Karl Eder - Glaubensspaltung und Landstände in Österreich ob der Enns

233 Anteil des Landes an der Abwehr der Türkengefahr klarges tellt werden, erst dann kann man die leidenschaftli che Anklage, daß einzelne w lt- li ehe Herrschaften und Vögte die Türkensteuer zu persönlichen Vor- teilen mißbrauchten, untersuchen. Zu beachten ist ferner der Unter- schied zwischen den weltlichen und den geistlichen Grundherrschaften. Den letzteren fehlte vielfach die Möglichkeit der Lastenübertragung, da ihre Hintersassen längst in einen konfessionellen Gegensatz zur Gutsherrschaft geraten waren. Ni cht die letzte Schwi erigkeit bietet der allmähliche Wachstumsvorgang· der Lasten. Da g·ab es neben Zu - schlägen zu bestehenden Abgaben und Leistungen neue Steuern und dazwischen außerordentliche Gefäll e. Die letzteren bildeten sich zu rc,gelmäßigen Steuern um oder wurden in so kurzen Zwi schenräumen angefordert, daß sie regelmäßig·en Steuern fast gleichkamen. Frühere Vergünstigung·en der Herrschaften wurden entgeltli ch, fr eiwillig·e Bei- hilfen der Untertanen zu Pflichtl eistung·en umstipuliert, durch Geld abg·elöste Leistungen neu verlangt. Daneben trug·en die Erweiterung und die scharfe Handhabung de r Dienste, besonders der Robot , viel dazu bei, den stillen Dauerkrieg, der bei dem Grundherrschaftssystem zwischen Herrschaft uncl Holden an sich bes tand , zu verschä rfen. Di e wirtschaftli che Tiefenwirlmng außerordentlicher Ereig·nisse, wie der Türkensteuern , der Überschwemmung des Landes mit den entlassenen Landsknechten (,,Ga rtknechten"), der Anlage von l\:fusterungsplätzen im Lande mit dem gefürchteten „Anlauf" von Tausenden von Auf- nahmswerbern und der Peinigung der Bevölkerung, von :Mißernte und Teuerung, läßt sich leichter fes tstellen. Sehr schwer ist dagegen das fortwährend sich ändernde Verhältnis von Geld und Ware, die Kauf- kraft des Geldes, zu bestimmen. Es geht ni cht einfach an, Summen zu nennen oder die Ansätze aus den verschiedenen Vierteln des Jahr- hunderts durcheinanderzuwürfeln . Dieselbe Leistung kann 1520 viel, 1590 wenig· g·ewesen sein. Di e J ahreszahl en sind g·enau zu beachten. Ungeachtet dieser Schwierigkeiten, zu deren Behebung vi ele fl eißige Köpfe notwendig· sind, steht die Tatsache einer schweren Überlastung der Untertanen außer Frage. Hand in Hand mit den Verwüstungen, welche der Glaubenskampf in der Seele und im Gemütsleben des Volkes anrichtete, erz eugt e di eser Dru ck eine revolutionäre Grundstimmung, die immer wieder zu Ausschreitungen führt e. Das freie Aufatmen wurde immer seltener, das natürli che Bedürfnis nach Freude war ge- hemmt, der gemeine Mann daher andauernd „schwierig". Bewunde- rung kann man nicht versagen der immer vorzüglicher ausgebauten Organisation der Bauernschaft, die aus dem Trieb der Selbs thilfe her- aus entstand, über das Gewirr der Grundherrschaft en hin aus dem Lande erst so recht eine Einheit schuf, Fühlung mit den Nachbarländern nahm und trotz all em die Masse in Ordnung· und Zucht zu halten suchte. Erst nach Aufhellung des wirtschaftlichen Hiaterg· rundes kann die schwierige Frage über den Zusammenhang· der sozial-revolutionären Bewegungen mit der Glaubensspaltung gelöst werden. Durch Über- lieferung, Geschi chtsliteratur und Dichtung sind Reformation und

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