Karl Eder - Glaubensspaltung und Landstände in Österreich ob der Enns
10 schlüsse von 1524 neu entfachte katholische Abwehrpredigt mitgetrof- fen 'war, steht nirgends ausdrücklich g·eschriebeu, ist aber zwischen den Zeilen zu lesen. Der zweite Umstand lag in dem unklaren Charakter der neuen religiösen Beweg·ung, die für di e breiten Massen keineswegs durchsichtig war, für welche nicht einmal ein Name vorlag. Daher schttf die Berufung auf die Bibel als die allcinig·e Glaubensquelle - das Formalprinzip des Protestantismus - angesichts der vielen tat- sächlichen Schäden in der alten Kirche keineswegs volle Klarheit für die Zeitgenossen. Die Erblehre erschien als Menschenzusat1. und Men- schensatzung·, daher selber als Mißbrauch, das entschlackte Evang·elium als religiöse Zeitforderung·. Die Landschaft trat anscheinend mit einer völl ig berechtigten religiösen Forderung vor den katholischen Landes- fürst en und vermied es lang·e, das Kind beim wahren Namen zu nennen. Erst acht Jahre nach dem Reichstag von Augsburg (1530) findet sich in den Landtagsannalen die erstmalig·e Berufung auf die AC und v iel später taucht in den Annalen Luthers Name auf. Auf dem Innsbrucker Ausschußlandtag· schlugen die Stände die gleichen Töne an . An der Spitze der gemeinsamen Gravamina und der Sonderbeschwerden steht die Predigt des hl. Evangeliums, durch die niemand in Irrtum geführt werden solle. Nach der Meinung der Landes- vertreter werde der Menschen Gebot mehr geachtet denn Go ttes Wort. Das hl. Evang·elium sei mit mancherl ei Lehre der Geistlichen vermischt und ganz verdunkelt, ja fast g·anz ausgelöscht und unterdrückt wor- tlen11). Die Anklag·en auf Irreführung des Volkes durch die bisherige Predigt, Höherbewertung der Menschensatzung·en als des Gotteswortes und Unterdrückung des Evang·e!iums durch die Geistlichen wendeten sich an den ausgeprägten Rechtssinn des Volkes und weckten schweres Mißtrauen g·egen den Klerus. Die öffentliche Meinung war für die Auf- nahme dieser revolutionären Schlagworte um so zug·änglicher, als tat- siichliche Mißzustände vorlagen und die Flugblätter gerade diese g·e- fährdeten Stellen angriffen 1 ' ) . Demnach ist dieser Vorstoß der Land- stände ein bisher zu wenig beachtetes Zeugnis dafür, daß di e kirchlichen Verhältnisse unseres Landes ni cht ganz schlimm waren und daß die Stimmung gegen den Klerus ni cht einfach Ifaß war. Nicht di e Bauern- schaft erhob von sich aus diese Gravamina, was dem Adel hoch er- wünscht gewesen ·wfü·e, sondern die adeligen Landstände setzten sie an die Spitze ihrer Forderungen. Es verstlirkt sich je läng·e r je mehr der Eindruck, daß die Herren und Ritter in doppelter Hinsicht ihre eigene Sache vertraten. Der Hinweis auf die religiöse Frage diente ihnen teilweise zur Entlastung und die Beilegung der Bauernerhebung· war der bes te Anlaß, die Neugestaltung der relig·iös-kirchli chen Ver- hältnisse unter dem Scheine voller Ergebenheit gegen den Landes- fürst en als dring·lichstes politisches Kampfziel auf den Landtag·en ein- zuführen. Die Forderung war da und verschwand ni cht mehr. Sie paßte sich dem ewig·en Wechselspiel der politischen Zeitläufte an, erscholl 11 ) Annal en. Bd. I, lll. 377. 10 ) Vergl. Euer K .. Im Kam1lt mit dem Schl agwort, Katholische Kirchen - zo itung. 64. J ah rga ng (1924) N r. 20.
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