Karl Eder - Glaubensspaltung und Landstände in Österreich ob der Enns

60 Aus verschiedenen Gründen ergibt sich, daß die Kommission wohl fast alle aufgezählten Orte tatsächlich besuchte und nicht etwa die Pfarrvorstände in einige größere Orte der vier Landesviertel vorlud. Nur ganz benachbarte Orte, z. B. Ottensheim-Höflein, mögen eine Aus- nahme gebildet haben. Ob die Reihenfolge der Orte der Reihenfolge der Visitation entspricht, läßt sich nicht feststellen. Nicht ausgemacht ist ferner, ob die ganze Kommission jeden Ort besuchte, oder ob es eine Arbeitsteilung gab. Die Instruktion spricht für die erstere An- nahme. Wichtig für die Geschichte der Pfarrentwicklung ist der Um- stand, daß Altpfarren mit ihrer Filiation, falls nicht die Verselbständi- gung der Tochterkirchen schon bis zu einem eigenen Ortsseelsorger vorgeschritten war, nur als ein Ort auferscheinen. Auch recht jung·e Filialpfarren wurden gleichzeitig mit der Mutterpfarre visitiert. So erfolgte z. B. mit der Visitation von Gmunden unter einem die Visita- tion von Ohlsdorf, Aurachkirchen, Laakirchen mit Lindach und Gschwandt, mit Grieskirchen die Visitation von St. Lorenzen zu Poll- ham, St. Ulrich zu Wödling, St. Margaret bei Tegernbach, St. Gilgen unterhalb Schlüsselberg, St. Annakapelle beim Schloß Parz, Kapelle im Schloß Tratteneck, St. Maximilian bei Tollet, Gallsbach, Schloß- kapelle Tollet, Schloßkapelle Schlüsselberg. Gleichzeitig mit Atzbach wurden Ungenach, Ottnang, Ampfelwang, Wolfsegg, Köppach, Zell am Pettenfürst usw. visitiert. Die kaiserlichen Visitatoren luden an solchen größeren Orten die Pfarrherren und Zechleute der verschiedenen größe- ren Kirchen, in Städten und Märkten, falls diese gestiftete Benefizien oder Pfründenanteile zur Pfarrkirche und zu Nebenkirchen zu verwal- ten hatten, auch Richter und Rat ein. In einem solchen Fall meldeten die Kommissäre rechtzeitig ihre Ankunft auf einen bestimmten Tag und forderten den Rat auf, sich „mit einem guten Bericht gefaßt zu halten" 100 ). Der besondere Zweck der vorliegenden Arbeit verbietet eine aus- führliche Wiedergabe der Visitationsergebnisse in den einzelnen Orten, soweit Nachrichten vorliegen. Der Gesamteindruck besagt, daß das katholische Kirchenwesen im Jahre 1544 zwar noch bestand, aber aufs schwerste in seinem Weiterbestande bedroht war. Bezeichnend für alle Orte sind eine starke Verminderung der Priesterschaft, sodaß viele Seelsorgsverpflichtungen besonders im Filialnetz nicht mehr aufrecht erhalten werden konnten, ein erschreckender Verfall der ehedem so reichen Stiftungen, der vielfach mit Verkauf, Verpfändung und Ver- schleuderung der Stiftungsgüter zusammenlling, und die Abstreifung· der kirchlichen Gepflogenheiten in den Zünften. Allgemein ist die Klage der Pfarrer über den Priestermangel und den „Abfall der Zu- stände", der zur Verminderung der Geistlichen führe. Verschiedene Beobachtungen legen die begründete Vermutung nahe, daß der Klerus 168 ) So meldeten z. B. 1544 Juni 22, Linz, der R. K. Mt. Räte und ver- ordnete Visitatores in Osterreich ob der Enns an Richter und Rat von Enns ihre Ankunft für den 24. Juni. Ennser Akten im oberösterreichischen Landesarchiv, Bd. VIII.

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