Karl Eder - Glaubensspaltung und Landstände in Österreich ob der Enns

223 Sie bildeten in einer religiös ganz verworrenen Zeit für den Klerus, für die Laien und für die studierende Jugend den religiösen Leitfaden in der Schule und für den Selbstunterricht. Landeshauptmann Balthasar von Presing verbreitete über Auftrag Ferdinands schon 1555 den Katechis- mus des Canisius im Laude ob der Enns. So schickte er am 2. August 1555 20 Exemplare nach Freistadt, die an Bemittelte um 15 Kreuzer pro Stück, an Arme umsonst abzugeben waren. Solche Sendungen lassen sich auch nach Grein, Baumgartenberg, Waldhausen, Königs- wiesen, Unterweißenbach, Perg und Mauthausen nachweisenm) und man darf sie auch für die anderen Viertel des Landes vermuten. Ein ganz anderes geistiges Profil trägt die Gestalt des Reichshofrates D r. G e o r g E d e r 168 ) . Der Mann glühte als Laie trotz der überaus lauen Luft seiner hohen Stellung von Begeisterung für die alte Kirche. Seine naturechte Überzeugung und vorwärtsdrängende Art für die Rettung der katholischen Religion zogen ihm zwar zahlreiche Gegner und noch mehr Fehden zu, rangen aber auch Protestanten hohe Ach- tung ab. Er verkörpert den katholischen Angriff. Nach dem heftigen Tadel Maximilians II. wegen seiner „Evangelischen Inquisition''1°") winkte seiner scharfen Feder unter Rudolf II. die Freiheit. Es folgte 1579 als zweiter Teil der „Evangelischen Inquisition" das „Goldene Vlies". In diesem Zusammenhange ist jedoch ungleich wichtiger Eders „Warnungsschrift an den vierten Stand der löblichen Städte und Märkte einer ehrsamen Landschaft in Österreich unter und ob der Enns", die im Jahre 1580 zu Ingolstadt erschien 170 ). Nach der Geg·enschrift des Nigrinus zu schließen 171 ), kam dieser zeitgemäßen Schrift nicht geringe Bedeutung zu, jedenfalls suchte sie die Städtepolitik der Regierung von Seite der überzeug·ung her zu stützen. Entrichten Eders Schriften auch den Zoll an ihre Zeit, so verdient die Unerschrockenheit, die Zähigkeit und die theologische Gewandtheit dieses hohen Beamten alle Anerken- nung. Der Laie beschämte den Kleriker, er tat, was jene hätten tun sollen. Die Verteilung der Kräfte auf dem Gebiete der Literatur im Laude ob der Enns entsprach der allgemeinen Zeitlage. Die protestan- tische Literatur aller Schattierungen überwog stark, aber gegen Aus- gang des sechzehnten Jahrhunderts stieg auch das katholische Schrift- tum beachtlich an und griff immer stärker in das Kampfgetriebe der Zeit ein. Wicp.tig·er ist, daß sich auch der geistige Gehalt dieses Schrift- tums gegen früher teilweise gehoben hatte. 167 ) Jiikel J., Kirchliche und religiöse Zustände in Frni s tadt während des Re- formations-Zeitalters, 19. JB. des k. k. Staatsgymnasiums Freistadt (1889), S. 9 f. Es handelt sich tatsächlich um die lateinische Summa doctrinae Christianae, nicht um die kleine deutsche Ausgabe von 1556, und um einen Irrtum Jiikels. • 68 ) Schrauf K ., Der Reichshofrat Dr. Georg Eder, Bd. I (1573-1578), Wien 1904. Die übrige Literatur unter Eder Georg im Lexikon für Theologie und Kirche. '") Der Tadel bezog sich teilweise auf den Untertitel „Mit Röm. Kay. May. Freyheit / vnd geistlicher Oberkeit Bew illigung" . Raupach, Bd. II, S. 228. ' 7 •) Raupach, Bd. II, S. 244 und 331 ff. "') Raupach, Bd. II, S. 338 ff.

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