Karl Eder - Glaubensspaltung und Landstände in Österreich ob der Enns

9 unter dem Schein des Wortes Gottes vorgetragenen Predigten und I:,eh- ren würde di e Barmherzigkeit Gottes und die Selbsterkenntnis des Men- schen verdunkelt und die brüderliche Liebe ganz unterdrückt. Daraus folgten Eigennutz, Aufruhr und Zwietracht. Weil aber das hl. Evan- gelium eine einzige, wahre und einfältige Auslegung· habe, welche allen Fried und Einig·lrnit anzeige und nichts so hoch als Zwi etracht und Auf- ruhr hasse, so bäten sie den Fürsten um Verordnung·, daß da s h 1. E v a n g e 1i u m 1a u t e r u n d o h n e e i n i g e n Z u s a t z g· e p r e- d i g t w e r d e, w i e e s d e n n a m g e w i s s e s t e n u n d b e s t e n dort v e rst a nd e n und g e l e hrt w e rd e, w o m a n e in e S c h r i f t m i t d e r an d e r n, d a s A 1t e m i t d e m N e n e n T e s t a m e n t a u s 1e g e u n d g e g· e n e i 11 a 11 d e r h a 1 t e. Pre- diger des lauteren Evangeliums, di e ihre Lehre nach Bibel und Wort Got tes Yerant·worten wollten, sollten zu brüderlichem Verhör und zu Verantwortung zugelas en werden. Solche Lehre bleibe nicht ohne Frucht und werde in der Nächstenliebe erkannt. Die Armen sollten durch die Pfarrmenig erhalten und der öffentliche Bettel abg·eschafft werden. Durch dieses Gutachten traten die ·weltli chen Landstände auf Luthers Seite. Daß dies bereits im Jahre 1525 und noch dazu nach den blutigen Ereignissen in Deutschland in den J ahren 1524 und 1525 geschah, die Luther einen gToßen Teil seiner Volkstümli chkeit raubten, 7. eigt, wie stark bereits die Glaubensspaltung· im Lande ob der Enns in der Zeitspanne von 1520-1525 eingewurzelt war1(') . Zwar wird sich zeigen, daß die weltlichen Stände keinesweg·s geschl ossen der alten Kirche den Rücken kehrten, besonders im Herrenstand bes tand längere Zeit starker Widerstand gegen Wittenberg. Tatsache bl eibt jedoch, daß die Leitung der Landschaft, vor allem Landeshauptmann Cyriak Freiherr von Pollheim, das Land rasch der Neuerung· zuführen wollte. Freilich, für einen vollen Erfolg war die Lage noch nicht reif, es mußte w erst eine Geschlechterfol ge absterben, aber die maßgebende Körper- schaft, der en Einfluß durch die Zeitverhältnisse immer gTößer wurde, war an die Spitze der religiösen Beweg'lmg· g·etreten und hatte damit jc,ne Hauptstellung bezog·en, die sie bis zum Untergang des Protestan- tismus durch die politi sche Gegenreformation beibehielt. Dunkel und gewitterverhangen war die Zeit. Niemand konnte klar sehen, woh in die Fahrt ging·, fest stand nm der Bruch mit dem Alten, dessen Reform- bedürftigkeit außer Zweifel war. Besonders erleichterten zwei Umstände die politische Taktik der Landstände, die auch in dem berührten Gut- achten in die Augen fall en. Die Landstände traten tmter Berufung auf das lautere Evangelium auf die Seite des Landesfür sten gegen di e auf- rührerischen Schwarmg·eister. Diese, nicht etwa sie und ihre Predi g·e r, tragen die Schuld an der Revolution der Untertanen. Sie erscheinen mit dieser Ablenkung auf einen anderen Sündenbock als des Landesherrn getreue Stände, mitbesorgt um das Wohl der Untertanen und der Ar- men. Daß neben den Wiedertäufem di e durch di e Regensburger Be- 10 ) VergL den Absch ni tt „Di e An fänge des Luther tums im Land ob der E nn s 1518- 1525" in Eder K ., Das Land ob der Enn s vor der Gl a ubensspa ltung, S. 399- 417.

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