Karl Eder - Das Land ob der Enns vor der Glaubensspaltung

415 den B r u d e r C a I i x tu s gesandt, der die Steyrer so begeisterte, daß di e Ratsherren bei dem Visitator Faber am 2. Mai 1525 sich den Calixtus für ein ganzes J ahr als Predig·er in Steyr ausbaten. Faber war voreilig genug, schon am 3. Mai ein Gesuch an den Provinzial zu richten, das wirklich die Mission des Calixtus in Steyr um ein Jahr verlängerte. Er ist ein Musterbeispiel jener eilfertigen und ganz und gar oberflächlichen Visitatoren, die später mit ihren Berichten soviel Unheil anrichteten. Im Advent 1525 und 1526 behandelte Calixtus di e ersten acht Kapitel des Römerbriefes im Sinne Luthers, die Gnade Gottes allein g·ewirkt durch den Glauben an die Verdienste Christi , erwiesen durch die Liebe• 0 ). Direkte AngTiffe gegen die katholische Kirche fehlten, wohl aber machte Calixtus wiederholt geringschätzige Andeutung·en über die Werkheiligkeit, worunter er bezahlte Fürbitten und Totenmessen, Jahrtäge, Ablässe, Wallfahrten, die Fürbitte Ma- riens und der Heiligen und die Benefiziumsstiftungen begriff. Da der Stadtpfarrer M. Michael Forster auf der Seite des Calixtus stand, konnte dieser das ganze J ahr predigen. Die von ihm empfohlene Er- richtung einer Armenkasse (des „gemeinen Kastens") im Sinne Luthers sicherte ihm in weiteren Volkskreisen eine starke Anhängerschaft. Als Calixtus auf Anordnung des Abtes Pankraz von Garsten nach Ablauf des Jahres abberufen wurde, wich er nicht von der Stelle und wandte sich, nach Passau zitiert, an den Rat um Schutz. Während in Steyr eine heftige Fehde zwischen dem Prediger Wolfgang der Do- minikanerkirche und Calixtus entbrannte, da der Dominikaner den Calixtus einen „schmalen Schüler" in der hl. Schrift nannte, wogegen Calixtus von der neidigen Viper sprach, der Gott das Haupt mit seinem kräftigen Wort zur Erde neigen werde, verwendete sich der Rat beim Landeshauptmann und den Verordneten für „den herrlichen Prediger" und berief sich auf den Ausschußlandtag zu Augsburg und die dort den niederösterreichischen Gesandten angeblich zuges tandene Freiheit der Predigt. Erst auf den scharfen Befehl Ferdinands I. von 1527 Aug·ust 25 wanderte Calixtus von Steyr aus und scheint durch Luthers Vermittlung eine Predigerstelle erhalten zu haben. Kann man die theologischen Ansichten des Franziskaners Calixtus noch als Übergangstheologie bezeichnen, so steht sein Partner Michael Stiefel bereits auf völlig neugläubigem Boden. Mi c h a e 1 S t i e f e l") war Augustiner in Eßlingen und hatte sich 1520/1521 Luther zugewandt. Er dichtete ein begeistertes Lied auf Luther 48 ), in dem er den Reformator in Anlehnung an Apokalypse ") Czerny A., a . a . 0., S. 13 ff. Raupach, Presbyter ol ogia, S. 15, meint da- gegen, Calixtus habe den Römerbrief „mehr nach der a lten , ja der ältesten, a ls der neuen Lehrer Meinung erklärt". 47 ) Sillem W., Michael Stiefel, der erste evangelische Prediger im Erzherzog- tum Österreich, Programm der öffentlichen evangelischen Schulanstalt zu Ober- schützen, 1860/1861, S. 1- 19. Ich danke der l öblichen Direktion der Anstalt auch hier verbindlichst für die Überlassung des einzigen Exemplares der Schule und mei nem Freund, Professor Dr. Ignaz Glas, für die gütige Vermittlung. 4 8 ) .,Bruder Michael Styfel, Augustiner von Eßlingen. Von der chris tför- migen, recht gegründeten Lehre Doctoris Martini Luther, ein überaus schön .:ünstli ch Lied sammt seiner Nebenauslegung." Es gibt drei verschiedene Aus- gaben, jede ohne Jahreszahl und Druckort.

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