Karl Eder - Das Land ob der Enns vor der Glaubensspaltung

416 14s als Engel darstellt und griff zweimal Dr. Murner an 4 g) . Vor der Ankunft des Erzherzog Ferdinand in Stuttgart im Mai 1522 ergriff er die Flucht aus seinem Kloster, wurde Predig·er bei Junker Hardtmuth von Cronenberg, nach einem Aufenthalt in Wittenberg Hofprediger in Mansfeld und hielt sich 1524 wieder bei Luther in Wittenberg auf 50 ) . Als sich der 22jährige Christoph Jörger, der seinerzeit Luther am sächsischen Hof kennen gelernt hatte, an Luther um einen Schloßprädi- kanten für Tollet wandte, schickte Luther den Stiefel mit einem Emp- fehlungsschreiben (Wittenberg·, 1525 Sonntag nach Exaudi) nach Tollet" 1 ) . Mi t Mi c h a e 1 S t i e f e 1 b e t r a t d e r e r s t e 1 u t h e- r i s c h e Pädikant obderennsischen Boden und übt e s e i n A m t i m U m f a n g d e r S c h 1 o ß p f a r r e T o 11 e t a u s. Nach seinen Worten über die Macht des Teufels zur Verhinderung des Wortes Gottes scheint er bei der Bevölkerung· wenig Anklang ge- funden zu haben. Er stand in enger Beziehung zu Leonhard Käser, der ihm aus der Gefangenschaft einen Bri ef sandte und ein Gutachten über sein Glaubensbekenntnis erbat und unterrichtete Luther iloer die Schicksale des Vikars von Waizenkirchen. Die Hinrichtung Käsers veranlaßte Stiefel, 1527 wieder nach Wittenberg zurückzukehren. Luther mahnte Christoph Jörger zu Geduld, bis „das Wetter überhin- gehe" und billigte die Entlassung Stiefels, da er ihn nicht hätte schützen können 5 ") . Für die spätere Geistesrichtung Stiefels ist es be- zeichnend, daß er als Pfarrer von Lochau auf Allerheiligen 1533 das Weltgericht verkündete, Bücher und Hausgerät verschenkte und seine Bauern zu gleichem anhielt. Als er am Lukastag mit seiner Gemeinde in der Kirche vergeblich das Gericht erwartete, rissen ihn die Bauern von der Kanzel herab und führten ihn, weil er sie an den Bettelstab gebracht hätte, gebunden nach Wittenberg vor das Gericht. Vergeblich hatte Luther den Stiefel von diesen Ansichten abbringen wollen. Er sagte von dieser Aussprache: ,,Es hat mir mein Lebelang kein Wider- sacher so böse Worte gegeben als er" 53 ). Aber Stiefel überwand das „kleine Anfechtlein" 54 ) und wurde 1534 Pfarrer in Holzdorf, wo er im Umgang mit Melanchthon, Justus Jonas und Luther lebte. Er war dann Prediger in Preußen und Sachsen und zuletzt Mathematikpro- fessor in Jena, wo er hochbetagt 1567 starb 55 ). Wirkte Stiefel auch 49 ) Eine ,Schrift lautete: .,Widder Doctor Murna r s fa l sch erdicht Lied von dem Untergang Christi. Glaubens Bruder Michaels Stiefels von Eslingen Vsleg vnd Christliche Gloss. Ach du armer Murnar etc." Eine dritte Schrift handelte über „Das Evangelium von dem verl cirnen Son Luce XV. Cap." . Raupach, Bd. II, S. 3G, Anm. b. • 0 ) Ein begeisterter Brief an Spalatin von 1524 Dominica Cantate bei Ra u- pach , Bd. II, S. 37, Anm. " · ") Der Brief Luthers an den J ör ger bei Raupach, Bd . II, S. 37 f. 52 ) Der Brief Luthers von 1528 Epiphaniae Domini bei Raupach, Bd. II, S. 40 f. z,,_m Datum Anm. q. 53 ) Luthers Tischreden, Erlanger Ausgabe, Bd. LXI, S. 117. ' 4 ) So Luther an Frau Dorothea Jörger 1533 Oktober 24. Raupach, Bd. II, s. 41. ") Georg Scherer S. J. benützte in seinen gesammelten Schriften, München 1G14, 2. Teil, die advent istische Wandlung Stiefels, um den ersten Prädikanten des Landes ob der Enns vor den Landständen, denen er sein Werk gewidmet ha tte,

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