Karl Eder - Glaubensspaltung und Landstände in Österreich ob der Enns

346 Landes ob der Enns. Luthers erstem Abgesandten, dem Augustiner Michael Stiefel, stellte er die 800jährige Überlieferung der katholischen Kirche gegenüber, für die Kremsmünster, Mondsee und andere Stifte zeugten. Höher als der Polemiker stand der Prediger Scherer. Er trat unter ausfälliger Ablehnung des Lästerns, Possenreißens und Märlein- erzählens für das Wort Gottes auf der Kanzel ein und gewann durch seine fri scheVolkstümlichkeit viele Zuhörer 302 ) . Er war es auch, der Mel- chior Klesl der katholischen Religion zugeführt hatte. Die unbeugsame Härte dieses Tirolers, der im eisernen Zeitalter der Glaubensspaltung großgeworden und in ununterbrochenem Kampfe mit Glaubensgegnern an gefährlichen Punkten ausgereift war, stellte in Linz ein neues Element dar 303 ). Die religiöse Lage, welche die beiden J esuiten vorfanden, be- rührte sie schmerzlich. Ein B r i e f S c h e r e r s a n d e n N u n t i u s Phi 1 i p p Sp in e 11 i 304 ) in Prag vom 2. Juni 1600 entwarf von den kirchlichen Zuständen des Landes und seiner Hauptstadt ein düsteres Bild 305 ), doch ist der strenge Maßstab des Berichterstatters und die Tatsache zu beachten, daß Scherer einiges nur vom Hörensagen hatte. Scherer schreibt vom Anwachsen des Predigtpublikums 300 ) , von der Kommunion unter einer Gestalt, die am Pfingstfes te 200 Personen empfingen, und von der Fronleichnamsprozession, die sich zum höchsten Staunen aller durch die ganze Stadt bewegte. Das Haupt- verdienst gebühre Löbls Umsicht. Doch bezeichnete der Schreiber Schulen für den Fortbestand des Reformationswerkes als unerläßlich. Die Gesells chaft Jesu sollte sobald als möglich in Linz Schulen haben, um die Jugend in der Frömmigkeit und in der Wissenschaft zu unter- richten. Der Nuntius möge diese Angelegenheit beim Papste betreiben, der dieser Stadt und dem Lande stets seine besondere Gunst entgegen- brachte. Das Hauptübel sei der Mangel vorbildlicher und frommer Priester. Es werde berichtet, daß von den 200 Pfarrern dieser Provinz kaum zehn ohne öffentliches Konkubinat lebten. Die Tätigkeit der beiden J esuiten glich der Arbeit in der Diaspora. Scherer , der am 23. April 1600 zum erstenmal in der Stadt- pfarrkirche gepredigt hatte, bestieg täglich vormittags die Kanzel, während Zehetner regelmäßig nachmittags eine Katechese hielt. Der erste sichtbare Erfolg war die seit 40 J ahren abgekommene Fronleich- namsprozession, an der sich rund 300 Personen beteiligten. Auch eine 30 ') Nagl -Ze idler, Det1tsch-österreichische Literaturgeschichte, Bd. I, S. 605 f. 303 ) Scherer war 1539 zu Schwaz in Tirol g ebor en und starb in Li nz 1605 ~.n deu Fo lgen eines Schlaganfa ll es, der ihn au f der Kanzel ere il te. 304 ) über Sp inelli , der aus vornehmer neapolitanischer Famrne s t ammte, und über seine Tätigkeit in Prag vergl. Pastor, Bd. IX 1 - 7 , S. 274 f., und Stieve F., Die Politik Baierns 1591-1607, II. Teil (5. Band der Br iefe und Akten zur Ge - schichte des Dreißigjährigen Kr ieges) a n verschi edenen Stellen. 305 ) Das Original in Rom, Päpstliches Geheimarchiv, Abteilung Borghese, III. 87, d. Eine Abschrift dieses wichtigen Dokumentes stellte mir Hofrat Doktor Johann Zöchbaur zur Verfügung. Es ist teilweise verwertet bei Ko lb G., Mit- teilungen, S. 16 f. 306 ) ·wenn manche befürchteten, daß die Pfarrkirche zu klein werde, so ist das entweder eine Übertreibung, oder unter der P farrk irche wäre die Mart ius- kirche gemeint .

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