Karl Eder - Glaubensspaltung und Landstände in Österreich ob der Enns

44 und auf den Rezeß der Visitatoren 10 '). Die zahlreichen Flugschriften und Traktätchen des Geisterkampfes hatten die papierenen Erlässe der Regierung um den Rest des Ansehens gebracht 105 ). Der Weg der Tat- sachen war beschritten, die zukünftige Gestaltung der Dinge eine Macht- frage geworden. Der erste Landtag des sturmbewegten Jahres 1529 nahm ein Generalmandat des Administrators von Passau über seine Juris- diktion in Österreich auf das Korn und prangerte es als Jurisdiktions- anmaßung über den Adel des Landes an 106 ). Die Zuweisung der Er- kenntnisse über Zehent und Kirchengüter sei eine Jurisdiktionsschmäle- rung der adeligen Vögte und der landesfürstlichen Obrigkeit. Weder die königliche Majestät noch ihre Vorfahren hätten dem Ordinarius die Ju- risdiktion über liegendes oder fahrendes Kirchengut zugestanden. Erste Instanz sei der Vogt, im Falle der Berufung die Landeshauptmannschaft oder der Landesfürst. Kein Inwohner des Landes müsse außer Landes für Recht stehen, kein fremder Fürst dürfe in solchen Sachen erkennen, Steuern und Nutzungen gingen sonst dem Landesherrn verloren. Die wiederholten Versuche der Ordinarii, Priestertestamente, Inventur und Verteilung des Erblasses den Vögten zu nehmen und an sich zu ziehen, habe Kaiser Maximilian I. abgestellt. Bei einer Jurisdiktionserweiteru·ng würden die Ordinarii unter Beistand des geistlichenStandes auch landes- fürstliche Sachen behandeln und sie hätten dann außer ihrenHerrschaften die landesfürstliche Obrigkeit über ein Drittel des Landes erlangt. Die Priesterschaft hätte weder die Befehle des Landeshauptmannes noch das königliche Generalmandat ohne besonderen Befehl des Ordinarius ange- nommen und verkündet . Die Stände verweigerten schließlich die Ausliefe- rung straffälliger Geistlicher nach Passau, sprachen sich gegen die Appro- bation adeliger Träger kirchlicher Lehen durch das Ordinariat und gegen die Geldablöse der Erben von Kirchengütern, die unter Vor- behalten verstiftet waren, aus, wiesen die verlangte allgemeine geist- liche Präsentation der Geistlichen ab 101 ) und beschuldigten die Pfarrer der Bedrückung ihrer Untertanen mit neuen Geldforderungen. Diese Darlegungen beweisen immerhin, daß die Jurisdiktion Passaus auf einem Gebiete, nämlich dem der Standesvorrechte des Klerus, noch bestand. Mit der Unterscheidung zwischen der „geistlichen Juris- diktion", der sie ausdrücklich Hilfe versprachen, und der „Jurisdiktions- erweiterung", die auf das Gebiet des Landesfürsten übergreife, waren die Landstände in eine Front mit ihrem Landesfürsten getreten. In dieser Frage galt nicht die Gruppierung hie katholisch, hie lutherisch, sondern hie weltlich, hie geistlich. Hinter der gegenwärtgen Kampf- front tauchten die Schatten viel älterer Kämpfe des Mittelalters um die Abgrenzung geistlicher und weltlicher Befugnisse auf. Tatsächlich hatten 104 ) Das Dekret vom 17. November 1528 bei Raupach, Bd. II, Beilagen, S . 71 ff., und bei Nicoladoni, S. 294 ff. 105 ) Das Patent gegen die sektischen Bücher, Buchdrucker und Buchfüh.J:er vom 24. Juli 1528 bei Raupach, Bd. II, S. 49. 100 ) Der Landtag von Reminiscere 1529 in den Annalen, Bd. II, BI. 139 ff . 107 ) Die bisherige Gepflogenheit kannte die Bestellung einiger Priester durch den Landesherrn ohne geistliche Präsentation, die Präsentation durch die geist- liche Obrigkeit und StelJen, welche die Landesherren jederzeit mit ihren Kaplänen besetzen konnten.

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