Karl Eder - Glaubensspaltung und Landstände in Österreich ob der Enns

183 tarius im Jahre 1588 erstellte. Es war ein Reformplan in einer Zeit immer größerer Verwilderung·, veranlaßt durch die Verschärfung der Lage in Wien 131 ), im Grunde aber als Maßnahme gegen den Verfall der Volkssittlichkeit, nicht zuletzt in Linz, g·edacht. Caementarius forderte die Errichtung eines Konsistoriums gegen die Sekten, zur Überwachung der Ministerien und zur Abstellung der Unordnung auf dem Lande. Der zweite Hauptpunkt w:u der Kampf gegen die immer mehr zunehmende Unzucht. Das Laster der Hurerei sei in Linz und an anderen Orten derart eingerissen, daß es wenige Häuser ohne eine Dirn gebe, die nicht zuvor ein Kind g·etrag·en habe. Es gehe die Rede, daß in Urfahr viele schwangere Dirnen sein sollten. Erst vor drei Wochen seien einige ge- kommen, um sich zu verheiraten und öffentlich verrufen zu lassen. Er habe sie vorläufig· auf weiteren Bescheid abgefertigt. Es gebe auch Häuse r, in denen die Ursach e gepflanzt und befördert werde. Er wolle vom Martinsberg· beim Schloß in Linz schweigen, wo die öffentlichen scorta geduldet würden und die Dirnen laut ihrer ang·eblichen Aussage dem Landrichter wöchentlich sein Deputat um Zu1assung dieser er- schrecklichen Sünde reichten. Die Stände mögen dem sonst in seinem Amte geschwinden Landrichter befehlen , seine :Männlichkeit in di eser Frage sehen zu lassen. Neue Mittel uncl Wege zu größerem Ernst in der Kirchendisziplin seien notwendig·, sonst werde Gott wegen des Lasters der Hurerei die ganze Stadt und das g·anze Land strafen. Caementarius rügte ferners den großen Mangel an Hebammen. Di-0 Wehmütter tauften die Kinder noch halb im Mutterleib oder Ungeborene und trieben nachweisbar Zauberei mit den Neugeborenen. Der Vor- schlag verlangte ein Examen der Hebammen und deren Vorstellung bei den Predigern, Ärzten und Obrig·keiten, wo sie aufgenommen würden. Weiters sei auf Ordnung m.it den Hochzeiten des Adels zu dring·en. Di e Adeligen würden abends und morgens „belaitet", daher ents tehe der Verdacht, es werde bei den Kirchen AC keine Ordnung· gehalten. Ein Dekret über die Zeit der Predigt und cler Kopulation könne Wandel schaffen. Der Bescheid der Stände beantragte die Beratung einiger Prädi- lrnnten132), deren Gutachten an die Verordneten in Wien weiterg·eleitet werden sollten. Bezügli ch des Konsistoriums blieben sie bei ihrem Be- schluß von 1578, der Examinatoren vorgesehen hatte, und ernannten neue Mitglieder des Kollegiums' 33 ) . In der Unzuchtsbekämpfung· traten sie an clen Verwalter der Landeshauptmannschaft heran und empfahlen den Predigern neben der Einschärfung- des Evangeliums auch di e SclüLrfung des Gesetzes, doch ohne unnötige Affekte. In den übrigen Punkten sagten sie Abhilfe zu. Da die grobschlächtig·e Pol emik den Ständen in Wien das Ministerium gekostet hatte, wollten die Stände „Hitzigk.eit und Privataffekt" von der Linzer Kanzel fe rngehalten wissen und g'ingen am letzten Mai 1589 sogar mit einem „Verweis an 1 3 1 ) Raupad1, fül. I, S. 177 ff., und Kbcvenhiller, Bd . III, S. Gm ff. 132 ) Die Li_uzcr Priidika11ten, l\L Joachim Müller (Steyr), M. Nikolaus Hasol- mayr (Eferding), M. Josef Coclinus (Wels). 133 ) Cnemental' ius, Miiller, Raselmayr. Coe linus.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2