Anklageschrift gegen Alfred Engleder 1958

4 Am nächsten Tag verbarg er sich zunächst in einem Kornfeld, wechselte nachmittags die Kleider und versorgte sich bei einem Bauern mit Lebensmitteln. Am Abend des 16.6.1957 ging er nach Tern- berg, fuhr mit dem letzten Zug nach Kleinreifling, wo er in einer leeren Zugsgarnitur nächtigte. Am 17.6. morgens fuhr er mit dem ersten Zug nach Amstetten, kaufte sich der neue Kleider, sowie eine Mütze und Schuhe, wechselte das Hemd und fuhrweiter nach St. Pölten, wo er sich eine Landkarte erstand, da er eine Flucht in die tschechoslowakische Republik plante. Auf die Landkarte schrieb er den Namen: „R. Schädel“, unter welchem Namen er sich, nach geglückter Flucht ins Ausland auszugeben plante. Noch am gleichen Tag fuhr er, nach Vernichtung seiner Dokumente nach Sigmundsherberg, wo er die Nacht in einem Strohschober verbrachte. Am 18.6. versteckte er sich in einem Wald, ließ dort Kleider und Esswaren zurück, wendete sich weiternach Retz, wo er sich eine Jacke und einen Feldste- cher kaufte. Am Abend dieses Tages traf er in Niederfladnitz bei Retz ein und nächtigte in nächster Nähe der österreichisch-tschechoslowakischen Grenze beim Schloss Karlhorst in einem Strohschober, in der Absicht, am nächsten Tag die Verhältnisse an der Grenze auszukundschaften. Als er am folgenden Tage (19.6.1957) bei der Baumschule des Schlosses Karlhorst bei Niederflad- nitz, im Grass versteckt liegend, die dort arbeitenden Frauen mit seinem Feldstecher längere Zeit beo- bachtet hatte, wurde er gegen Mittag von einer dieser Frauen entdeckt, von dem der anwesenden Forstwart Johann Hansal und Förster Rudolf Wiesinger gestellt und zur Ausweisleistung aufgefordert. Da der Beschuldigte keine Ausweispapiere vorzuweisen vermochte und sich in Widersprüche verwi- ckelte, forderte Forstwart Hansal den Beschuldigten auf, ihm zur Zollwachabteilung Niederfladnitz zu folgen. Der Beschuldigte erklärte nun auf dem Wege zur Zollwache, dass er Engleder heiße und auf seine Habhaftmachung eine Prämie ausgesetzt sei. Nachdem er von der Zollwachabteilung aus zum Gendarmerieposten Pleißing eskortiert worden war, gab er, nach der über ihn ausgesprochenen Verhaftung nicht nur den Überfall auf Herta S. zu, sondern gestand auch die bis dorthin unaufgeklärten Überfalle auf Herta F., Margarete F. und Marga- rete B. verübt zu haben. Nach seiner Überstellung ins Wiener Sicherheitsbüro, wiederholte er zum Großteil das Protokoll, selbst diktierend, sein Geständnis und gab noch zwei weitere von ihm verübte Verbrechen zu. Das vom Beschuldigten vor der Sicherheitsbehörde abgelegte und auch vor dem Untersuchungsrich- ter aufrecht erhaltene Geständnis ist durch die Blutspuren, die sich an den Kleidungsstücken des Beschul- digten, sowie am "Fäustel" befanden, weiters durch die an seinen Opfern festgestellten Verletzungsspu- ren, sowie durch zahlreiche andere, in der noch zu erörternden Beweismittel auch objektiv bestätigt. (Folgt die Zitierung der Ordnungsnummern.) Bevor noch auf die einzelnen, vom Beschuldigten verübten, schweren Verbrechen näher eingegan- gen wird, erscheint es zweckmäßig, dessen Lebenslauf, wie er sich aus den Angaben des Beschuldigten und aus den Ergebnissen der Voruntersuchung ergibt, zu schildern: Lebenslauf Der Beschuldigte wurde als Sohn eines Werkmeisters in Sierning geboren. Als in seinem 4. Lebens- jahre die Ehe seiner Eltern in Brüche ging, kam er ins Waisenhaus Gosau und später in die Erziehungs- anstalt Gleink. Nach seinen Angaben, wobei deren Richtigkeit dahingestellt bleiben mag, sei die ihm dort zu teil gewordene Behandlung sehr streng und ungerecht gewesen, sodass sich in ihm schon da- mals Gefühle der Rachsucht und Bosheit entwickelt hatten. Nach sehr guten Fortschritten in der Pflichtschule, wurde ihm mit seinem 14. Lebensjahr ein Lehrplatz bei einem Linzer Schneidermeister vermittelt, den er jedoch aus gesundheitlichen Gründen nach ¾ Jahren aufgeben musste. Er wurde nun in der Nähe von Gallneukirchen bei einem Bauern als Knecht untergebracht. Nach dreijährigem Aufenthalt trat er bei einem Bauern in Windischgarsten in Dienst, blieb aber dort wegen angeblicher schlechter Behandlung nicht lange, war dann in Reithal bei Liezen bei einem Landwirt und anschließend bei einem Gastwirt in Gosau durch kürzere Zeit tätig. Als er von seiner Mutter, wie er angibt, erstmalig, ein Schreiben erhielt, verdingte er sich in deren Nähe bei einem Bauern inWels, ermittelte in dieser Zeit die Anschrift seines Vaters, der ihm schließlich

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2