Eine österreichische evangelische Parochie

16 Allerdings, daß unsere Toten auf dem von unseren protestantischen Vätern gegründeten Friedhof ruhen, erlaubt die herrschende Kirche nicht, seitdem derselbe in ihren Besitz gekommen ist. Als die neue evangelische Gemeinde sich bildete, erwarb der damalige Vorstand neben dem alten evangelischen Friedhof einen ebenso günstig gelegenen Acker, verkaufte ihn dann aber später unbegreiflicherweise an die jüdische Gemeinde. Die hernach rechtlich konstituierte evangelische Pfarrgemeinde mußte bei der katholischen vorstellig werden um Überlassung eines zum Friedhof geeigneten Grundes. Nach peinlichen Verhandlungen erlangte sie aber nur die Erlaubnis, auf einem von dem katholischen Friedhof durch eine Mauer getrennten Stück ihre Toten zu begraben. Das Eigentums­ recht behielt sich die katholische Gemeinde aber vor und ver­ weigerte auch die evangelische Einweihung wie die Errich- tungeinesKreuzifixes in mitten des Platzes. Unter diesen Um­ ständen gewährt der Friedhof der Evangelischen zu Steyr keinen trostvollen Anblick, viel­ mehr in seiner Dürftigkeit und Verwahrlosung den eines ech­ ten Diasporafriedhofes. Wir sind den steinernen Denkmälern der reformato- rischen Vergangenheit Steyrs nachgegangen und haben ge­ sehen : Auch diese Steine reden, wo andere schweigen. Was aber weiters über den Unter­ gang des Evangeliums in Steyr und Oberösterreich zu sagen ist, das ist geschrieben auf schreckensvollen Erlässen aus jener Zeit und zum großen Teil auf Urkunden blutiger Taten und grausamer, durch Jahrhunderte fort­ gesetzter Ketzerverfolgungen. Es kam die summarische Arbeit der Reformations- kommiffionen, die nur zwischen Auswandern oder gewaltsamer Bekehrung die Wahl ließen; es kam die Schreckensherrschaft eines Grafen Herberstorf und seiner Helfer; es kam das Reformationspatent vom 10. Oktober 1625, das folgendes gebot: 1. Alle protestantischen Prediger und Lehrer haben sofort das Land zu verlassen; 2. alle Einwohner haben nur dem katholischen Gottesdienste beizuwohnen; 3. die Erziehung der Kinder int evangelischen Glauben ist bei schwerer Strafe verboten; 4. die Aus­ wanderung ist allen gestattet, welche bis Ostern 1626 nicht zum katholischen Glauben zurückkehren. Wer nach Ablauf dieses Termins noch protestantisch sein will, muß das Land verlassen, zuvor aber das übliche Freigeld und von seinem Vermögen 10% Friedhofstor.

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