Karl Eder - Glaubensspaltung und Landstände in Österreich ob der Enns

62 der Vertragskopien zwecks Herstellung von kollationierten Abschriften bei sonstiger Einziehung dieser erstandenen geistlichen Güter 101 ) . So sicher es ist, daß der König mit dieser Visitation neben dem Verfall der katholischen Religion auch dem Untergang des Kirchenvermögens steuern wollte, in dem er eine grundlegende Reserve der Staatsfinanzen erblickte, so lehren nicht nur Analogieschlüsse aus früheren königlichen Erlässen, sondern die späteren Ereignisse, daß trotz dieser Visitation im wesentlichen alles beim alten blieb. Von großer Tragweite ist die Feststellung, daß in der Religionsneuerung Öst erreich ob der Enns an der Spitze der übrigen niederösterreichischen Länder marschierte. Als im Zusammenhang mit der Kirchenvisitation zwischen Ferdinand und dem Wiener Bischof Friedrich Nausea ein Streit über die Kirchen- jurisdiktion ausbrach und Nausea sein Amt zurücklegen wollte, wider- riet der ausgezeichnete Kenner deutscher Angelegenheiten Giovanni Morone und bezeichnete diese Abdankung als sehr schweren Schaden für Österreich. Man habe in den österreichischen Erbländern keinen ein- zigen geeigneten Konzilsvertreter . Als warnendes Beispiel zeigte er auf ö s t e r r e i c h o b d e r E n n s, d a s s c h o n a n e i n i g e n O r t e n die alten Ki~ch e n geb r ä uch e abgeschafft und den n e u e n G o t t e s d i e n s t e i n g· e f ü h r t h ab e 168 ) . Daß es sich bei dieser Veränderung hauptsächlich um die Abschaffung der hl. Messe handelte, ist jedem mit der Zeit und mit ihrer Sprache Vertrauten klar. Der neue Geist hatte auch vor einer der segensreichsten Einrich- tungen des Mittelalters, dem S p i t a 1, nicht haltgemacht, sondern sie an den Rand des Abgrundes gebracht. Wer die Grundlagen des mittel- alterlichen Spitals kennt, ersieht sofort den Zusammenhang. Die Spi- täler, Kranken- und Altersheime zugleich, waren von der religiösen Gebefreudigkeit des Volkes begründet und erhalten worden. Die ldrch- liche Revolution verschüttete diese Quelle und setzte zunächst an ihre Stelle nichts. Der „gemeine Kasten" blieb eine Sache der Städte und konnte sich nicht recht entwickeln. Alle auf Stifter und Spenden ge- gründeten Einrichtungen, angefangen von der Wiener Universität mit ihren Bursen bis zu den Spitälern und Armenhäusern, standen vor dem Ruin. Schon bei der Visitation von 1544 hatte sich die Kommission sehr eingehend in Städten und Märkten mit den Spitälern befaßt. Auf dem Wiener Ausschußlandtag der niederösterreichischen Länder vom 20. Ok- tober 1544 erbaten die Landstände eine eigene Visitation der Spitäler. Die Begründung beleuchtet scharf den Umschwung des Denkens auf dem Gebiete der sozialen Karitas. Die Armen seien nirgends mehr ge- achtet, in den Spitälern herrsche Eigennutz, fremde Bettler durchstrichen das Land. Das Amt des Spitalmeisters solle um Gotteslohn versehen 1& 7 ) Eine Kopie des königlichen Mandates vom 31. Dezember 1545 in den Ennser Akten des oberösterreichischen Landesarch ivs, Bd. VIII. 10s) ,.Exemplo sane es t Au stri a super Onasum, quae nunc aliquot in locis, extinctis veterum non sine graviss ima causa institutis ceremon iis, novum ritum induxit." Epp. Miscell. ad Fr id . Nauseam Bd. IX, S. 368. In einem Brief aus dem Jahre 1544 schreibt Luther an Frau Jörger, daß die Leute die vorige Abgötterei im Papsttum noch nicht l assen wollten. Raupach, Bd. II, S. 87 f.

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