Eine österreichische evangelische Parochie

der zahlreiche wohlhabende Familien weggezogen waren, versetzten der meisterlichen Muse den Todesstoß?) Unsere letzte Umschau nach den Spuren der Reformation in Steyr mag uns auf die steile Höhe über Steyrdorf führen, wo sich der Friedhof am Tabor befindet. Selten darf sich eine Stadt eines so schön gelegenen Gottesackers rühmen. Weit über Berg und Tal bis in die schroffen Kalkwände des Hochgebirges schweift von da der Blick und unten zwängen sich die grünen Flüsse durch die altertümlichen Gassen der Stadt. Böhmische Krieger, die im Jahre 1468 der Edelmann Georg von Stain herbeigerufen, um die ihm von Herzog Albrecht verpfändete Herrschaft Steyr gegen den Kaiser Friedrich (1440—1493) zu behaupten, hatten auf dieser Hochebene ihr Lager und ihre Schanzen aufgeschlagen. Wie die Hussiten gerne ihren Ortschaften, namentlich auch dem Kriegslager, biblische Rainen zu geben pflegten, so hatten sie auch diesen Berg mit dem biblischen Namen Tabor genannt. Hundert Jahre später haben die Protestanten ein wahrhaftes Tabor daraus gemacht. Hier legten sie int Jahre 1584 den neuen Friedhof an und zierten ihn mit stattlichen Mauern, Arkaden und Erbbegräbnissen. „Ein gar schönes Werk, desgleichen an anderen Orten, auch in fürnehmen Reichsstädten wenig zu sehen ist; ist auch von Zeit zu Zeit inwendig mit schönen Epitaphiis und Gemälden von der Bürgerschaft geziert worden," schreibt darüber der gute Prevenhuber. Über die Eiugangspforte aber setzten sie die noch heute wohlerhaltene Inschrift (deutsch und lateinisch): „Bedenk, Mensch, daß wir sterblich sein; Du gehest für, aus oder ein. Glaube an Christum den Herrn, So wirst Du nit ewig sterben. Tausendfünfhundertachzigvier Baut die Steyrer Stadt das Schlafhaus hier." Biele protestantische Inschriften haben seinerzeit die Gräber geziert; noch Pritz, der Geschichtsschreiber der Stadt, las .1837 die schönen Worte, die ohne Zweifel aus den Meditationes sacrae (heilige Betrachtungen) des berühmten protestantischen Dogmatikers Johann Gerhardt stammen: Nostros non amittimus, sed praemittimus, non moriuntur, sed oriuntur; praecedunt, non recedunt; non obitus, sed abitus est; et eorum migratio est vitae iteratio. (Die Unsern verlieren wir nicht, voran senden wir sie; sie sterben nicht, sondern erheben sich; vorauf gehen sie, nicht zurück; kein Untergang ist's, sondern ein Aufgang: und ihr Fortziehen ein Wiederholen des Lebens.) Oftmals, weitn ich die Toten zu jener Höhe geleitete, ist mir der Vers aus dem bekannten, schlesischen Begräbnisliede in den Sinn gekommen: „9Zuit ist der Kreuzberg überstiegen, Mein Tabor hab' ich nun erlangt, Nachdem in schmerzlich langem Liegen Ich hingesiechet und gekrankt. Jetzt werde ich in einer Stund' Auf einmal frisch und ganz gesund." *, Vgl. Nagl und Zeidler, deutsch-österreichische Literaturgeschichte. Wien 1889, Hauplband, Seite 530 ff.

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