Karl Eder - Glaubensspaltung und Landstände in Österreich ob der Enns

5 und zündeten. Sie fanden einen günstigen Nährboden. Jahrzehntelang war im Zuge einer tiefgreifenden wirtschaftlichen Yeränderung der Ver- hi1ltnisse auch eine soziale Umschichtung erfolgt. Ein Teil der herab- gekommenen Ritterschaft schreckte vor der Heckenreiterei ni cht mehr zurück, .in den Städten konnten di e Bruderladen der Zünfte die vielen wandernden Gesellen kaum befri edigen, die Bauern scha ft klagte lauter denn je über unerträgliche Bedrückung, der „gemeine Mann" hung·erte und war daher revolutionär. Wandernde Studenten und beschäftigungs- lose Gesellpriester nahmen die Klagen auf und g·ossen öl in das Feuer. Sie alle konnten sich nicht kl a r darüber sein, daß ihnen die gewaltige wirtschaftli che Umschichtung·, lie sich in ga nz Europa vollzog, den Wohlstand ver cbl ang·, d11s tiick Brot Yerkl einerte oder e.- ihnen ganz aus der Hand schlug. Auch im Bauernl and Österreich ob der Enns wuchtete der Druck der Zeit immer härter auf den Leuten, schreckte das Volk aus sein er derben Lebenslust auf und verdarb sein L!tchen. Unbehagen, So rge, Furcht und Angst vo r immer härterem Lo: um- klammerte di e Herzen und 111 ehrte den Groll. Häufiger als jo b!tll te sich die F!tust, reckte sich drohend ein Arm. Im Kopf der l\feng , für die das täg·liche Brot einen relig iöscu Untersinn hatte, war wirts ha.ftlich- soziale und religiöse Reform gleichbedeutend. Zuminde t war es ni cht schwer, di e Erbitterung a11f die Seite des g·eringeren Widerstande. zu leiten, und das hat der Adel, als 1525 d ie erste Bauern rheb1111g das Land ob der Enns beunruhigte, auch getan. Das „Gutachten, die Em- pörung zu stillen", das ein tändeausschuß im Juni 1525 rstellte, führt e das „reine Evangelium" al ·tändische Forderung in die Öffent- lichkeit ein 4 ) . Ein denkwürdi g·e r Vorg·ang. Er hat bis zur großen Ent- scheidung von 1626 Refo rmation und Bau ernkriege im Lande ob der Enns so einander nahe g·e rü ·kt, daß :ie im Schrifttum und im Ge- dächtnis des Volkes förmlich eine Ein110it bilden. Durch diesen Um- stand geriet die ganze Reforma,tionsfrage, aber auch di e Geschichte des Bauern sta ndes in ein schiefes Licht. Bei oberflächli cher Betrach - tung entsteht nämlich der Eindruck, als sei der Prote tanti mus vor- wiegend 'ache der Bauernschaft gewesen, während die adeligen Land- stände, in deren Hand die chicksale in Wahrheit rnhten , ganz un- zureichend hervortreten. Da vorliegende Werk betrachtet es als seine vornehmste Aufgabe, den wirklichen Sachverha lt so darzustellen, daß ein Zweifel am tatsächlichen Anteil der verschi edenen Bevölkerungs- gruppen in Zukunft ausgeschlossen ist. Aufgabe der späteren Landes- geschichtsschreibung bleibt es, die Erforschung der Verg·ang·enheit des Bauernstandes und seiner sozialen Krisen und Kämpfe auf neuer Grund- lage in AngTiff zu nehmen. Die rein politische oder konfess ionell e Auf- fassung der Bauernerhebungen i:t unzutreffend und veraltet. Erst wenn die Ergebnisse der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte vorliegen, kann eine neue Darstellung des Ante iles der Bauernschaft an den Glaubens- kämpfen der Reformationszeit gewagt werd en"). Es wird sich im Laufe ') Eder K., Das J.and ob der E1111s YOr der Glaubensspaltung, S. H~ r. ') Die Vorarbeiten haben von der Durch forschung der e inzelnen Herr. cbnft~- irebiete und ihrer Urbarämter auszugeben. Dem vergleichenden Studium der Sal- bücber u nd 1:hbnre, der Rechnungs- und Wil·t s, 0 haf tshii cher kommt grundlegende

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