Karl Eder - Glaubensspaltung und Landstände in Österreich ob der Enns

45 die Landesfürsten inÖsterreich imVerlaufe des Spätmittelalters durch die landesfürstliche Vogtei, das landesfürstliche Kirchenpatronat, die Ein- schränkung der geistlichenGerichtsbarkeit, durch Steuer- undVermögens- gesetze, durch den Einfluß auf die Besetzung der Kirchenämter und durch Eingriffe in rein geistliche Angelegenheiten gewaltige Breschen in das Kir- chenrecht geschlagen 108 ) . Die staatskirchlichen Bestrebungen der Landes- herren liefen im Zeitalter der Glaubensspaltung· mit der Unabhängig- keitspolitik der protestantischen Stände von der Macht der Ordinariate zusammen. Nur so erklärt sich die Schnelligkeit, mit der die pas- sauische Jurisdiktion in Österreich nach diesem Schritt des Ordinariates dahinschwand. Ein halbes Jahrhundert lang war von der passauischen Jurisdiktion in Österreich keine Rede mehr. Die „Schmälerung der landes- fürstlichen Hoheit" hatte die religiösen Bedenken in den Hintergrund ge- drängt und den Bischof vorläufig ausgeschaltet. An seine Stelle war der Landesfürst, in den einzelnenGrundherrschaften der Grundherr getreten. Als Rudolf II. später die Ständemacht in die Schranken weisen wollte, packte er genau an diesem Punkt an. Der Adel führte die Abwehr unter dem Schlagwort „Entzug der ersten Instanz". 2. Nach dem Sieg über das Passauer Ordinariat traten diP- Land- stände mit zusammengefaßter Kraft ihrem Landesfürsten gegenüber. Diese Haltung· wurde so entscheidend durch den zweimaligen türkischen Vorstoß auf Wien in den Jahren 1529 bis 1532 begünstigt, daß die ganze Religionsfrage in das Schlepptau der Türkenhilfe geriet. Anfangs Mai 1529 war Sultan Soliman mit einem riesigen Heere von Konstanti- nopel aufgebrochen, um nach der Eroberung Wiens in Deutschland ein- zufallen. Der Papst hatte Ferdinand ein Viertel des kirchlichen Bene- fizialeinkommens gewährt und dem Nuntius die Veräußerung der Kirchenschätze und im Notfall der Liegenschaften der Kirchen und Klöster in Oberdeutschland zur Ausrüstung eines Heeres gegen die Türken bewilligt. Selbst angesichts der unmittelbaren Feindesgefahr verhielt sich die Landschaft auf dem zweiten Landtag vom 24. Juni 1529 sehr zurückhaltend 100 ) und verweigerte wegen der Besteuerung des Klerus durch „den Passauer" das versprochene Hilfsgeld. Die Kommissäre Niklas Graf Salm, Wilhelm Freiherr von Waldburg und Hans Hofmann zum Grünbichel erreichten nur zwei Fähndl Knechte, eine nicht übermäßige Steuer und die Aufstellung von Truhen in den Kirchen 110 ). Als in der äußersten Not an die Stände das Aufgebot er- ging, verweigerte ein Teil des Adels den persönlichen Zuzug und er- schien am 2. und 3. Oktober nicht im Feld zu Enns. Die Verweigerung der vornehmsten Ritterpflicht im Augenblick höchster Gefahr charakteri- siert den gesunkenen Geist der Ritterschaft ebenso wie die Tat des Wolf von Losenstein, der flüchtende Frauen und Kinder in G~chwendt 108 ) Srbik v. H., Die Beziehungen von Staat und Kirche in Österreich wäh- rend des Mittelalters, S. 75 ff. 10 •) Annalen, Bd. II, BI. 84 ff. 110 ) Bei den eingelegten geistlichen Gilten von 1 Pf. 24 d, bei Fremden, Kaµf- lenten und Prokuratoren von 1 fl. 6 Kreuzer, bei Leuten mit Jahresbesoldung vom Gulden 1 Kr., von allen ohne Jahresbesoldung der Leihwochenpfennig. Preven- huber, S. 243.

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