Eine österreichische evangelische Parochie

20 weiten Entfernungen zum Pfarrort und was soll in der einen kurzen Religionsstunde wöchentlich, die der Pfarrer gleichzeitig an alle Kinder von der 1. bis zur b. Klasse in Waidhofen nur erteilen kann, viel erzielt werden? Der Religionsunterricht obliegt in den Stadtgemeinden, die keine konfessionellen Schulen haben, fast ausnahmslos dem Pfarrer. Evangelische Lehrer an öffentlichen Schulen, die ihn stellvertretend erteilen könnten, sind nur vereinzelt vorhanden und haben unter dem gegenwärtigen Regiment in Oberösterreich so gut lvie keine Aussicht, an denselben angestellt zu werden. Das ist die Parität bei uns. In Steyr ist gar kein evangelischer Lehrer an irgend einer der acht öffentlichen Schulen. Als Organist wirkt in unserer Kirche ein katholischer Lehrer. So must der Pfarrer die acht wöchent­ lichen Religionsstunden in Steyr und in Waidhofen erteilen. Die neueren Pfarren bei uns haben meist einen Unterrichtssaal eingebaut. Eine muntere, stattliche Schar eilt, leider meist zu ungünstigen Zeiten, weil die Stundenpläne noch zu wenig Rücksicht auf die entsprechende Eingliederung des evangelischen Unterrichtes nehmen, in das Pfarrhaus und gewinnt hier im engen Anschluß an Kirche und Pfarrer lvie im sorgfältigsten, wenn auch höchst mühsamen Unterricht evangelische Erkenntnis, evan­ gelische Zucht und Gemeinschaft. Wie schwierig ist doch dieser Unterricht in unseren Verhältnissen! Wie ungünstig liegen die Stunden! Um 11 Uhr vormittags oder um 4 Uhr nachmittags oder an den schulfreien Mittwoch- und Samstagnachmittagen muß er gegeben lverden. Müde von dem anderen Schulunterricht und dem weilen Weg von einzelnen Schulen zum Pfarrhaus erscheinen die Kinder. Es kann nicht mit dem Punkt begonnen und muß doch lvieder, lvenigstens vormittags, mit dem Glockenschlage geschlossen werden, damit die entfernt Wohnenden zur richtigen Zeit zu Tisch nach Hause und wieder in die Schule kommen können. Ja, in einigen Monaten des Jahres muß mit Rücksicht auf die weitabgelegenen Wohnungen eine eigene Suppenverköstigung für eine Zahl von Kindern in der Pfarre eingerichtet werden, ein Nachbild der biblischen geistlichen und leiblichen Speisungen durch den Herrn. Draußen gibt's drei, auch wohl vier Religionsstunden in der Woche, wir müssen mit zwei für jede Stufe haushalten; draußen beherrscht der Religionsunterricht das ganze Schulleben wie die Sonne, hier erhält er fast den Charakter eines Nebenfaches und erscheint manchem Kinde als lästige Zugabe; draußen beginnen und beschließen sie den Tagesunterricht mit evangelischem Sang und Gebet, hier müsien unsere Kinder Tag um Tag zum englischen Gruß mitanfstehen und entbehren der steten Anwendung unserer schönen Gebete; draußen sind sie Pollbürger im Schulhause, hier fehlt's nicht an mitunter recht bösen Dingen konfessioneller Gegensätzlichkeit. Und wie viele Beschränkungen im Stoff legen doch die Mißstände dem Lehrer auf, wo gerade in der Diaspora die gründlichste religiöse Erkenntnis vonnöten wäre! Wie oft hindern Zeitmangel und die anderen Schulpflichten int Verein mit den eigenen Mängeln des nicht int vollen, reichen evangelischen Leben stehenden Kindes die Vertiefung und allseitige Durchdringung des Stoffes! Ja die Mängel und Schäden der Kindererziehung ohne evangelische Schule liegen am Tage und schreien um Ab­ hilfe. Es ist der größte Notstand unserer Gemeinden, daß ihnen die Schulen abgehen. Der Lebensnerv ist ihnen damit fast zerschnitten und die traurigen Folgen wird die kommende Generation offenbaren. Erhaltet die evangelischen Schulen, baut neue und wendet ihnen die reichsten Mittel zu. Das ist die unablässig 51t predigende Pflicht. Der

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