Karl Eder - Glaubensspaltung und Landstände in Österreich ob der Enns
7 Seite der übrigen Stände gezwungen, jener Landstände, die infolge der angedeuteten Lage in Österreich ob der Enns eine so mächtige Stellung· einnahmen wie kaum in einem anderen Erblande. .Cs ist daher kein Zufall, daß das kleine Lan<l. ob de r Enns weg·en seiner eigenwilligen Politik auch von den Landesfürsten g·efürchtet war und in der Stände- politik cl er Erbländer vorzüg·lich in der zweiten Hälfte des 16. Jahr- hunderts eine führenue Rolle spielte. So drängte uicht bloß die all gemeine Entwicklung in den öster- reichischen Erbländern zur Steig·eruug der Ständemacht, vi elmehr leg- ten darüber hinaus g·anz besondere Umstände in Österreich ob der Enns eine fast unbeschränkte Vollgewalt in di e Hände der Landstände. In der Frage der Glaubensspaltung mußte von der Haltung· dieser mäch- tige n Körperschaft sehr viel abhängen. Die etwa 180 Männer kamen und g'ingen ja nicht als Privatleute nach Linz, ihre Beschliisse, ihre Auffassung·en und Richtlinien, ihre offenen und noch mehr ihre ve r- steckten Schachzüg·e mußten den Gang der Ereignisse weitgehend in iluent Sinne beeinflußen. Der Verhandlungstisch der Landstände war das Hauptfeld , auf dem die Würfel fi elen, ob Rom oder Wittenberg· sieg·en sollte. Die Verhältni sse im Land e draußen wirkten gewiß her- ein und können daher auch in dieser Darstellung nicht übergang·e11 we rden; weit tiefer beeinflußten aber die geschri ebenen und ungeschri e- benen Beschlüsse der Stände den Gang· der Dinge bis in di e letzte Ort- sclrnft hinaus. Bisher verfol gte man die Plänkeleien und Kämpfe in den einzelnen P unkten draußen, jetzt soll der Versuch gemacht werden, das verschlungene Vielerlei der Kampfhandlungen als Niederschlag und Auswirkung einer zentralen Kampfleitung einheitlich und von innen her zu sehen und zu verstehen. Die Glaubensspaltung ist kein künst- liches Gemächt einer Landtagsgruppe, wohl aber läßt sich zeigen, wie die jilh aufschießende und mit Windeseile sich verbreitende Bewegung sofort von einer Anzahl entschl ossener Landstände aufgegriffen und für ihre Zwecke ausgenützt wurde. Es läßt sich zeigen, was Ur- Lewegung, was nachgeholfene Bewegung· und was Mache war. Zu verfolgen: wie allmählich sämtliche Zeitumstände in den Dienst de r Konfess ionspolitik gestellt werden, wie jeder Vorteil der Lage aus- genützt, jeder Nachteil sofort verspürt wird, wie s ich der Unte rschied von Person und Sache verliert, wie man in der Wahl der Mittel immer hemmungsloser ist, wie schließlich der Kampf der Ideen den Staat und seine Machtmittel erg-reift und in Bewegung setzt, das ist fesse lnder und lehrreicher als die blutigen Bauernkriege . Denn clcr Anblick dieser Vorgänge ·wühlt letzte und tiefs te Fragen auf. Im langwierigen Schrif- tenwechsel der Landtage ringen Fürstenmacht und Ständemacht auf Leben und Tocl, hinter trockenen Fraktionsformeln steckt die grimmige Leidenschaft der Glaubenskämpfe, a us vielen Äußerungen in Briefen und in vertraulicher Korres pondenz spricht das leidvolle Miterl eben der Menschen, die in diese furchtbare Zeit hineingeboren waren. Es ist ein Ausschnitt aus einem einzigen, großen, über ein Jahrhundert währenden Stellungskrieg der Geister, der sich vor unseren Augen abrollt. Ihn ve rfol gen, heißt Geschichte studieren.
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