Karl Eder - Glaubensspaltung und Landstände in Österreich ob der Enns

94 meinen und in einen besonderen Teil. überall, stellte der erste Teil fest, wurde am Gottesdienst und an den Zeremonien großer Abschleif, Veränderung und Abgang gefunden. Das Sakrament wurde fast überall sub utraque gereicht, außerhalb der Messe konsekriert und nicht im Repositorium gehalten. In den Klöstern und auf den Pfarreien nahm ungescheut das Konkubinat überhand. An mehreren Orten waren Prä- dikanten oder die Konventualen predigten selbst lutherisch 251 ) . Sek- tische Bücher und Schulmeister vergifteten das Volk mit der neuen Lehre. Kapitel wurden selten gehalten, manche Konventualen wan- derten von Kloster zu Kloster. Als groß stellte sich die verschwende- rische Wirtschaft und der Eigennutz der Hofrichter heraus. Welch dorniger Aufgabe die Reformationskommission gegenüberstand, beweist das düstere Urteil über die Ergebnisse der Visitation des Jahres 1561' 02 ): ,,1561 waren die Stifte des Landes ob der Enns nicht nur mit schweren Schäden behaftet, sondern auch zu einem beträchtlichen Teile nicht mehr katholisch. Ganz protestantisch war Spital a. P.; in Traun- kirchen waren die Geistlichen, denen Lehre und Kultus oblag, Sek- tarier; der Prior und einzige Konventpriester in Pulg·arn war sektisch und dem Schwesternkonvente fehlte der Mittelpunkt des katholischen Lebens, das Meßopfer; Gleink war zu größerem Teile unkatholisch und Garsten ebenfalls, wenigstens was den Gottesdienst betrifft, in Garsten war überdies noch ein lutherischer Prädikant angestellt; Schlägl besaß einen des Luthertums verdächtigen Abt; in Wilhering und Lambach ist es fraglich, ob der Gottesdienst noch in katholischer Weise statt- fand." Ebenso große Schwierigkeiten mußte das an vielen Orten üb- liche Religionsgemisch bereiten 253 ) . Katholische Geistliche admini- strierten die Kulthandlungen Lutheranern, Prädikanten den Katho- liken. Der Adiaphoristenstreit ließ darüber sonderbare Fälle laut werden. Die Reformationshand I u n g begann im Lande unter der Enns am 17. November, im Lande ob der Enns am 29. November, nach- dem am 27. November die zwei passauischen Hofräte zur Kommission g·estoßen waren 254 ). Wie zu erwarten stand, brachte sie verschiedene, über die Visitation hinausreichende Schäden zutag·e, andrerseits wider- sprachen sich Visitation und Reformation in wichtigen Punkten, ein ' 51 ) Die in den Klöstern zurückgelassenen Vorschriften gaben den Rat, wenn ma n keine geeigneten Prediger habe, möge man dem Volke aus Wild, Nausea, Hofmeister, Eck und Wicelius eine Predigt vorlesen Jassen . Bncholtz, Bd. VIII, S. 211 f., Anmerkung. '") Hager, Sonderabdruck, S. 15. " 3 ) Als Gründe fiihrt Hager an die Unklarheit und Unfertigkeit der Ver- hältnisse in Osterreich, den Tiefstand der dogmatischen Bildung und Mangel an Folgerichtigkeit, begiinstigt durch die österreichische Neigung zu Halbheiten und Eigenheiten. über die Verwischung der konfessionellen Grenzen im Lande unter der Enns vergl. Raupach, Bd. II, S. 144 ff. "') Die Protokolle der Reformation im Archiv des Bundesministeriums für Unterricht in Wien, Fasz. 174. Einzelheiten bei Wiedemanu, Bd. I, S. 169 ff. Sicke! Th. zählt Altenburg, Zwettl, El'lakloster und Seitenstetten zu den ober- österreichi schen Klöstern, die vom 22. November bis 30. Dezember vis itiert wur- den. Das Reformations-Libell des Kaisers Ferdinand I. vom Jahre 1562 im AOG, Bd. XLV (1871), S. 9.

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