Karl Eder - Das Land ob der Enns vor der Glaubensspaltung

414 schwundenen Gebefreudigkeit für die Armen einzudämmen. Man muß es nochmals klar feststellen, nicht die Bauerngravamina, sondern die o-ravamina der drei weltlichen Stände haben zum erstelllllal unter der Form des reinen Evangeliums das Luthertum auf den Verhandlungs- tisch der Stände gebracht und die Predigt des reinen Evangeliums zur ständischen Spitzenforderung g·emacht. Von den 23 Punkten, welche das Land ob der Enns auf den Innsbrucker Verhandlungen (Mitte Juni 1525) einbrachte, beklagt der 1. Punkt die Höherstellung menschlicher Gebote über das Wort Gottes, die Vermischung· des hl. Evangeliums mit verschiedenen Lehren der Geistlichen, die Verdunkelung und Unterdrückung desselben 44 ). Seit di eser Zeit verschwindet diese For- derung erst um die Vierzigerjahre des 16. Jahrhunderts von den Land- tagen. Es war in dem Augenblick, als man angesichts der allgemeinen Lage der alten Kirche zur öffentlichen Änderung der Religion auf dem Wege der Tat überging. Man hat sich im Land ob der Enns daran gewöhnt, Bauernaufstände und Reformation zusammen zu denken und zu nennen. Daran ist für den zweiten und dritten Bauernaufstand viel Richtiges, man hat aber weithin übersehen, daß von Anfang an Land- stände und Reformation viel enger zusammenhängen. Das entscheidend Neue des Jahres 1525 war, daß alle die Ansätze des Luthertums in Schlössern, Städten und Märkten zusammengefaßt und als deutliche programmatische Forderung, hinter der sich die Mehrheit der Land- stände stellte, auf den Verhandlungstisch gelegt wurden. Es war der Schritt des neuen Bekenntnisses aus dem Dunkel privater persönlicher Anschauungen in das volle Licht der Öffentlichkeit. Die Folgen konnten in Stadt und Land nicht ausbleiben. Städte wie Adelige zogen aus dieser Lage entschlossen die Folgerungen und sahen sich um lutherische Prädikanten um. In den Reihen dieser Sturm- truppen der Neuerung gab es zwei verschiedene Typen. Die einen suchten aus der katholischen Vergangenheit heraus ohne Bruch mit der Kirche das reine Evangelium zu verkünden und stellten sich dieses als das stark beschnittene und gereinigte Christentum der Vergangen- heit vor. Gerade diese Richtung mußte mit ganzer Rücksichtslosigkeit die wirklichen oder vermeintlichen Mißbräuche der Kirche angehen. Die zweite Richtung hatte mit der Kirche gebrochen, sah in ihr nichts Gesundes und Wertvolles mehr, sondern verkündete das „reine Evan- gelium" als etwas Neues. Den ersten Typus verkörperte im Land ob der Enns der Fastenprediger Bruder Calixtus in Steyr, den zweiten Michael Stiefel, der erste Prädikant im Land ob der Enns auf Schloß Tollet. In S t e y r hatte sich Ende 1524 die lutherische Sache nach einem Bericht des vertrauten Ratgebers des Erzherzogs Ferdinand Dr. Jo- hannes Faber'") ,,kräftig herausgeschlichen", ein Beweis, daß die scheinbar ruhigeren Jahre 1521-1523 hindurch die Neuerung „weiter- gefressen" hatte. Für die Fastenzeit 1525 hatte über Ersuchen des Rates der Provinzial der Barfüßer im Kloster St. Theobald in Wien 44 ) Annalen, Bd. I, BI. 377. Dazu Eder K., a. a. 0 . , S. 57 f. ..) Brief des Faber an EH. Ferdinand, Enns, 1525 Mai 3, im Stadtarchiv Steyr. Bei Prevenhuber, S. 22G, verderbt.

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