwischenüberschriften vom Herausgeber eingefügt. Franz SteinmaBI, Verleger des gleichnamigen Buch verlages in Grünbachbei Freistadt, im FlO 1970-1972 l-'riMZ Stcinimßi Mollner Jahre Eine SozialgeschichCe meiner Familie CM ^ CO ISJ OJ CO CM ^ £2 cip :S 22
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