Karl Eder - Glaubensspaltung und Landstände in Österreich ob der Enns

81 worden. Während 1557 und 1558 di e Religionsfrage auf den Landtagen noch auftauchte, herrscht 1559 und 1560 vielsagendes Schweig~n. Der spätere Annalenschreiber bemerkte zwar zu 1560: ,,In diesem ganzen Jahr wird nichts zu registieren notwendig befunden" 210 ), in Wirklich- keit wurde das Land in diesen Jahren dUl'ch schwere kirchliche Um- sturzereignisse erschüttert. Die weltlichen Stände sahen diesen Vor- gängen nicht nur mit verschränkten Armen zu, sondern förderten die Bewegung· hin zu Luther mit ganzer Kraft. Der Prälatenstand, der berufen gewesen wäre, sich wie ein Mann g·egen diese Religionsver- ändenmg zu erheben, war teils selbst lutherfreundlich, t eils durch die Zeitlage in seinem Handeln wie g·elähmt. Den wichtigsten Gelände- gewinn dieser Kampfphase bildeten die landesfür stli chen Städte, die sich trotz der katholischen Richtung ihres Landesfürst en rasch in Boll- werke des Luthertums verwandelten. Der siegreiche Durchstoß des Luthertums war beg-Ieitet vom Untergang der Mendikantenklöster, die entsprechend ihren Aufgaben fast durchwegs in den Städten lagen und auf das religiöse Leben der Städter einen maßgebenden Einfluß aus- geübt hatten. Ein klassisches Beispiel für die Durchführung des Luthertums im Lande ob der Enns bietet S t e y r. In der reichen Eisenstadt hatte sich der Pfarrklerus , Mönche der vor den Toren der Stadt gelegenen Abtei Garsten, mit der Bürgerschaft zum Untergange der katholischen Re- ligion verschworen. Schon eingangs der Arbeit wurde des Bruders Calixtus, der Garstner Konventualen Michael Forstner und Hans Wein- berger sowie der Täuferbewegung gedacht. Die Visitation von 1544 enthüllte die weit vorgeschrittene Abdorrung des katholischen Glau- bens. Unter Abt Wolfgang I. Granfuß (1537 - 1559), der mit den Steyrern „in guter Nachbarschaft und Vertreulichkeit" lebte, geschah der entscheidende Schritt. Nicht nur wetterte der Stadtpfarrer Wolf- gang Waldner 0. S. B. von Garsten gegen die Mißbräuche in der Lehre und in den Zeremonien der römisch-katholischen Kirche und verwies seine Zuhörer auf die Hl. Schrift 211 ), sondern 1548 heiratete er unter großem Aufsehen in Stadt und Land seine Wirtschäfterin. Da Bischof Wolfgang I. , Graf von Salm, den Pfarrer nach Passau vorlud und eine Interzession des lutherischen Sohnes des Steyrer Burggrafen nichts fruchtete, entwich Waldner heimlich nach Augsburg. Ein Brief an den Rat sprach seine Absage an das Papsttum und die Befriedigung seines Gewissens über die Verehelichung aus. Die Heimlichkeit seines Abzuges begründete er mit dem Verhalten seiner Widersacher, besonders des Pfarrers von Sierning·, die ihm nach dem Leben getrachtet hätten, und mit dem Schicksale Leonhard Käsers 218 ) . Sein Nachfolger Lorenz Twenger 0. S. B. aus Garsten führte die A C 1554 öffentlich durch, obwohl der 218 ) Annalen, Bd. IX, BI. 721. 217 ) Prevenhuber, S . 2G4. ' 18 ) Prevenhuber sagt dazu: .,Herr Wolfgang konnte ihm die Rechnung l eicht machen, daß er mit seiner Erscheinung zu Passau ein unannehmliches Hochzeitspräsent holen würde." S. 2G7. Waldner begab sich später nach Nürn- berg und wurde 1558 Prediger in Regensburg, wo er 1583 starb. über seine Schriften Raupach, Presbyteriologia Austriaca, I. Teil, S. 200, 6

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