Kernschichten, und unser Jungscharseelsor ger Joschi Zauner (bitte vor den Vorhang!) hat von seinen klerikalen Mitbrüdern sicher so manchen harten Vorwurf einstecken müssen, aber er hat sich vor die beiden gestellt. Auch die neu eingeführte Handkommunion begrüßten wir und lachten laut, als ein em pörtes Flugblatt auftauchte: und dann legt man den allerheiligsten Leib des Herrn in die schmutzigen Finger der kleinen Kinder und in die gelben Nikotinfinger der armen Süchti gen!" Am meisten, so denk ich mir, haben aber eh die Priester davon profitiert, denn bei der alten Mundkommunion taten sich ihnen oft genug alte Mäuler voller verfaulter Zähne und stinkendem Atem auf, denn Zähneputzen war damals noch keineswegs gang und gäbe. Jede Neuerungsbewegung arbeitet sich natürlich auch an dem Althergekommenen ab. Der Kern unserer Kritik war, dass der tra ditionelle Katholizismus sich allzu oft auf die Einhaltung formaler Vorschriften beschränkte und von einer christlichen Lebensweise weit entfernt war. Die Kritik von uns Jungen, pau schal und damit natürlich auch ungerecht, kristallisierte sich interessanterweise um die Frauen mit dem charakterisierenden Satz: „Am Sunnda in da Kircha tuats recht heilig, und unter der Wochn iss' die größte Bissgurn!" Insgesamt traut ich mich schon zu sagen, dass damals ein Schritt gemacht wurde von Eine-Religion-haben zu Gläubig-sein. Das äu ßerte sich z. B. auch darin, dass in den Got tesdiensten im kleinen Rahmen von uns erst mals auch persönliche Gebete und Gedanken formuliert wurden. Als ich das dann einmal während des Heiligen-Nacht-Betens im Fami lienkreis gemacht habe, hat Mutter das zwar gut gefallen, aber Vaters unausgesprochenen Widerwillen habe ich, übers Tischeck' herüber, fast körperlich gespürt. Das FlÜ-Jugendzentrum So vor- und aufbereitet bin ich dann mit meinen neuen Freunden ins FlO-Jugendzentrum in der jungen Pfarre Steyr-Ennsleite aufgebrochen. Die Organisationsform des Ju gendzentrums war damals noch ganz neu, sie lag außerhalb der üblichen Gliederungen, wie etwa der Katholischen Studierenden Jugend, und verkörperte eine neue Offenheit. Initiiert von den beiden Kaplänen Franz Haidinger und Josef Friedl, und besiedelt hauptsächlich von Schülern der HTL und Schülerinnen der HBLA, hatte sein Name schon eine interessante dop pelte Bedeutung. „Fio" ist einerseits lateinisch und heißt: „Ich werde", und genau das war das Anliegen der beiden Kapläne: Uns Jugendli chen Raum zum Reifen zu geben, mit dem Ziel eines mündigen erwachsenen katholischen Christen. Die zweite Deutung von FIO ist die Abkür zung des englischen „Future is ours", also „Die Zukunft gehört uns", und das war zweifelsfrei unser Selbstverständnis. Wir glaubten noch allen Ernstes, wir könnten die alte, vollgerümpelte Kirche hinter uns lassen, und die unge rechte Gesellschaft gleich mit, und wir könn ten sie bauen, die neue Stadt auf dem Berg, eine neue Kirche und eine neue Gesellschaft. Strukturiert war das FIO in Clubs, Gruppen von maximal zehn/zwölf Burschen oder Mäd chen, die ihre wöchentlichen Clubabende selbständig gestalteten. Der Name unseres sechs Burschen umfassenden Clubs war „Pro Nova", also „Für das Neue". Über das Clubleben hinaus gab es Vorträge, Konzerte und Partys, vor allem aber die legen dären monatlichen FlO-Messen, zu denen auch Jugendliche aus dem weiten Steyrer Umland und den Tiefen des Steyr- und des Ennstales anreisten. Wichtig für mich war jedoch, dass genau zu der Zeit, als wir ins FIO kamen, der Sepp Kroiss einen Arbeitskreis „Dritte Welt" initiiert hatte. Das war eine Abweichung vom FlO-Clubsystem, das keine thematische Fixierung kannte. Auslöser dafür war eine Kampagne des Öster reichischen Jugendrates für Entwicklungs hilfe mit dem Titel „Nicken Sie nicht - tun Sie was!" Der oberflächliche Aktionismus dieses Aufrufes hat mich nicht gestört, hat nieman19
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