Karl Eder - Glaubensspaltung und Landstände in Österreich ob der Enns

143 nicht nur die katholische Religion, die Relig·ion des Landesfürsten, am Rande des Unterganges stand, sondern daß durch die eigenwillige Ständepolitik die Grundlagen der eigenen Hausmacht erschüttert waren. Die Länder entg·litten allem geschriebenen Recht zum Trotz immer mehr der Macht des Landesfürsten, der ganze Verwaltungs- mechanismus lief immer mühsamer und gehorchte dem Willen des Kaisers immer weniger. Landesfürst und Landstände standen sich wie zwei feindliche Mächte gegenüber, deren jede bereit war, die alleinige Macht im Staate an sich zu reißen. Da jede weitere Ver- breitung des Protestantismus in den Erbländern das katholische Staatsoberhaupt auch staatspolitisch schädigte, galt es, den unbändigen Ausdehnungsdrang der A C in die Schranken zu weisen. Ein wesent- liches Mittel war eine unparteiisch ihres Amtes waltende Justiz, die in den zahlreichen Rechtshändeln über Lehenschaft und Vogtei ohne Nebenrücksichten ihre Erkenntnisse fällte. War man bisher unter sich gewesen oder hatte man bisher Streitfälle einfach durch die Tat ent- schieden, so erreichten die Prälaten im Jahre 1576 vom Kaiser die Überweisung der Religionssachen und der einschlägigen Fragen von den Landesgerichten an das Kammergericht oder an den Klosterrat in Wien. Dieser Schritt ist in der Geschichte der Landstände in jeder Hinsicht etwas ganz Neues. Wenn die Prälaten, die sonst in allen Frag·en ihre Zugehörigkeit zum ständischen corpus in Wort und Tat bekundeten und um keinen Preis, auch nicht über Drängen des Kaisers, diesen Standpunkt verließen, selber ihre erste zivilgerichtliche Instanz außer Landes suchten und anstrebten, dann kann eine solche Hand- lungsweise nur aus dem gänzlichen Versagen der Landesgerichte er- klärt werden. Denn ihrem Herzen standen die protestantischen Lands- leute näher als der katholische Landesfürst. Von Wien aus gesehen, bedeutete der „E n t z u g der ersten Instanz" eine hoch- erwünschte Zentralisierung und damit eine Stärkung der Zentralgewalt, für die Stände eine folgenschwere Durchlöcherung der Länderautono- mie. Der Schritt der Prälaten stellte daher die erste wirkliche Bruch- linie in der ständischen Struktur der Länder dar und erwies sich als das erste sichere Zeichen der Abzweigung· des geistlichen Standes von der Politik der weltlichen Stände. Er hat mit der sittlichen Reform des Prälatenstandes nichts zu tun, bahnte jedoch die so notwendige Selb- ständigkeit in der Kulturpolitik der Prälaten an . Daß der Adel die Tragweite dieses Instanzenentzuges sofort erkannte, beweist Gundacker von Starhemberg, der am 7. Juni 1576 persönlich dem Kaiser in Efer- ding die Bitte um Abstellung dieser neuen Einführung vortrug 118 ). Der Anlaß zu dem Schritt der Prälaten waren ohne Zweifel eine Reihe von übergriffen des Adels und seiner Beamten auf dem Gebiete der Vogtei, das von jeher die langwierigsten Prozesse heraufbeschwor 110 ). Zwei Einzelfälle, St. Pankraz und Neumarkt im Mühlviertel, seien zur Ver- 118 ) Oberleitner K., Die evangelischen Stände, S. 32 f . 119 ) Vergl. z. B. den Streit zwischen St. Florian und den Pollheimern um die Vogteirechte über den Pfarrhof in Vöcklabruck, der 1580 begann und 1602· endete. Stiilz J. , Zur Geschichte der Pfarre und der Stadt Vöcklabruck , Ll\iB.. Bd. XVII (1857), S. 59 ff.

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