Karl Eder - Das Land ob der Enns vor der Glaubensspaltung
22 liehe ging, fuhr oder ritt von der Pfarrkirche weg mit den Sterbe- sakramenten zu dem Kranken. In Pfarrgebieten mit mehreren Kirchen stand die Aufbewahrung nur der eigentlichen Pfarrkirche zu. Für größere Orte, an denen die Pfarrkirche draußen, eine Kapelle aber in der Stadt oder im Markte lag, ergaben sich aus dieser Rechtslage seelsorgliche Unzukömmlichkeiten. Schwierigkeiten in der Kranken- provisur bei Nacht und andere Umstände drängten dazu, solche Ka- pellen mit dem Privileg, die hl. Eucharistie und das Krankenöl aufzu- bewahren, auszustatten. J Ein interessanter Fall liegt mit Schön- dorf-Vöcklabruck vor. 1517 Juni 11 verlieh Paspt Leo X. dem Bürgermeister Peter von Setten, dem Richter Wolfgang Flieser und den Bürgern Johann Oeder und Wolfgang Ahamer sowie der ge- samten Bürgerschaft von Vöcklabruck das Privileg, in der Ulrichs- ldrche in der Stadt die hl. Eucharistie und das Krankenöl aufzu- bewahren und alle Donnerstage eine Prozession und das Offizium cor- poris Christi zu halten. Die Vöcklabrucker erhielten das Recht, zu Nachtzeit, in Kriegsgefahr, bei drohender Überschwemmung und aus anderen berechtigten Gründen in der Ulrichskirche das hl. Sakrament zu empfang·en und dem Priester zu beichten. f Der Salzburger Erz- bischof, der Abt von Kremsmünster und der Propst von St. Florian wurden als Schützer des Privilegs bestellt 102 ) Wenn das Breve auch sagt „unbeschadet der pfarrlichen Rechte", so kann doch nicht ver- kannt werden, daß ein Ansatzpunkt zur Verselbständigung gegeben war. Die Verteilung der Kirchen in Vöcklabruck mit der Ulri chskirche als Pfarrkirche, Schöndorf als Filiale und der Ägidikirche beim Pfarr- hof im Dörfl ist bis zur Gegenwart eine seltsame geblieben. \ Eine be- sondere Rolle spielt die Aufbewahrung der hl. Eucharistie bei den Sc h 1o ß p f a r r e n, von denen weiter unten die Rede sein wird 103 ). Gewiß ist, daß die l. Eucharistie nur in Kirchen aufbewahrt wurde, an denen ein Geistlicher angestellt war. Filialen und Nebenkirchen ohne eigenen Geistlichen erhalten das Privileg nicht. Man sieht, daß wie bei der Anstellung eines Geistlichen auch in dieser Frage das seelsorgliche Bedürfnis über das formale Recht hinwegschreitet. 4. Verselbständigung· von Filialen auf dem Wege des Gewohnheits- rechtes. Die Untersuchung verwies bereits auf die Tatsache, daß es sich bei den Veränderungen im Pfarrnetz nicht um Neugründungen, son- dern, eine Ausnahme abgerechnet, nur um die Erhöhung der Rechts- stellung verschiedener Kirchen handelt. Man darf hinzufügen, daß die Rang·serhöhung nie ganz freiwillig von Seite der verlassenen Mutter- pfarre und noch viel weniger der Pfarrinhaber erfolgte, sondern daß der Druck der Zeitereignisse eine Reihe schon früher ausbruchsreifer Filialen verselbständigte. Gesichtspunkte neuzeitlicher, womöglich 162 ) Original im Stadtarchiv Vöcklabruck. Das Aufdrucksiegel herausge- schnitten. Vergl. Lichtbild Nr. 2. 183 ) s. 26 ff.
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